Syrien soll Verzicht auf Chemiewaffen garantiert haben
Die Türkei und die USA bereiten sich für den Fall vor, dass das syrische Regime Chemiewaffen einsetzt. Russland beschwichtigt: Syrien werde nicht darauf zurückgreifen.

Die Türkei und die USA haben die Arbeit an gemeinsamen Notfallplänen mit Blick auf eine mögliche Intervention in Syrien aufgenommen. Diplomaten, Militärs und Geheimdienstler beider Seiten kamen heute in Ankara zum ersten Treffen dieser Art zusammen, wie aus dem türkischen Aussenamt verlautete. Die Aussenminister beider Länder, Ahmet Davutoglu und Hillary Clinton hatten vor zehn Tagen in Istanbul den Beginn einer detaillierten «Operationsplanung» für Syrien angekündigt.
Ankara und Washington wollen damit einen Machtwechsel beschleunigen und Vorkehrungen für die Zeit nach einem Sturz der Regierung von Präsident Bashar al-Assad treffen. Beim heutigen Treffen in Ankara ging es unter anderem um mögliche Reaktionen für den Fall, dass das syrische Regime die Chemiewaffen des Landes aus den Depots holt oder gar gegen die Opposition einsetzt. Die USA hatten dies als «rote Linie» bezeichnet, deren Überschreiten eine militärische Intervention auslösen könnte. Washington ist besorgt, dass Chemiewaffen radikalen Islamisten in die Hände fallen könnten.
Nach Angaben des russischen Syrien-Beauftragten in Moskau hat jedoch Syrien garantiert, seine Chemiewaffen im gegenwärtigen Konflikt nicht einzusetzen. Der stellvertretende russische Aussenminister Gennadi Gatilow sagte heute zudem, seine Regierung arbeite eng mit Damaskus zusammen, um sicherzustellen, dass das syrische Chemiewaffenarsenal an sicheren Orten verbleibe und nicht in die Hände von Terroristen falle.
Nicht mehr als 100'000 Menschen versorgen
Nach Presseberichten wollen die USA zusammen mit der Türkei auch Übergriffe der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit gegen Alawiten, Christen oder Juden in Syrien verhindern. Für die Türkei geht es in den Gesprächen unter anderem um die mögliche Einrichtung einer Schutzzone für Flüchtlinge auf syrischem Gebiet, falls sich der Zustrom von Menschen aus dem Nachbarland in die Türkei weiter verstärkt. Derzeit halten sich rund 70'000 Syrer in türkischen Auffanglagern auf; die Türkei hat angedeutet, dass sie nicht mehr als 100'000 Menschen versorgen kann.
Daneben will Ankara mit Washington auch über die Präsenz der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Norden Syriens sprechen. Die Türkei befürchtet, dass die Kurdenrebellen das Gebiet als Ausgangspunkt für Terrorakte auf türkischem Boden nutzen könnten. Die Regierung in Ankara hat Syrien vorgeworfen, der PKK einige Gegenden in Nordsyrien regelrecht überlassen zu haben. Die Türkei behält sich Militärschläge gegen die Kurdenrebellen im Nachbarland vor.
Rebellen haben Schlüsselstellungen erobert
Die Aufständischen haben derweil in schweren Gefechten mit syrischen Regierungstruppen nahe der Grenze zum Irak offenbar einige Schlüsselstellungen erobert. In der Ortschaft al Bukamal in der ölreichen Provinz Deir el Sur hätten die Rebellen heute mehrere Kontrollposten, die Polizeiwache und die örtliche Vertretung eines Geheimdienstes übernommen, teilte die in Grossbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. «Die Freie Syrische Armee versucht, die Stadt zu befreien und zu säubern», sagte der Aktivist Abu Omar al Diri per Telefon aus der Provinzhauptstadt Deir al Sur. Unterdessen teilten die Vereinten Nationen und mehrere Hilfsorganisationen mit, dass immer mehr Zivilisten Opfer des eskalierenden Bürgerkriegs in Syrien würden.
Sollte es den Aufständischen gelingen, ganz al Bukamal zu erobern, wäre das ein grosser strategischer Erfolg. Noch kontrollieren die Regierungstruppen nach Angaben von Aktivisten allerdings weite Teile der Stadt sowie den Grenzübergang in den Irak. «Das Ziel ist, al Bukamal vollständig zu übernehmen», sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdul Rahman. Die Örtlichen Koordinationskomitees meldeten Angriffe der syrischen Luftwaffe auf die Ortschaft. Abdul Raham hingegen sagte, die Kampfflugzeuge seien lediglich über al Bukamal hinweg geflogen und hätten Gebiete rund um die Ortschaft angegriffen.
Amos fordert mehr internationale Hilfe
Nach Auffassung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International werden immer mehr Unbeteiligte zu den Leidtragenden des Bürgerkriegs in Syrien. Die Zivilbevölkerung zahle in den Kämpfen zwischen der syrischen Regierung und der bewaffneten Opposition einen hohen Preis, hiess es in einem heute veröffentlichten Bericht der Amnesty-Krisenbeauftragten Dontella Rovera.
UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos mahnte mehr internationale Hilfe für die Menschen vor Ort an. Wie das Deutsche Rote Kreuz mitteilte, sind in Syrien 2,5 Millionen Menschen auf Unterstützung angewiesen, 1,2 Millionen von ihnen sind auf der Flucht.
Amnesty untersuchte 30 Angriffe
Häufig würden Unbeteiligte zur Zielscheibe von Luft- und Artillerieangriffen durch die syrischen Streitkräfte, teilte Rovera mit. Sie war für zehn Tage in die umkämpfte Handelsmetropole Aleppo gereist. Amnesty-Mitarbeiter untersuchten in der Zeit rund 30 Angriffe, bei denen mindestens 80 Menschen getötet wurden, die nicht in die Kämpfe verwickelt waren. Zwar gingen die meisten Angriffe auf das Konto der Regierungstruppen. Doch auch die Opposition nutze gelegentlich unpräzise Waffen, und es könne nicht immer genau geklärt werden, von wem die Gewalt ausgehe.
Die syrische Regierung machte die Aufständischen für den Tod der japanischen Journalistin Mika Yamamoto am Montag in Aleppo verantwortlich. Sie sei von «bewaffneten Gruppen» getötet worden, um die syrischen Streitkräfte in ein schlechtes Licht zu rücken, sagte der stellvertretende Aussenminister Fajsal Mekdad heute. Zuvor hatten die Rebellen erklärt, Yamamoto sei von Regierungstruppen getötet worden.
dapd/ sda/ AFP/rbi
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