Syngenta wurde amerikanisch – und nicht chinesisch
Hat sich das Basler Unternehmen seit der Übernahme durch China verändert? Ja, aber nicht ganz so, wie Politiker befürchteten – und deshalb nun eine Investitionskontrolle verlangen.

Saugen chinesische Staatsbetriebe Schweizer Unternehmen aus? Diese Frage steht im Raum, seit der Basler Saatgut- und Pflanzenschutzmittelhersteller Syngenta 2017 vom chinesischen Staatskonzern Chemchina für 43 Milliarden Dollar übernommen worden ist. Dies sei ein «Coup historischen Ausmasses», hiess es damals, weil es die bislang teuerste Übernahme einer westlichen Firma durch China war.
Die Übernahme gab der Diskussion um eine staatliche Kontrolle ausländischer Firmenübernahmen in der Schweiz einen überaus kräftigen Schub. Mitte Dezember wird die brisante Forderung im Nationalrat diskutiert. Im Juni hatte sich der Ständerat mit knapper Mehrheit für ein Vetorecht gegen chinesische Übernahmen ausgesprochen.
«Schrittweise Verschiebung der Machtverhältnisse»
«Syngenta bleibt Syngenta»: Dieses Versprechen gab Chemchina-Chef Ren Jianxin anlässlich der Übernahme. Der kommunistische Funktionär, der zum neuen Verwaltungsratspräsidenten von Syngenta wurde, kaum Englisch sprach und an Sitzungen von Dolmetschern assistiert werden musste, ist beim Basler Konzern allerdings bereits wieder weg, auch bei Chemchina. Geblieben als kurioses Bonmot ist sein Spruch «Syngenta bleibt Syngenta».
Frank Ning, der in den USA ausgebildete Chinese, gilt als erfahrener Manager.
Kritiker sehen das anders und verweisen auf die Abgänge an der Konzernspitze, auf die 400 Stellen, die am Hauptsitz verloren gingen, und darauf, dass Syngenta auf einen geplanten Neubau des Hauptsitzes verzichtet hat. Anstelle von Ren Jianxin, der den Kauf eingefädelt hatte, präsidiert nun Frank Ning den Verwaltungsrat.
Der in den USA ausgebildete Chinese gilt als erfahrener Manager. Als in diesem Frühling bekannt wurde, dass ein Chinese das Syngenta-Geschäft in China verantworten wird, sprach die «Handelszeitung» von einer «schrittweisen Verschiebung der Machtverhältnisse».
Syngenta läuft an der langen Leine von Chemchina
Eilen nun am Hauptsitz in Basel, wo seit der Übernahme das Topmanagement ausgewechselt und rund 400 Stellen gestrichen wurden, immer mehr Chinesen durch die Gänge? Christoph Mäder winkt ab. Der Jurist war fast 19 Jahre lang Chef der Rechtsabteilung von Syngenta und verliess den Konzern vergangenes Jahr – als letzter Schweizer im Topmanagement. (Wir berichteten.)In den obersten drei Führungsebenen am Hauptsitz gebe es keine Chinesen, erklärte Mäder am Donnerstagabend in Basel in einem Vortrag über den Verkauf von Syngenta.
Syngenta läuft demnach an der langen Leine von Chemchina. Die Chinesen verpflichteten sich laut Mäder, während fünf Jahren nach der Übernahme den Firmensitz, die Investitionen in Forschung und Entwicklung und das Investment Grade zu garantieren.
Nur zwei Chinesen im Verwaltungsrat
Zu den Garantien gehört auch, dass der mittlerweile neunköpfige Verwaltungsrat mit vier unabhängigen Vertretern bestückt ist, die ein Vetorecht haben. Geleitet wird das Quartett von Jürg Witmer, der seit 2006 im Aufsichtsgremium sitzt – und als Einziger einen Schweizer Pass hat. Ihnen stehen zwei Chinesen gegenüber, darunter Verwaltungsratspräsident Frank Ning. Dem Gremium gehören weiter drei Amerikaner (unter ihnen Syngenta-Chef Fyrwald), ein Brasilianer und eine Niederländerin an. Käme es zum Streit, wären Schweizer Recht und Richter für den Fall zuständig.
Der Amerikaner Erik Fyrwald, seit 2016 Konzernchef, hat die Zentrale mit eigenen Leuten bestückt.
Mäders Ausführungen sollen darlegen, dass Syngenta nicht «chinesisch» geworden ist. Andere Syngenta-Kenner reden davon, dass der Konzern sogar «amerikanischer» geworden sei. Der Amerikaner Erik Fyrwald, seit 2016 Konzernchef und seit letztem Jahr auch Mitglied des Verwaltungsrats, hat die Zentrale mit eigenen Leuten bestückt. Die sechsköpfige Konzernleitung besteht aus drei Amerikanern, zwei Briten und einer Französin. Der «amerikanische» Führungsstil von Fyrwald wird von Insidern im Vergleich zu früher als «eher ruppig» bezeichnet.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Christoph Mäder in seinem Vortrag in Basel kurz skizzierte, was passiert wäre, wenn der US-Konzern Monsanto, der vor Chemchina den Schweizer Konzern in drei unfreundlichen Anläufen zu einer Übernahme zwingen wollte, erfolgreich gewesen wäre. Syngenta wäre womöglich zerlegt und der Sitz in die USA verlagt worden, es wäre zu Fabrikschliessungen und grösserem Arbeitsplatzabbau gekommen.
Rückkehr an die Börse geplant
Und was ist, wenn die Fünfjahresfrist im Mai 2022 ausläuft? Dann, so hoffen alle Beteiligten, wird eine teilweise Rückführung von Syngenta an die Börse realisiert sein. Dieser wichtige Schritt war als Option in die Verkaufsverhandlungen aufgenommen worden. Syngenta-Veteran Mäder ist überzeugt, dass Investoren nur zugreifen würden, wenn Governance, Rechnungslegung und Transparenz westlichen Vorstellungen entsprächen.
Ob dies für potenzielle Investoren Anreiz genug ist, ist eine offene Frage. Kenner hegen grösste Zweifel, dass dies in der Schweiz oder in den USA möglich sein wird. Westliche Investoren verkaufen zwar gerne Firmen an Chinesen, wollen aber nicht mitmachen, wenn die gleichen Chinesen einen Minderheitsteil später an die Börse zurückbringen.
Dies widerfuhr beispielsweise dem chinesischen Konzern HNA, der in der Schweiz unter anderem die Swissair-Töchter Swissport und Gategroup gekauft hatte. Das unter einer gewaltigen Schuldenlast ächzende Konglomerat musste im letzten Jahr die Börsengänge der beiden Schweizer Firmen abblasen, weil Investoren die kalte Schulter zeigten. Chemchina ist nach einer intensiven Einkaufstour rund um den Globus ebenfalls hoch verschuldet.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch