Swissness-Hürde soll für industriell hergestellte Produkte tiefer liegen
Wie viel Schweiz muss drin sein, damit Schweiz drauf stehen darf? Die beiden Parlamentskammern streiten über die Messlatte. Bei Industrieprodukten will der Ständerat die heutige Regel sogar aufweichen.

Das Feilschen um den Schutz der Marke «Schweiz» geht weiter. Der Ständerat hat die Swissness-Vorlage als Zweitrat gutgeheissen. In wichtigen Punkten sind sich die Räte aber nicht einig.
National- und Ständerat haben zu entscheiden, welche Anforderungen Lebensmittel, industrielle Produkte und Dienstleistungen erfüllen müssen, um als schweizerisch zu gelten. Einig sind sie sich bisher nur bei den Dienstleistungen. Hier sind die Anforderungen gering. Es genügen ein Geschäftssitz und ein Verwaltungszentrum in der Schweiz.
Tiefere Hürden für die Industrie
Der Ständerat hat es am Dienstag abgelehnt, die Hürden höher zu legen. Thomas Minder (parteilos/SH) forderte, dass sich mindestens die Hälfte der Arbeitsplätze in der Schweiz befinden muss. Die Mehrheit war aber der Ansicht, dies wäre für international tätige Schweizer Firmen ein Problem.
Umstritten sind nun noch die Anforderungen für Lebensmittel und industrielle Produkte. Der Nationalrat war der verarbeitenden Lebensmittelindustrie entgegengekommen und hatte die Swissness-Vorlage bei den Lebensmitteln aufgeweicht. Der Ständerat hat nun die Anforderungen für industrielle Produkte gelockert.
Nach dem Willen der kleinen Kammer sollen industrielle Produkte bereits dann als schweizerisch gelten, wenn 50 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. Der Bundesrat und der Nationalrat wollen, dass mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen müssen.
Warnung vor Arbeitsplatzverlust
Die Mehrheit befand, die 60-Prozent-Regel sei zu streng. Die Messlatte für die Schweizer Wirtschaft dürfe nicht zu hoch angesetzt werden, sonst gingen Arbeitsplätze verloren, warnte Hans Hess (FDP/OW).
Justizministerin Simonetta Sommaruga rief den Rat vergeblich dazu auf, für 60 Prozent zu stimmen. Zwar gelte heute gemäss Gerichtspraxis die 50-Prozent-Regel. Künftig könnten aber mehr Kosten zu den Herstellungskosten gerechnet werden, namentlich jene für Forschung und Entwicklung. Damit wäre es faktisch eine Aufweichung der heutigen Regel, wenn der Rat für 50 Prozent stimme.
Der Rat stimmte dennoch für 50 Prozent. Bei den anrechenbaren Kosten folgte er dann aber dem Bundesrat und sprach sich dagegen aus, diese noch weiter auszuweiten. Der Nationalrat möchte neben Forschung und Entwicklung auch die Qualitätssicherung und die Zertifizierung zu den Herstellungskosten zählen.
80-Prozent-Regel für Lebensmittel
Bei den Lebensmitteln ist der Ständerat dafür zur Bundesratsversion zurückgekehrt. Demnach sollen Lebensmittel nur dann als schweizerisch gelten, wenn 80 Prozent des Rohstoffgewichts aus der Schweiz stammen.
Der Nationalrat will zwischen stark und schwach verarbeiteten Produkten unterscheiden. Einen Mindestanteil Schweizer Rohstoffe von 80 Prozent müssten nur schwach verarbeitete Lebensmittel aufweisen. Für stark verarbeitete Produkte würden 60 Prozent genügen.
Für diese Version plädierte Urs Schwaller (CVP/FR). Die Nahrungsmittelindustrie habe sich dafür ausgesprochen, stellte er fest. Sein Antrag wurde aber mit 29 zu 13 Stimmen abgelehnt. Die Unterscheidung zwischen schwach und stark verarbeiteten Lebensmitteln sei zu problematisch, befand die Mehrheit. Nein sagte der Rat auch zu speziellen Regeln für Milch und Milchprodukte.
Exakte Regeln zum Selbstversorgungsgrad
Eingefügt hat der Ständerat hingegen detaillierte Regeln für Rohstoffe, die nicht in genügender Menge verfügbar sind. Bei der Berechnung des Rohstoffgewichts von Lebensmitteln sollen demnach alle Rohstoffe voll angerechnet werden, bei denen der Selbstversorgungsgrad der Schweiz mindestens 50 Prozent beträgt.
Rohstoffe, bei denen der Selbstversorgungsgrad zwischen 20 und 49,9 Prozent beträgt, sollen nur zur Hälfte angerechnet werden müssen. Liegt der Selbstversorgungsgrad unter 20 Prozent, sollen die Rohstoffe von der Berechnung ausgenommen werden. Sommaruga zeigte sich damit einverstanden.
Keine Verschärfung für Schweizer Fleisch
Umstritten waren auch die Regeln für Fleisch und andere aus Tieren gewonnene Produkte. Der Ständerat blieb hier jedoch nahe an den Beschlüssen von Bundesrat und Nationalrat. Für Fleisch ist demnach ausschlaggebend, dass die Tiere den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Schweiz verbracht haben. Eier können als «Schweizer Eier» verkauft werden, wenn die Hühner in der Schweiz gehalten werden.
Anita Fetz (SP/BS) und Thomas Minder (parteilos/SH) setzten sich vergeblich für eine Verschärfung ein. Sie wollten, dass Fleisch oder Eier nur dann als «Schweizer Fleisch» und «Schweizer Eier» verkauft werden dürfen, wenn die Tiere auch in der Schweiz zur Welt gekommen sind. Alles andere öffne einem landwirtschaftlichen «Swiss-Bschiss» Tür und Tor, sagte Fetz.
Mit der Swissness-Vorlage soll die Marke «Schweiz» besser geschützt werden. Produkte, die das Schweizer Kreuz schmückt, sind auf dem Markt bis zu 20 Prozent mehr wert. Der Bundesrat und das Parlament möchten verhindern, dass die Marke an Wert verliert. Der Ständerat will die Vorlage am Dienstag zu Ende beraten.
Ausnahmen festgelegt
Demnach fallen die spezifischen Anforderungen weg, wenn eine geografische Angabe vor dem Inkrafttreten der Bestimmung eingetragen wurde oder wenn der Hersteller den Nachweis erbringt, dass die verwendete Herkunftsangaben «dem Verständnis der massgebenden Verkehrskreise» entspricht. Dies bedeutet laut Sommaruga, dass nicht nur Kunden, sondern auch Konkurrenten ein Produkt als schweizerisch betrachten müssen.
Mit der Swissness-Vorlage soll verhindert werden, dass die Marke «Schweiz» an Wert verliert. Heute sind Produkte mit Schweizerkreuz auf dem Markt bis zu 20 Prozent mehr wert. Der Ständerat hat das Gesetz mit 22 zu 5 Stimmen bei 6 Enthaltungen angenommen. Die Vorlage geht nun zurück an den Nationalrat.
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