Wieder ein NetzausfallSwisscom-Panne legt SBB-Dienst lahm
Am Dienstagabend und am Mittwoch konnten Bahnkunden zeitweise keine Billette im Internet kaufen. Eine Ursache waren Informatikprobleme der Swisscom. Nun prüfen die SBB Schadenersatzforderungen.

Seine letzten Arbeitstage bei der Swisscom hat sich der scheidende Firmenchef Urs Schaeppi sicher anders vorgestellt: Am späten Dienstagabend kam es im Swisscom-Netz erneut zu einer landesweiten Störung des Internets. Noch am Morgen wollte Schaeppi mit einem letzten öffentlichen Auftritt als Swisscom-Chef einen Glanzpunkt setzen, indem er ein neues Abonnement «für digitale Generationen» vorstellte.
Ein Element des neuen Angebots ist ausgerechnet, dass der Schweizer Marktführer für 1,9 Millionen Kunden die Internetgeschwindigkeit ohne Aufpreis erhöht.
Anders als bei den Pannen in den vergangenen Jahren funktionierten am Dienstagabend die Notrufnummern zwar noch. Trotzdem hatte die Störung weitreichende Folgen, etwa für die Kundschaft der SBB. Wie Leserinnen und Leser meldeten, konnten sie während des Netzausfalls keine Billette via App oder im Internet kaufen.
SBB-Website unerreichbar
Am Mittwochmorgen gab es in Zügen Durchsagen, wonach der Ticketshop nicht funktioniere. Tatsächlich zeigte die Website des Ticketshops vorübergehend eine Fehlermeldung.
Die Bundesbahnen bestätigen, dass es am Dienstag zwischen 22.30 und 22.50 Uhr wegen des Internet-Ausfalls der Swisscom zu Störungen bei SBB-Diensten kam. «Der Zugverkehr war davon nicht betroffen», sagt ein Sprecher. Die Swisscom stellt Speicherplatz bereit, damit die SBB Teile ihrer Internetdienste veröffentlichen können.
Die Ursachen für den Ausfall des Ticketshops am Mittwochmorgen seien unklar, so der SBB-Sprecher weiter. Gemeinsam mit der Swisscom seien Abklärungen im Gange, da die SBB für den Betrieb dieser Anwendungen Informationstechnologie des Netzbetreibers beziehe.
Die SBB hätten von sich aus Änderungen an der Informatik vorgenommen, was zu den Störungen am Mittwochmorgen geführt habe, tönt es aus gut unterrichteten Quellen bei der Swisscom.
Trotzdem könnte der abendliche Zwischenfall für die Swisscom ungemütlich werden: Die SBB prüft, ob sie mit Schadenersatzforderungen an den Telecomanbieter gelangt.
Auch Fussballfans mussten Einschränkungen hinnehmen. Kunden des kostenpflichtigen Swisscom-Angebots «Blue Sport» beschweren sich in den sozialen Medien darüber, dass mitten in der Schlussphase des Champions-League-Halbfinals zwischen Villareal und Liverpool die Bildschirme schwarz wurden.
Die Swisscom teilt dazu mit, dass «der grösste Teil» der Blue-Kunden das Spiel ohne Unterbrüche habe verfolgen können. Den wenigen Zuschauern, die vom Ausfall betroffen gewesen seien, wolle das Unternehmen individuell entgegenkommen. Eine allgemeine Entschädigung für alle Blue-Kunden sei aber nicht vorgesehen.
Swisscom in Erklärungsnot
In Erklärungsnot bringt die Swisscom der Grund für die Störung. Der staatsnahe Betrieb macht dafür einmal mehr Wartungsarbeiten verantwortlich. Nur: Bei all den Erfahrungen mit den Systemausfällen der vergangenen Jahre stellt sich die Frage: Wie konnte es passieren, dass Wartungen am Netz erneut zu einem Ausfall führten?
Die Antwort lässt daran zweifeln, ob der blaue Riese die Lehren aus der Vergangenheit gezogen hat: «Alle Eingriffe am Netz werden intensiv vorbereitet und getestet, dennoch kam es am Dienstag zu einem unvorhersehbaren Unterbruch beim Internet für unsere Kunden», teilt die Swisscom mit. Die Firma nehme pro Woche rund 4000 Eingriffe am Netz vor.
Nach der Pannenserie der vergangenen zwei Jahre hatte Swisscom-Chef Schaeppi wiederholt in der Öffentlichkeit Besserung gelobt. «Meine Aufgabe ist es, die richtigen Lehren aus den Vorfällen zu ziehen und die nötigen Massnahmen umzusetzen», sagte er im Februar 2020 in einem Interview mit der «SonntagsZeitung».
Swisscom werde alles daran setzen, solche Ausfälle künftig zu verhindern. Das Thema habe Top-Priorität, bekräftigte Schaeppi im Juli 2021 gegenüber der NZZ.
Die Verantwortung trägt Schaeppi nur noch für kurze Zeit. Am 31. Mai hört der Swisscom-Chef auf. Seinem Nachfolger Christoph Aeschlimann dürfte klar sein, wo er die Prioritäten setzen muss.
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