Suters Hof rutscht langsam bergab
Am Hemmiker Wischberg wird eine Deponie überfüllt, der Hang beginnt zu rutschen, der darunterliegende Hof nimmt Schaden, die Behörden verhängen Verfügungen gegen den Bauern, unternehmen aber nichts gegen das Rutschen.
Die Geschichte von Alfred Suter (51) hört sich an wie eine Überlieferung aus Absurdistan. Dabei ist Suter Landwirt in Hemmiken und sein Betrieb mit einer bewirtschafteten Fläche von 50 Hektaren, mit 220 Stück Rindvieh und einer jährlichen Milchproduktion von rund 700 000 Kilogramm einer der grössten im Kanton. Der Betrieb ist aber nicht nur gross, sondern auch auf dem neusten Stand. Dies bescheinigte ihm das Landwirtschaftliche Zentrum Ebenrain: «Der Hof Maiberg in Hemmiken ist ein vorzüglich eingerichteter Betrieb mit einer hohen Produktivität.»
Trotzdem plagen Suter Existenzängste in einem Mass, dass er vor wenigen Tagen zum letzten Strohhalm griff und sich mit einer Petition an den Landrat wendete. Warum?
Vorauszuschicken ist, dass Suter und die Behörden teilweise unterschiedliche Erklärungen haben. Fest steht aber: Seine Darstellung tönt plausibel, und sie wird durch zahlreiche Akten gestützt. So gab auch das Kantonsgericht vor etwas mehr als einem Jahr Suter Recht und nicht dem Bauinspektorat, das die Auffüllung einer Mergelgrube 300 Meter oberhalb von Suters Hof genau gleich wie die Gemeinde als Rekultivierung einstufte.
Für Suter war dagegen klar, dass es sich dabei um eine überfüllte Deponie handelt. Das Gericht wies den Fall auf Suters Beschwerde hin zur Neubeurteilung an das Bauinspektorat zurück, liess gleichzeitig aber keinen Zweifel offen, dass ein Mehrfaches der bewilligten 1300 Kubikmeter und längst nicht nur sauberes Aushubmaterial abgelagert worden waren.
Und mit dieser Deponie am Wischberg ist Suters Schicksal verknüpft. Seit 1977 wurde dort mit kantonaler Bewilligung Material abgelagert, am Anfang kleine, ab 1998 immer grössere Mengen. Über die Mengen und das Material weiss niemand so genau Bescheid. Im Frühjahr 2000 stellte Suter im Hang zwischen der Deponie und seinem Hof jedenfalls erstmals Verwerfungen fest. Zudem versiegte die unterhalb der Deponie gefasste Quelle. Das beigezogene Bauinspektorat erliess kurz darauf einen sofortigen Anlieferungsstopp.
Doch der rutschende Hang liess sich nicht stoppen: Es kam zu weiteren Erdbewegungen, Wasseraustritten und schliesslich zu Rissen in den Hofgebäuden. Geologen begannen, sich mit dem Hang zu beschäftigen, und empfahlen Massnahmen von einer vertieften Untersuchung über die Fassung des oberflächlich aus der Deponie in den Hang abfliessenden Wassers bis hin zu einem teilweisen Abtragen des Deponiematerials.
Doch die Behörden machten nichts. Obwohl das 1834 erstellte Wohnhaus zuvor nie Risse hatte und ein Messpunkt zwischen 2006 und 2008 zwölf Zentimeter talwärts rutschte. Suter, inzwischen selber fast schon ein Geologie-Fachmann, erklärt sich den Hangrutsch so: «Die Deponie wirkt wie ein Pfropfen und hat die Wasserströme im Hang verändert. Der unten liegende Opalinuston ist durch das einströmende Wasser aufgequollen und kann die darüber liegende Lehmschicht nicht mehr halten, sodass sie ins Rutschen geraten ist.» Möglicherweise drücke auch das Gewicht der überfüllten Deponie auf den Hang.
Gravierend wurden für Suter und seine Frau die Probleme 2004, als die Siloanlage Risse bekam und für 120 000 Franken saniert werden musste. Im letzten Jahr leckte sie erneut und Siloabwasser verschmutzte das Hofmattbächli.
Nun reagierten die Behörden umgehend: Bau- und Umweltschutzdirektor Jörg Krähenbühl (SVP) erliess eine Verfügung, dass die Anlage mit den vier Grünfuttersilos bis im April stillgelegt werden müsse. Dabei wurde dem Bauer Folgendes beschieden: «Es ist nicht Gegenstand des vorliegenden Entscheides, auf allfällige Hangrutschungen oder gar ihre möglichen Ursachen einzugehen. Vielmehr geht es einzig um die nachhaltige Behebung der nicht gewässerschutzrechtskonformen Hofdüngerbewirtschaftung.»
Für Suter ist das ein schwerer Schlag. Ohne Siloanlage könne er den Viehbestand nicht halten und müsse die Bewirtschaftung einstellen. Wenn er aber erneut Hunderttausende von Franken in die Siloanlage investiere, könnten nach kurzer Zeit erneut Risse auftreten, sagt er. Sorgen bereitet ihm auch das Wasser, das infolge eines weiteren Risses ins Güllenloch lief, sodass dieses randvoll ist und Suter nicht mehr weiss, wohin mit der Jauche. Und schon bahnt sich das nächste Unheil an: Der Hang drückt gegen die Stallmauer, und für Suter ist es eine Frage der Zeit, bis diese einbricht. Auf die Baudirektion setzt Suter keine Hoffnung mehr, nachdem auch sein Wiedererwägungsgesuch gegen den Siloentscheid chancenlos blieb; jetzt hat er eine Beschwerde eingereicht.
Suters Fazit: «Kanton und Gemeinde wollen mich so weit bringen, dass ich den Hof aufgebe. Dann haben sie Ruhe und müssen die Deponie nicht mehr sanieren.» Das befürchtet auch sein Anwalt Caspar Zellweger: «Mein Mandant ist in einer schrecklichen Lage, die zu hundert Prozent durch die Behörde verursacht worden ist.»
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