Strafverfolger sollen Nationalität der Täter verschleiern
BastA!-Grossrat Oliver Bolliger will, dass Polizei und Staatsanwaltschaft bei Meldungen weniger Details bekannt geben.

Am 27. Dezember meldete die Kantonspolizei Basel-Stadt eine «erfolgreiche Aktion Noël», bei der «35 Langfinger» festgenommen werden konnten. Seit Beginn der Aktion am 28. Oktober gelang es der Fahndung, bei fünf Frauen und 30 Männern wegen Verdachts auf Taschen-, Trick- oder Einbruchsdiebstähle die Handschellen zuschnappen zu lassen. Die festgenommenen Täterinnen und Täter kamen aus der Schweiz, Deutschland, Rumänien, Georgien, Mazedonien, Kroatien, der Türkei, Marokko, Nigeria und Tunesien. Bei neun der 35 handelte es sich um Männer, die verdächtigt werden, als falsche Polizisten bei verschiedenen Personen Geld abholen zu wollen.
Polizeimeldungen mit einer solchen Transparenz soll es künftig nicht mehr geben. Die Basler Polizei sowie die Staatsanwaltschaft sollen die Nationalität nicht mehr bei jeder Verhaftung nennen dürfen. Das möchte Oliver Bolliger, Grossrat der BastA!. Die Nationalität solle nur noch auf Nachfrage bekannt gegeben werden.
Bolliger reagiert mit seiner Schriftlichen Anfrage an die Regierung auf die jüngsten Entwicklungen in Zürich. Dort hat der für das Sicherheitsdepartement zuständige Stadtrat Richard Wolff (Alternative Liste) im November den Verzicht der Nationalitätennennung angeordnet. Grund: Es könne «der Eindruck entstehen, dass die Tat mit der Nationalität erklärt werden» könne. «Die Herkunft des Täters oder der Täterin ist nicht relevant für die Schwere eines Delikts», sagt Bolliger. Sie behalte keine Erklärung für das begangene Verbrechen und sei daher für den Erkenntnisgewinn bedeutungslos – ebenso wie die Religionszugehörigkeit, die sexuelle Orientierung oder die politische Präferenz.
«Aus Gründen der Transparenz»
Die Basler Staatsanwaltschaft kommuniziert nach genau festgelegten Vorgaben. «Erstens gilt es zu unterscheiden zwischen Nennung zu Aufklärungs- und Fahndungszwecken und Nennung nach Festnahmen», sagt Peter Gill, Medienchef der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. «Bei Zeugenaufrufen sind nebst der Beschreibung des Sachverhalts auch, soweit bekannt, Nationalität, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Alter oder weiteren Informationen zur mutmasslichen Täterschaft zu nennen.»
Dies sei nötig, so Gill, weil der Aufklärungs- und Fahndungszweck im Vordergrund stehe. Mit dieser Praxis hält sich die Staatsanwaltschaft an den Artikel 74, Absatz 1 der Strafprozessordnung. Dort steht: «Die Staatsanwaltschaft und die Gerichte sowie mit deren Einverständnis die Polizei können die Öffentlichkeit über hängige Verfahren orientieren, wenn dies erforderlich ist.» Gill sagt, die Nationalitätennennung erfolge wie das Alter und das Geschlecht eines Tatverdächtigen aus Gründen der Transparenz, einerlei ob dies ein Schweizer oder ein Ausländer sei.
Geht es nach Bolliger, sollen genau diese Angaben künftig nur noch in wissenschaftliche Erhebungen oder kriminalistische Arbeiten einfliessen dürfen. «Es ist bekannt und wurde wissenschaftlich untersucht, dass die Nennung der Nationalität bei der Kriminalitätsberichterstattung sich auf die Wahrnehmung der Leser auswirkt und unerwünschte Effekte von Pauschalisierungen und Vorverurteilungen bestimmter Bevölkerungsgruppen bringt», schreibt Bolliger in seiner Anfrage.
Unterstützung erhält er aus dem linken Lager. «Ich bin sehr froh über den Vorstoss, weil mich freut, dass Zürich diese automatische Nennung gestoppt hat», sagt BastA!-Grossrätin Tonja Zürcher. «Es gibt allenfalls Taten, da können wir über die Herkunft der Täter diskutieren, zum Beispiel bei internationaler organisierter Kriminalität. Aber meistens spielt für eine Tat die Nationalität keine Rolle.»
Ähnlich sieht es SP-Grossrätin und Anwältin Tanja Soland. Es spreche nichts dagegen, darüber zu diskutieren, sagt sie. «Aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht macht die Nennung der Nationalität nicht viel Sinn. Ausschlaggebender sind Geschlecht, Alter, Schichtzugehörigkeit. Zudem hängt es davon ab, von welcher Art Kriminalität wir reden.» Störend sei ja eigentlich nur, dass immer nur selektiv informiert werde und daher bei der Bevölkerung ein verzerrtes Bild entstehe. Soland sagt aber auch, dass sie Bolligers Forderung «politisch nicht sinnvoll» finde. Die Bevölkerung bekomme so das Gefühl, dass etwas verheimlicht werden soll. «Richtig wäre, allgemein mehr über Ursachen und Vorkommen von Kriminalität zu berichten und damit auch Verzerrungen entgegenwirken», sagt die Grossrätin.
Bürgerliche haben Zweifel
Der frühere Polizeioffizier und SVP-Parlamentarier Christian Meidinger streicht die Bedeutung von detaillierten Informationen hervor und verteidigt die Kommunikation der Polizei. «Wenn auf eine Nennung der Herkunft verzichtet wird, dann öffnet man Spekulationen Tür und Tor. Täterbeschreibungen helfen, Zeugen zu gewinnen. Es gab schon oft Fälle, da halfen genau diese Details, die Täter zu finden», sagt Meidinger.
Auch LDP-Grossrat André Auderset kann der Idee, künftig die Täterherkunft nicht mehr zu nennen, nichts abgewinnen: «Es ist ein Merkmal, dass man sagt, woher der Mann oder die Frau kommt, die festgenommen wird. Wenn es eine Häufung gibt, lässt sich diese erkennen. Daher scheint es mir richtig, dass das genannt wird.» Wenn gewisse Kreise auf die Nennung verzichten wollen, habe das eine gewisse Logik: «Es könnte ja auffallen, wer Probleme macht», sagt Auderset.
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