«Strafaktion gegen Simonetta Sommaruga»
Nach der Bundesratswahl vergangene Woche kam es heute im Bundesrat zur grossen Rochade: Fast alle Departemente bekommen einen neuen Chef. SP und SVP reagieren scharf.
Im Bundesrat kommt es überraschend zu einer grossen Rochade: Gleich vier Departemente erhalten einen neuen Vorsteher oder eine neue Vorsteherin. Das umkämpfte Infrastrukturdepartement (Uvek) geht an Bundespräsidentin Doris Leuthard.
Die Departementsverteilung ging nicht reibungslos über die Bühne: Der Bundesrat musste darüber abstimmen, wie die Bundeskanzlei mitteilte. Bundesratssprecher André Simonazzi sagte auf Anfrage, dem Entscheid sei eine intensive Diskussion vorangegangen, er sei jedoch «auf kollegiale Weise» getroffen worden. Die Regierungsmitglieder würden ihn am Montag nicht weiter kommentieren.
Uvek in bürgerlicher Hand
Die Departementsverteilung erfolgt nach dem Anciennitätsprinzip: Als erster darf das amtsälteste Bundesratsmitglied seine Wünsche äussern. Bundespräsidentin Doris Leuthard, die an zweiter Stelle an der Reihe war, entschied sich für einen Wechsel ins Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek).
Eveline Widmer-Schlumpf wechselt ins Finanzdepartement, Simonetta Sommaruga übernimmt das Justiz- und Polizeidepartement und Johann Schneider-Ammann wird neuer Wirtschaftsminister. Auf ihren bisherigen Posten bleiben Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, Innenminster Didier Burkhalter und Verteidigungsminister Ueli Maurer.
Wunsch der CVP
Spekuliert worden war im Vorfeld vor allem über das Uvek, das wegen der Dossiers zu Verkehr und Energie als zentrales Departement gilt. Mit dem Wechsel ins Uvek kommt CVP-Bundesrätin Doris Leuthard dem Wunsch ihrer Partei nach. Sie kann so das Landwirtschaftsdossier abtreten, bei dem sie zuletzt im Konflikt mit der eigenen Partei stand. Die CVP stellt sich gegen den Agrarfreihandel mit der EU.
Einen Wechsel im Uvek hatten sich auch andere bürgerliche Parteien gewünscht: Seit 1959 hatte die SP während 27 Jahren den Departementschef gestellt, während 15 Jahren mit Moritz Leuenberger. Nun ist das Uvek wieder in bürgerlichen Händen.
Justizdepartement wenig beliebt
Die SP erhält im Gegenzug weder das Volkswirtschafts- noch das Finanzdepartement, sondern das eher weniger beliebte Justiz- und Polizeidepartement. Mit Simonetta Sommaruga steht diesem künftig eine Nicht-Juristin vor. Es ist das erste Mal seit der Einführung der Zauberformel im Jahr 1959, dass die SP dieses Departement führt.
Das Volkswirtschaftsdepartement (EVD) erhält mit Johann Schneider- Ammann nach zwei CVP-Vorstehern wieder einen FDP-Chef. Offen ist, ob im Rahmen der geplanten Regierungsreform die Bildung ins Volkswirtschaftsdepartement integriert wird.
Gewagter Wechsel ins Finanzdepartement
Was das Finanzdepartement betrifft, so stellten bisher ausschliesslich die FDP, die CVP und die SP dessen Vorsteher. In SVP- Händen war das Departement nie. Mit Eveline Widmer-Schlumpf übernimmt nun eine ehemalige SVP- und heutige BDP-Politikern die Finanzen. Sie begibt sich damit auf vertrautes Terrain: Vor ihrer Wahl in den Bundesrat war Widmer-Schlumpf Finanzdirektorin des Kantons Graubünden.
Dass sie das Departement wechselt, obwohl ihre Zukunft im Bundesrat ungewiss ist, dürfte jedoch zu reden geben. Sollte Widmer- Schlumpf als Bundesrätin der kleinen BDP nach den Wahlen nächsten Herbst nicht wiedergewählt werden, käme es nach nur einem Jahr erneut zu einem Wechsel im Finanzdepartement.
Letzte Rochade Ende 2002
Die letzte Rochade datiert von Ende 2002. Damals erbte SP- Bundesrätin Micheline Calmy-Rey von ihrer Vorgängerin Ruth Dreifuss nicht das frei werdende Departement des Innern. Dieses ging an FDP- Bundesrat Pascal Couchepin, der das Volkswirtschaftsdepartement CVP- Bundesrat Joseph Deiss überliess. Für Calmy-Rey blieb das Aussendepartement übrig.
Seither übernahmen neu gewählte Bundesräte stets die Departemente ihrer Vorgänger. Didier Burkhalter folgte im Departement des Innern auf Pascal Couchepin, Ueli Maruer im Verteidigungsdepartement auf Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf ersetzte Christoph Blocher im Justiz- und Polizeidepartement.
Doris Leuthard war im Volkswirtschaftsdepartement auf Joseph Deiss gefolgt, und auch Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz übernahmen die Departemente scheidender Bundesratsmitglieder. Dass gleich vier Departemente neue Vorsteher erhalten, gab es seit 1960 nicht mehr. In den vergangenen 50 Jahren waren höchstens drei Departemente von Rochaden betroffen.
Keine Konsenslösung
Die SP und die SVP kritisieren die neue Departementsverteilung im Bundesrat harsch. Die SP spricht von einer «Strafaktion gegen Simonetta Sommaruga». Für die SVP ist der Wechsel von gleich vier Bundesrätinnen und Bundesräten «verantwortungslos».
Es sei «unverständlich», dass keine Konsenslösung gefunden wurde, stellte die SP am Montag fest. Offenbar habe der neu zusammengesetzte Bundesrat mit einem Mehrheitsentscheid beschlossen, dass die Nicht-Juristin und SP-Bundesrätin Sommaruga das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) übernehmen müsse.
Kritik an Leuthard
Für eine gute Zusammenarbeit sei die neue Verteilung die denkbar schlechteste Ausgangslage. Aufgrund ihrer Erfahrungen und Kenntnisse hätte Sommaruga aus Sicht der SP fünf der sieben Departemente übernehmen können. Nun müsse sie aber eines der beiden anderen übernehmen.
Besondere Kritik übt die SP an Bundespräsidentin Doris Leuthard als Leiterin des Gremiums: Sie habe ihr persönliches Interesse - den Wechsel ins Uvek -, aber auch parteipolitische Überlegungen über alles andere wie etwa die Fachkompetenz gestellt.
Verantwortungslose Zwängerei
Mit nicht minder scharfen Worten reagierte die SVP auf die neue Rollenverteilung in der Landesregierung: Ein Jahr vor den Eidgenössischen Wahlen vier Departemente mit neuen Vorstehern oder Vorsteherinnen zu besetzen, sei «eine Zwängerei» und verantwortungslos, hielt sie fest.
Sie verdächtigt die Mitte-Parteien, «ihre Bundesratssitze über eine Neubesetzung von Departementen abzusichern.» Das sei durchsichtig und habe nichts mit Verantwortung für das Land zu tun.
Die SVP nimmt besonders ihr ehemaliges Mitglied Eveline Widmer-Schlumpf ins Visier der Kritik. Die Juristin habe ihr Departement nach drei Jahren verlassen, obwohl keine Nachfolge mit juristischem Hintergrund zur Verfügung gestanden habe. Sie wolle offenbar die Verantwortung nicht tragen.
SDA/oku
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