Erinnerung an Nazi-OpferStolpersteine gegen das Vergessen
Mit fünf Gedenksteinen ruft der Verein Stolperstein Schweiz Nazi-Opfer in Erinnerung, die in Beziehung zum Kanton Basel-Stadt standen.

Die lange, schmale Messingplatte auf ihrem Betonsockel glänzt. Sie liegt auf dem Trottoir vor dem Grenzübergang Riehen–Lörrach und wartet darauf, in das vorbereitete Loch eingesetzt zu werden. Eingraviert in die Platte steht: «Von hier aus wurden 13 Jüdinnen und Juden am 23. 11. 1938 von Schweizer Polizisten und Grenzwächtern der Gestapo ausgeliefert. Im Gedenken an über 30’000 Menschen, die in ihrer Not Rettung in der Schweiz suchten und um Asyl gebeten hatten – vergeblich. Die Schweiz trägt eine Mitschuld an ihrem Schicksal.»
Es ist die erste von insgesamt fünf Steinsetzungen, die am Dienstag in Basel stattfand: Es sind sogenannte Stolpersteine – im Fall von Riehen eine Stolperschwelle. Sie erinnern an Opfer des Nationalsozialismus, die zumindest einen Teil ihres Lebens in Basel verbrachten und, von den kantonalen und eidgenössischen Behörden unzureichend geschützt, an die Grenze verbracht oder gar an Nazideutschland ausgeliefert worden sind.
Im Jahr 2013 fanden in Kreuzlingen die ersten zwei Stolpersteinsetzungen in der Schweiz statt. Zwei Jahre später hatte Tägermoos seinen Gedenkstein in der Grösse eines Pflastersteins, 2020 wurden im Kanton Zürich sieben solche Steine eingesetzt und in diesem Jahr nochmals vier.
«Sittenpolizeiliche» Gründe
Neben der Stolperschwelle an der Riehener Grenze befindet sich in Basel noch je ein Gedenkstein an der Erlenstrasse 14, im Rappoltshof 7, an der Mostackerstrasse 15 und in der Schnabelgasse 3. Alle verweisen auf persönliche Schicksale: auf jenes der Baslerin Anna Maria Böhringer, die einen Deutschen heiratete und damit ihre Schweizer Staatsbürgerschaft verlor, was ihr schliesslich zum Verhängnis wurde; auf jene der jüdischen Flüchtlinge Kurt Preuss und Armin Weiss.
Und auf Gaston Dreher – in der Mostackerstrasse ist ihm ein Stolpersteingesetzt worden. In wenigen Worten steht darauf «Hier wohnte Gaston Dreher, J.G. 1907, nach Frankreich abgeschoben 2. 12. 1943, ermordet 21. 4. 1944 Auschwitz-Birkenau».

Dahinter verbirgt sich ein trauriges Schicksal: Der Jude Gaston Dreher, der 1912 als Fünfjähriger mit seiner Familie aus dem Elsass nach Basel gekommen war, geriet nach der obligatorischen Schulpflicht wegen mehrfachen Diebstahls mit dem Gesetz in Konflikt und wurde 1931 aus «sittenpolizeilichen» Gründen – damit war die Gefahr der Armengenössigkeit gemeint – für zehn Jahre aus der Schweiz ausgewiesen. Vergebliche Wiederaufnahmegesuche scheiterten, gefolgt von Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken und Gefängnissen.
Schliesslich wurde er über Genf nach Frankreich gebracht, wo er 1943 der deutschen Besatzungsmacht in die Hände fiel. Er kam nach Auschwitz und fand dort 1944 seinen Tod. Im Frühjahr 2022 soll eine Biografie über Gaston Dreher erscheinen.
Zentral: Erinnerungskultur
Initiiert hat die Stolpersteine der im Jahr 2020 gegründete Verein Stolpersteine Schweiz. Er hat die fünf Steine auf Empfehlung seiner Lokalgruppe Basel beim Künstlerpaar Gunther und Katja Demnig in Auftrag gegeben (siehe Box).
Der ganztägige Basler Stolperstein-Anlass, musikalisch immer wieder begleitet von Akkordeonist Luzian Jenny und von Wortbeiträgen verschiedener Schulklassen, endete mit einer an Reden reichen Gedenkveranstaltung in der Aula des Naturhistorischen Museums.
Katja Demnig dankte Basel für seinen Stolperstein-Einsatz, während Historikerin Noëmi Sibold die vier Menschenschicksale beschrieb, denen die Stolpersteine gewidmet sind. Ruth Schweikert vom Verein Stolperstein Schweiz betonte, dass die Steine dazu beitragen, uns immer wieder den eigenen Handlungsspielraum zu vergegenwärtigen. Regierungspräsident Beat Jans unterstrich die Erinnerungskultur als zentralen Pfeiler unseres kulturellen Bewusstseins. Und Ralph Lewin, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), schliesslich zog den Bogen von den Stolpersteinen zum Projekt eines Schweizer Memorials.
Weitere Stolpersteine sind in Basel schon im nächsten Jahr geplant.
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