Steht Deutschland nun im «Krieg»?
In Afghanistan gerät die Bundeswehr immer mehr zwischen die Fronten. Nennt man das aber «Krieg», dann müsste Berlin nochmals über die Bücher.

«Ich kann nur davor warnen, aus Feigheit vor der öffentlichen Debatte die Begriffe zu verwischen», sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der «Frankfurter Rundschau». Wenn Merkel den Einsatz für einen «Krieg» halte, müsse sie ein neues Bundestagsmandat beantragen: «Dann würde mit Sicherheit die Abstimmung anders verlaufen.»
Merkel hatte am Freitag bei der Trauerfeier für die drei bei Kundus getöteten Bundeswehrsoldaten gesagt, die meisten Soldaten würden den Einsatz in Afghanistan inzwischen Krieg nennen und hinzugefügt: «Ich verstehe das gut.» Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ging noch einen Schritt weiter und machte sich die Terminologie zu eigen.
«Klares völkerrechtliches Mandat»
Er verstehe die Gefühle in der Bevölkerung, sagte Gabriel der Frankfurter Rundschau: «Trotzdem müssen Politiker etwas anderes tun.» Der UN-Einsatz in Afghanistan diene dem Schutz der Regierung und dem «Kampf gegen die terroristischen Bastionen der Taliban». Er sei an ein «klares völkerrechtliches Mandat» gebunden. Wenn die Bundesregierung der Meinung sei, dass dieses Mandat nicht mehr ausreiche, müsse sie das offen sagen, «und die Bundesrepublik Deutschland muss entscheiden, ob sie sich an einem Krieg beteiligen will». Gabriel betonte, die afghanischen Sicherheitskräfte müssten dringend mehr Verantwortung übernehmen. Im Jahr 2011 müsse der «schrittweise Rückzug der Bundeswehr beginnen».
Derweil erklärte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold die Bundeswehr sei durchaus zu Kampfeinsätzen gegen die Taliban im Norden des Landes in der Lage. «Es ist schon so, dass die Bundeswehr kämpfen muss. Sie kann sich das nicht aussuchen», sagte er der «Thüringer Allgemeinen». In sechs Distrikten in Nordafghanistan mit einer fragilen Situation würden die Aufständischen ohnehin den Kampf aufzwingen. Allerdings müsse sich die Bundeswehr nicht nach solchen Kämpfen drängen.
456 Millionen Euro gestrichen
Er stimmt Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu, dass neue Strukturen für die Bundeswehr notwendig seien als Reaktion auf die Auslandseinsätze. «In den vergangenen vier Jahren hat Verteidigungsminister Jung nichts angefasst, obwohl längst Handlungsbedarf bestand», kritisierte Arnold. Zudem würde die schiere Not eine Anpassung gebieten, weil zu Guttenberg klaglos die Streichung von 456 Millionen Euro in seinem Etat hingenommen habe.
Ähnlich wie Gabriel mahnte auch Arnold, dass der Bundestag bei den bisherigen Einsätzen, die keineswegs ungefährlich waren, stets auf vorsichtiges Agieren geachtet habe. Sollte zu Guttenberg mit den neuen Strukturen von der vorsichtigen Vorgehensweise Deutschlands abrücken wollen, werde die SPD Widerstand leisten.
ddp/cpm
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