Sprengstoffanschlag in Oberwil«Meine Knie haben gezittert, und mein Herz schlug mir bis zum Hals»
In der Nacht auf Freitag haben Unbekannte den Zugang zum Bancomaten in Oberwil freigesprengt. Der Einsatz von Sprengstoff ist Trend bei den Panzerknackern.

Es ist drei Uhr nachts in Oberwil: Ein lauter Knall reisst Verena Aufranc, Bewohnerin im Wohnblocks direkt oberhalb des Bancomaten der Basellandschaftlichen Kantonalbank, aus dem Schlaf. «Das ganze Haus hat gezittert», sagt die Seniorin. Nach dem ersten Schock hörten sie und ihr Ehemann ein Auto wegrasen. Es habe sich jedoch niemand getraut, die Wohnung zu verlassen. «Meine Knie haben gezittert, und mein Herz schlug mir bis zum Hals», sagt Aufranc.
Polizei und Feuerwehr, die wenig später am Tatort auftauchen, schaffen Klarheit: Unbekannte Täter haben sich mit Sprengstoff Zugang zu den Bancomaten der Basellandschaftlichen Kantonalbank verschafft. Der Raum gleicht einem Ort der Verwüstung, die Glastüre wurde aufgesprengt.
Lift nach Detonation ausgefallen
Die Baselbieter Polizei musste ein Spezialistenteam mit einem Bombenroboter aufbieten, der bei gefährlichen Situationen zum Einsatz kommt. Denn im Verlauf der Tatbestandsaufnahme sei vor Ort eine weitere, nicht detonierte Sprengladung entdeckt worden. Deshalb musste die Hauptstrasse kurzzeitig gesperrt und auch das Gebäude evakuiert werden. Pikant: Betagte Bewohner konnten für einige Zeit das Haus nicht mehr verlassen, weil der Lift nach der Detonation ausgefallen war.
Laut Angaben der Baselbieter Polizei hätten alle Bewohner des betroffenen Gebäudes das Haus verlassen müssen. Die BaZ hat jedoch mit einem direkt über dem Bancomaten wohnhaften Ehepaar gesprochen, welches die ganze Zeit über in der Wohnung war und nichts vom Evakuierungsaufgebot mitbekommen hat. Andere Personen wurden in die nahe Postfiliale geleitet, wo sie sich in der Morgenkälte warm halten konnten.

Die Sprengladung konnte schliesslich durch Spezialisten der Polizei unschädlich gemacht werden, wie Sprecher Adrian Gaugler bestätigt. Weder zur Täterschaft noch zum Deliktsbetrag wolle man Angaben machen, sagt Gaugler. Die Polizei habe, in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft und der Bundespolizei Fedpol, entsprechende Ermittlungen aufgenommen.
Sprengungen von Bancomaten sind schweizweit ein immer öfter vorkommendes Phänomen: Im März sprengten Panzerknacker einen Bancomaten bei der Landi in Aesch. 2019 entwendete ein Bancomaten-Bomber bei der Raiffeisenbank in Sevelen SG 126’600 Franken. Nur acht Tage später flog ein Geldautomat bei der Landi in Neftenbach bei Winterthur in die Luft. Die Übergriffe scheinen sich für die Gangster zu lohnen. Laut der Zeitung «Zürcher Unterländer» beträgt die durchschnittliche Beutesumme in Europa 28’000 Euro. In der Schweiz dürfte diese um einiges höher sein, wie der Überfall in Sevelen zeigte.
Alles geht blitzschnell
Geübte Banden brauchen dabei kaum länger als drei Minuten. Sie kommen nachts, ihre Methoden sind einstudiert. Einige Verbrecher leiten beispielsweise Gas in den Geldautomaten, entzünden das Gemisch und verschwinden mit dem Bargeld. Andere wenden selbst gebastelte Pyrotechnik oder gewerblichen Sprengstoff an. Danach machen sie sich mit einem Fluchtwagen auf und davon. Alles geht ganz schnell.
Es gibt mittlerweile gute Präventionsmethoden, die bereits in vielen Ländern eingesetzt werden – offenbar nicht in der Schweiz, sodass es sich lohnt. Abschreckend wirken beispielsweise Patronen, die bei einer Explosion Farbe versprühen und die Banknoten für die Täter unbrauchbar machen.
Von einer Serientäterschaft will die Baselbieter Polizei nach derzeitigen Erkenntnissen nicht sprechen. Wortkarg gibt sich die Bundesanwaltschaft, welche für Sprengstoffdelikte zuständig ist und weder zur Deliktsumme noch zur Herkunft des Sprengstoffes generell Angaben machen will. In Zürich berichtet man, dass das Bundesamt für Polizei (Fedpol) längst Informationen über die Bancomatenbanden gesammelt hat. Demnach komme der Sprengstoff mehrheitlich aus Osteuropa oder stamme aus französischen Banlieues. Häufig stellten die Täter diesen aus Ammoniumnitrat und Aceton (TATP) selbst her – ein gefährliches Unterfangen, bei dem immer wieder Bancomatensprenger ums Leben kommen.
Wie ein Augenschein vor Ort zeigt, wurde auch die Coop-Filiale in Oberwil in Mitleidenschaft gezogen. Der Kiosk wurde abgesperrt und ist vorübergehend geschlossen.

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