«Es wird hart für Federer»
Ivan Lendl erklärt, warum er denkt, dass der Schweizer keinen Grand-Slam-Titel mehr holt.

Er sprang an den Zurich Open kurzfristig als Ersatz für seinen früheren Rivalen John McEnroe ein, der verletzt ist. Erst am Dienstag kam er aus Florida an, entwickelte sich aber rasch zu einem Publikumsliebling in der Saalsporthalle. Auch am Galaabend vom Mittwoch im Dolder Grand unterhielt Ivan Lendl (51) die Gäste und zeigte seine spezielle Art von Humor. «Wie erkennt man, ob einen die Frau oder der Hund mehr liebt?», fragte der Liebhaber von Schäferhunden in die Runde. «Man sperrt beide ins Auto und schaut, wer sich mehr freut, wenn man nach zwei Stunden zurückkommt . . .»Ivan Lendl, was brachte Sie nach14 Jahren zurück zum Tennis? Ich bin daran, eine Golf- und Tennisakademie zu eröffnen. Da dachte ich: Wenn ich Kinder lehren soll, wie man einen Ball schlägt, sollte ich ihnen das auch zeigen können. Zudem geht es meinem Rücken dank neuer Therapien seit drei Jahren viel besser, was mir mehr Training erlaubt. Also dachte ich: Ich schlage mal ein paar Bälle. Und zu meiner Überraschung machte es mir Spass.Nun bezwingen Sie schon wieder jüngere Gegner wie Michael Stich. Aber ich spiele nicht so, wie ich gern würde. Es ist fast unmöglich, zu den anderen aufzuschliessen, die immer gespielt haben seit dem Rücktritt. Ich würde mich gern besser bewegen, aberich weiss, dass das nicht passieren wird.Wie viele Einsätze planen Sie? Ich werde bis etwa Ende Jahr spielen und schauen, ob es mir genug Spass bereitet, um dann weiterzumachen. Aber ich bevorzuge Schaukämpfe. Drei oder vier Spiele in Folge sind zu hart.Wie sieht Ihr Leben abseits des Tennis aus? Sie haben eine grosse Familie mit fünf Töchtern. Inzwischen ist nur noch die Jüngste zu Hause, die ist 13. Die anderen sind im College. Auch deshalb habe ich nun wieder mehr Zeit zu trainieren und zu versuchen, anständig Tennis zu spielen.Zwei Ihrer Mädchen reiten, drei spielen Golf und sollen sehr gut sein. Könnte bald eine von ihnen auf der Profitour spielen? Marika, die älteste, ist verletzt, sie hatte eben eine Schulteroperation und wird neun Monate ausfallen. Isabelle ist auch ziemlich gut, aber sie ist jetzt im College, und Daniela wird bald mit dem College beginnen. Es ist viel zu früh, um zu sagen, was aus ihnen wird. Isabelle wird wohl eine Profikarriere anstreben. Aber sie muss konstanter werden und die Zahl ihrer schlechten Tage reduzieren.Sie sind mit einem Handicap von plus 3 selber ein grossartiger Golfer, spielten teilweise Profiturniere. Halten Sie mit Ihren Töchtern mit? Sie verwenden das Wort grossartig, das würde ich nicht. Ich würde sagen: okay. Grossartige Golfer sind Phil Mickelson und Tiger Woods (lacht). Ich spiele manchmal mit den Mädchen, aber wenn sie zu Hause sind, wollen sie sich oft ausruhen. Und: Ja, ich geniesse es, zu versuchen, sie zu schlagen.Was können Sie über Ihre Champions Academy erzählen? Wir werden mit dem nächsten Schuljahr richtig loslegen, also im August, September. Bald wird es eine Ankündigung geben, deshalb möchte ich nicht zu viel erzählen. Die Golfschule ist schon offen, Tennis läuft noch nicht permanent.Sehen Sie sich nur als Tennis- oder auch als Golflehrer? Ich würde mich nie als Golflehrer sehen. Dazu fehlt mir die Qualifikation.Wie schauen Sie 17 Jahre nach dem Rücktritt auf Ihre Karriere zurück? Ich schaue nie zurück und denke auch nie daran – ausser, wenn jemand mich danach fragt. Meine Trophäen sind zwar in einem Zimmer aufgestellt, aber dort verbringe ich keine Zeit.Können Sie sich für uns an Ihre Auftritte in der Schweiz erinnern? Sie spielten fünfmal in Basel und 1981 Davis-Cup in der Saalsporthalle. Das Grösste war, als ich in Basel als ziemlich junger Spieler Björn Borg schlug (im Final von 1980). In Zürich erkannte ich das Stadion wieder, als ich hineinlief. Ich glaube, wir verloren damalsdas Doppel gegen die Günthardt-Brüder.Trotzdem gewann Ihr Team klar. Zum heutigen Tennis. Federer hat im Moment keinen Grand-Slam-Titel mehr. Wird sich das wieder ändern? Ich denke nicht. Er ist auch älter geworden, und 28, 29 ist im Tennis relativ alt. Inzwischen gibt es viele starke jüngere Spieler. Nadal ist die Nummer eins, ihn muss man als Favoriten betrachten. Djokovic hat sich in den vergangenen sechs Monaten enorm verbessert, und er hat Federer am US Open, am Australian Open und in Dubai besiegt. Und auch Andy Murray hat ihn einige Male geschlagen. Dann ist Del Potro, der ihn am US Open vor zwei Jahren bezwang, zurück; ich denke, dass er in sechs Monaten nur schwer zu schlagen sein wird. Viele haben aufgeholt, Federer wird älter – darum wird es hart für ihn.Sie denken wirklich, dass er keine Major-Titel mehr gewinnen wird? Es wäre eine Überraschung für mich, wenn es ihm gelingen würde. Man muss auch sehen: Nadal ist als Linkshänder ein enorm unangenehmer Gegner für ihn, weil er seine Vorhand zu Federers Rückhand schlagen kann, was für diesen eine sehr schlechte Kombination ist. Djokovic verteidigt sich so gut, dass es schwierig wird. Und Murray braucht nur noch seine Blockade an grossen Turnieren abzulegen.Wie beeinflusst das Alter Federer? Wenn man älter wird, werden die Bewegungen etwas langsamer. Nicht unbedingt beim Geradeauslaufen, aber beim Wenden. Wenn man einen Sekundenbruchteil verliert, schmerzt das. Sie wissen ja: Partien werden durch drei, vier Punkte entschieden, wer die nicht macht, verliert den Match. Wer älter wird, verbessert sich auch nicht mehr so stark, deshalb schliessen andere auf. Das ist mit Sampras passiert, mit mir, und es passiert jetzt mit ihm.Die meisten geben ihm noch einige gute Jahre, gerade in Wimbledon. Damit bin ich einverstanden. Vielleicht muss ich klarstellen: Wir sprechen hier von Federer. Er ist anders, hat mehr gewonnen, bei ihm könnte es anders sein. Aber wenn sein Weg gleich verläuft wie der anderer Spieler, wird es sehr hart.Was trauen Sie Rafael Nadal noch zu? Wenn er gesund bleibt, kann er noch einige Zeit die Nummer eins bleiben. Er hat schon neun Grand-Slam-Titel. Ich traue ihm zu, zu Sampras (14) und Federer (16) aufzuschliessen.