Ex-Radprofi Armstrong legt Dopingbeichte ab
Lance Armstrong hat im Interview mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey die Einnahme von Dopingmitteln zugegeben. Nach dem stellenweise emotionalen Geständnis werden erste Schadenersatzforderungen laut.
Jahrelang hat sich Lance Armstrong erbittert gewehrt, seine Kritiker vor Gerichte gezerrt und unter der Gürtellinie beschimpft – und doch fällt sein sorgsam aufgebautes Lügengerüst am Ende wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Erstmals hat das amerikanische Radsportidol laut einem Insider die Einnahme von Dopingmitteln während seiner Karriere gestanden. In seinem gestern aufgezeichneten Interview mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey beichtete Armstrong demnach, sich mit leistungssteigernden Substanzen zum Tour-de-France-Sieg geschummelt zu haben.
Am Donnerstag ausgestrahlt
Die Show soll zwar erst am Donnerstag im US-Fernsehen ausgestrahlt werden, eine mit der Sendung vertraute Person verriet der Nachrichtenagentur AP aber schon jetzt, dass Armstrong seine lang erwartete Beichte ablegte. Auch die Online-Ausgabe der amerikanischen Zeitung «USA Today» meldete dies unter Berufung auf eine eigene anonyme Quelle.
In dem Gespräch sei der frühere Radprofi «teilweise emotional» gewesen, erzählte der AP-Informant weiter. Winfrey schrieb auf ihrem Twitter-Profil, sie habe zweieinhalb Stunden mit Armstrong gesprochen. Heute wollte sie sich in der Fernsehsendung «CBS this morning» zu dem Interview äussern.
Lance Armstrong bezahle möglicherweise Teile seiner Sponsorengelder zurück, welche er während seiner Tour-de-France-Siege bekommen habe, berichtet CNN. Armstrong habe bereits Gespräche in dieser Richtung geführt.
Armstrong: «Es tut mir leid»
Schon vor der Aufzeichnung hatte Armstrong einen verräterischen Zwischenstopp bei der von ihm gegründeten Krebsstiftung Livestrong eingelegt und sich bei den rund 100 Mitarbeitern entschuldigt. Dabei habe er mit stockender Stimme die Worte «Es tut mir leid» gesprochen, woraufhin einige Angestellte in Tränen ausgebrochen seien, sagte eine mit dem Ablauf des Treffens vertraute Person.
Armstrong habe sich dafür entschuldigt, die Mitarbeiter hängen gelassen und die Existenz der Stiftung aufs Spiel gesetzt zu haben. Ob der 41-Jährige da schon explizit eine Dopingbeichte ablegte, ist unbekannt.
Schadenersatz in Millionenhöhe gefordert
Die Regierung des australischen Bundesstaats South Australia fordert von Lance Armstrong nach dessen vorab durchgesickerter Dopingbeichte Schadenersatz in Millionenhöhe. Premierminister Jay Weatherill sagte, sein Bundesstaat werde vom Ex-Radprofi mehrere Millionen Dollar Antrittsgage zurückverlangen, die der Amerikaner für seine Teilnahme am Radrennen Tour Down Under in den Jahren 2009, 2010 und 2011 kassiert habe.
Die aktuellen Medienberichte über Armstrongs Geständnis in einem Fernsehinterview hätten die Regierung zum Umdenken bewegt, was ihre Entschädigungsansprüche angehe.
«Catch me if you can»
Durch die Sisyphusarbeit der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada war das legendäre Radsport-Idol auch ohne positiven Test als Dopingsünder überführt worden. Mehr als ein Jahrzehnt lang hatte der Texaner wie im Film «Catch me if you can» die Doping-Fahnder zum Narren gehalten.
Armstrong beantwortete die immer wiederkehrenden Anschuldigungen gebetsmühlenartig mit seinem Standardsatz, dass er mehr als 500-mal kontrolliert worden und nicht eine positive Probe dabei gewesen sei.
Alle Tour-de-France-Titel aberkannt
Im Februar 2012 schien er seinen Kopf endgültig aus der Schlinge gezogen zu haben, nachdem die staatsanwaltschaftliche Untersuchung in den USA eingestellt wurde. Doch die Usada gab nicht auf und brachte die mehr als zwei Jahre andauernde Ermittlungen schliesslich zu einer Anklage gegen Armstrong mit dem Ergebnis einer lebenslangen Sperre. Der Weltverband UCI bestätigte das Urteil, mit dem ihm alle nach dem 1. August 1998 errungenen Erfolge aberkannt wurden, darunter seine sieben Tour-de-France-Titel (1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005).
Dabei hatte Armstrong dem Radsport gegeben, was dieser so dringend brauchte: eine schier einzigartige Heldengeschichte. Vor seiner 1996 bekannt gewordenen Hodenkrebserkrankung, die er im fortgeschrittenen Stadium besiegte, hatte er bereits die Strassenrad-WM gewonnen.
Armstrong kam bullig daher, kein Fahrer für die steilen Rampen in den Alpen und Pyrenäen. Das änderte sich, als der Texaner 1998 sein Comeback gab. Armstrong hatte einige Kilos abgenommen und sich zu einem exzellenten Rundfahrer entwickelt. Armstrong dominierte die Tour wie vorher nur Eddy Merckx, Bernard Hinault oder Miguel Indurain.
Eigene Krebsstiftung strich Armstrong aus dem Namen
Das bekam insbesondere Jan Ullrich schmerzlich zu spüren. An Armstrong kam der einzige deutsche Toursieger nicht mehr vorbei. Dreimal Zweiter, einmal Dritter, einmal Vierter lautete die ernüchternde Ullrich-Bilanz während der Armstrong-Regentschaft auf den Landstrassen Frankreichs.
In Erinnerung bleiben grosse Auftritte Armstrongs wie einst in Alpe d'Huez, als er die ganze Etappe über Schwächen simulierte, um dann im Radsport-Mekka Ullrich davonzufahren. Oder 2003 beim Aufstieg nach Luz-Ardiden: Armstrong stürzte, kämpfte sich wieder heran und fuhr schliesslich Ullrich davon, um sich am Ende mit 61 Sekunden Vorsprung vor dem Deutschen den Toursieg zu holen.
Doch über die Jahre geriet das Denkmal durch immer schwerer wiegende Dopingvorwürfe zunehmend ins Wanken. Seine Kritiker überzog Armstrong teils erfolgreich mit juristischen Verfahren, aber letztlich schob das den bitteren Moment der Beichte nur auf. Vergangenen November zog sogar die von Armstrong selbst ins Leben gerufene Livestrong-Stiftung die Reissleine und strich den Namen ihres Gründers aus dem Titel. Eine Demütigung für den stolzen Texaner.
Vor einer Woche hatte die «New York Times» schliesslich berichtet, Armstrong ziehe ein Geständnis in Erwägung. Seinen ehemaligen Mannschaftskollegen Jonathan Vaugthers zitierte die Zeitung mit den Worten: «Ich denke, dass die Dopingfahnder jetzt ein grosses Interesse daran haben, zu erfahren, wie Lance es geschafft hat, nicht geschnappt zu werden, wie er sich um die ganzen Tests drücken konnte.»
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