Wie weiter im Klimaschutz?SP will 12’000-Franken-Prämie für Hausbesitzer
Links-grüne Politiker wollen mit Bundesgeldern den Klimaschutz forcieren. Zur Kasse gebeten würden damit vor allem Reiche. Das weckt Widerstand.

Keine neuen Abgaben, keine Erhöhung bestehender, dafür mehr Anreize: So will Simonetta Sommaruga einen breiten Konsens für die Klimapolitik bis 2030 schaffen. Sie zieht damit die Konsequenzen aus der verlorenen CO2-Abstimmung im Juni. «Die Menschen sollen in ihrem Alltag klimafreundlich leben können, ohne dass sie dafür belastet werden», sagte die Umweltministerin unlängst.
Mit der Gletscherinitiative kommt die politisch heikle Kostenfrage aber bereits wieder aufs Tapet. Nächste Woche behandelt die nationalrätliche Umweltkommission die Initiative, die das Netto-null-Ziel bis 2050 in der Verfassung verankern will.
Zusätzliche Anstrengungen im Klimaschutz gehen in jedem Fall ins Geld. Die Frage ist bloss, wer welchen Teil der Rechnung übernimmt. Eine erste Antwort darauf kommt nun ausgerechnet aus dem Lager der Abstimmungsverlierer. In links-grünen Kreisen kursiert die Idee, dass der Bund mit einem grossen Investitionsprogramm den Klimaschutz forcieren soll. Erste Schätzungen gehen von rund 500 Millionen Franken pro Jahr aus – finanziert aus der Bundeskasse, also aus Einnahmen aus der direkten Bundessteuer.
Was soll mit diesem Geld geschehen? SP-Fraktionschef Roger Nordmann regt eine Prämie an: «Jeder Hausbesitzer soll pro ersetzte fossile Heizung 12’000 Franken erhalten.» Damit liesse sich im Gebäudebereich trotz des Volk-Neins am 13. Juni «rasch und breitflächig vorwärtsmachen». Weitere diskutierte Ideen sind der Ausbau des E-Tankstellen- und Fernwärmenetzes sowie die Finanzierung von Pilotprojekten im Klimaschutz.
Für Reiche würde es teuer
Von einer Finanzierung via Steuereinnahmen erhoffen sich links-grüne Politiker weniger Angriffsfläche, weil sie weniger als etwa eine Flugticketabgabe als Malus empfunden werde. Zur Einordnung: Die direkte Bundessteuer wird zum einen auf dem Reingewinn juristischer Personen erhoben. Zum anderen auf Einkommen natürlicher Personen, wobei das oberste Prozent der Steuerpflichtigen mehr als 40 Prozent dazu beiträgt, die unter Hälfte nur etwa 2 Prozent. Entscheidend für den zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz wäre also die Grösse des Portemonnaies, nicht der individuelle CO2-Ausstoss.
Nur, das Vorhaben ist umstritten. Widerstand kommt von der SVP, der Abstimmungssiegerin vom 13. Juni. «Was nützen uns E-Tankstellen, wenn der Strom nicht fliesst?», fragt Nationalrat Albert Rösti. Priorität hat für seine Partei die Sicherung der Stromversorgung. Der Ersatz bestehender Kernkraftwerke und die angestrebte Dekarbonisierung machen diese Aufgabe zu einer grossen Herausforderung. Öffentliche Mittel sollen, so Rösti, wenn schon, in die Förderung von Stromerzeugungsanlagen fliessen. Das Parlament hat in der Herbstsession hier Pflöcke eingeschlagen und Investitionsbeiträge für Strom aus Sonne, Wind, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie beschlossen.
Skeptische Stimmen ertönen auch aus der FDP, einem gewichtigen Allianzpartner von Links-Grün beim gescheiterten CO2-Gesetz. «Klimaschutz soll ein Preisschild haben und durch die Verursacher getragen werden», sagt Matthias Jauslin. Mit Geld aus dem Bundeshaushalt Klimaschutz finanzieren: Das sieht der FDP-Nationalrat kritisch. Andere Parlamentarier wollen sich inhaltlich noch nicht äussern oder haben auf Anfragen nicht reagiert.
Das Stimmungsbild – speziell in der politischen Mitte – ist also noch ziemlich unscharf. Dies umso mehr, als die nächsten klimapolitischen Züge stark von taktischen Überlegungen geprägt sein werden. Zur Debatte steht ein indirekter Gegenvorschlag zu Gletscherinitiative, der das Netto-null-Ziel auf Gesetzesstufe und zugleich die Massnahmen zu dessen Umsetzung aufnimmt; das Investitionsprogramm soll nach Wunsch von Links-Grün Teil davon sein.
Liebäugeln mit Gegenvorschlag
Ein solches Paket wäre faktisch die vorweggenommene Neuauflage des CO2-Gesetzes, das die Klimapolitik bis 2030 festlegen soll. Statt 2025, wie es der Bundesrat plant, würde das neue CO2-Gesetz so aber um einiges früher in Kraft treten. «Das wäre gerade für den Gebäudesektor sehr wichtig, ist dieser doch sehr träg», sagt SP-Politiker Nordmann «Wenn wir nicht jetzt schon Schub geben und einfach auf das Ersatzgesetz 2030 warten, bleibt das Paris-Ziel für 2030 unerreichbar.» Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 50 Prozent zu senken; 2019 waren es 14 Prozent.
Nicht nur Vertreter aus SP und Grünen, sondern auch anderer Parteien liebäugeln deshalb mit dieser Variante. «Das wäre aber mit der Erwartung verbunden, dass die Initianten ihr Begehren zurückziehen», sagt Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP). Nur so käme es nicht zu einer Volksabstimmung – und damit einer weiteren Verzögerung.
Die Initianten indes halten sich bedeckt. Sophie Fürst, Geschäftsführerin des Vereins Klimaschutz, betont, man sei «sehr überzeugt» von der Gletscherinitiative. Sie signalisiert aber durchaus Offenheit für einen Rückzug, sollte so der Weg für einen «wirksamen Klimaschutz» ermöglicht werden. «Jeder Gegenvorschlag wird sich an der Wirksamkeit und den wissenschaftlichen Kriterien beim Klimaschutz messen lassen müssen.»
Stefan Häne ist Redaktor im Ressort Inland. Er schreibt und recherchiert zum aktuellen Politgeschehen in der Schweiz.
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