SP wegen Fall Rösly M. in der Kritik
Eva Herzogs harte Eigenmietwert-Politik stösst in Bevölkerung und Politik auf Unverständnis. Die Enttäuschung über die Sozialdemokratischen ist gross.

Selten hat eine Geschichte so viele Reaktionen ausgelöst wie jene von Rösly M. – der 90-jährigen Witwe, die bis 72 gearbeitet hat, seit über 40 Jahren in einem Häuschen im Hirzbrunnenquartier lebt und wegen der Erhöhung des Eigenmietwerts mit monatlich 1020 Franken auskommen muss. Auch gestern riefen auf der Redaktion Leserinnen und Leser an, die ihre Betroffenheit und Empörung ausdrückten und Rösly M. eine Spende zukommen lassen wollten. Diese «gut gemeinte Unterstützung» möchte die alte Frau aber nicht annehmen, wie sie in einem Brief an die BaZ nochmals unterstrichen hat. Würden ihr die Steuern erleichtert (was von der Steuerverwaltung abgelehnt wurde) und die Krankenkassenprämie reduziert, «dann wäre ich zufrieden und könnte bescheiden, aber ruhig leben».
Inzwischen hat der Fall Rösly M. auch eine politische Dimension angenommen. Die Diskussion um den seit Langem umstrittenen Eigenmietwert flackert von Neuem auf. In zahlreichen Zuschriften legen Basler Hauseigentümer und Inhaber von Stockwerkeigentum dar, welche Konsequenzen die Neueinschätzungen durch den Steuerstaat für sie hatte, und beklagen Ungerechtigkeiten. Dabei wird häufig scharfe Kritik an der zuständigen Finanzdirektorin laut.
Gerade ihre Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie wird Eva Herzog, die kalt und gegen die Interessen der Bevölkerung agiere, zum Vorwurf gemacht. Die Liegenschaftsbesitzer würden vom Finanzdepartement «staatlich legitimiert bestohlen», schreibt etwa ein Mann aus Bettingen.
«Auspressen wie eine Zitrone»
Kein Blatt vor den Mund nimmt Ruth Klein, die am Petersplatz wohnt und ebenfalls mehr Eigenmietwert bezahlen muss. Sie persönlich könne den Steueraufschlag zwar verkraften. Das Schicksal von Rösly M. gehe ihr jedoch nahe und mache sie wütend. «Es ist bekannt, dass Eva Herzog politische Ambitionen nach Bern hat. Dieser Karriere ist es offenbar förderlich, wenn Basel-Stadt 156 Millionen Franken in den nationalen Finanzausgleich einzahlt, während der Basler Mittelstand ausgepresst wird wie eine Zitrone.»
Dass man Menschen wie Rösly M. nicht mit einem Steuererlass entgegenkommen könne, sei unverständlich – zumal die Sozialausgaben jährlich zunähmen. Diejenigen, die ihre Steuern bezahlten und sparsam lebten, seien die Verlierer. «Dass wir so etwas zulassen, ist unglaublich», findet Klein.
Für bürgerliche Exponenten, die in mehreren Vorstössen gegen Herzogs Eigenmietwert-Politik gekämpft haben, ist der wegen Rösly M. entstandene Protest indes keine Überraschung. In den Debatten im Grossen Rat habe man genau vor diesen negativen Auswirkungen gewarnt. «Der Fall Rösly M. zeigt, dass man mit dem Eigenmietwert die kleinen Leute straft», sagt FDP-Grossrat Christophe Haller. Er setzt sich dafür ein, dass Basel-Stadt mit einer Standesinitiative in Bundesbern die Abschaffung des Eigenmietwerts verlangt. Der Antrag fand im Parlament eine hauchdünne Mehrheit, obschon SP und Grüne Widerstand geleistet hatten.
«Beschämend und unwürdig», nennt LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein die Situation. Der Slogan der SP, «Für Alle statt für Wenige», gelte für Hauseigentümer offensichtlich nicht. Sie könne nicht nachvollziehen, warum bei Rösly M. keine individuelle Lösung gesucht werden kann. «Eva Herzog hatte vor einem Jahr betont, dass man die speziellen Fälle einzeln anschauen muss.» Der Wille dazu scheine nicht vorhanden zu sein, was völlig unverständlich sei, kritisiert von Falkenstein.
Kein Herz für soziale Anliegen
Die Enttäuschung über die sozialdemokratische Politik kommt auch bei der 82-jährigen Vreni Aeschlimann zum Ausdruck. Sie wirft der SP vor, sich von ihrem ursprünglichen Engagement für soziale Gerechtigkeit verabschiedet zu haben: Das belege der herzlose Umgang mit Rösly M. am Beispiel des Eigenmietwerts. «Auf dem Buckel des Mittelstands schreibt Regierungsrätin Herzog schwarze Zahlen», sagt Aeschlimann. Sie habe ähnliche Erfahrungen machen müssen.
Im September 2016 ist ihr Ehemann im Alter von 95 Jahren gestorben. Eine Zeit lang habe er im Pflegeheim gewohnt. Wegen der hohen Betreuungskosten seien jedoch in kurzer Zeit die gesamten Ersparnisse aufgebraucht gewesen. Damals sei sie «auf die Welt gekommen». Denn hätte sie ihren Mann im Heim behalten wollen, wäre der Verkauf des Eigenheims notwendig gewesen – eines Reiheneinfamilienhauses an der Seltisbergerstrasse, in das sie vor 43 Jahren eingezogen seien. «Wir waren sehr sparsam und haben alle Schulden abbezahlt. Und plötzlich sollten wir unser ganzes Hab und Gut verkaufen. Das kann doch nicht sein», sagt Aeschlimann. Auf diese Weise werde vom Staat belohnt, wer sein Leben lang auf grossem Fuss lebe und keine Reserven anlege.
Sie habe deshalb im Oktober 2016 SP-Ständerätin Anita Fetz um ein halbstündiges Gespräch gebeten, um sie anhand ihres Beispiels auf diesen Systemfehler aufmerksam zu machen – so wie Rösly M. sich bei Eva Herzog gemeldet habe. Im Januar 2017 habe Fetz einen Anruf versprochen. Seither habe sie nichts mehr gehört. Auch der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth, der sich im Fernsehen immer für soziale Anliegen starkmache, habe auf ihren Brief bis heute nicht reagiert.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch