Sommarugas Totalüberwachung
Bund will künftig Internetnutzer in der Schweiz jederzeit zweifelsfrei identifizieren können.

Privatsphäre, adieu, für alle Handy- und Laptopnutzer – kaum zu bewältigender Aufwand für Telekomanbieter. Mit ihrer neuen Verordnung zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs schaffen Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) und Nicoletta della Valle vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) endgültig gläserne Bürger. Die neuen Vorschriften auf Verordnungsebene bedeuten zuerst einmal das Aus für den freien Internetzugang über öffentliche W-Lan-Spots; zum Beispiel in Restaurants, Cafés oder bei Grossveranstaltungen.
Schluss ist es damit, weil der Bund fortan stets genau wissen will, wer sich wann und wo im Internet aufhält. Das geht nicht ohne Identifikation für alle Nutzer. Liefern sollen die Daten jene, die das Netz zur Verfügung stellen, also die Internetanbieter.
In einem für Laien unüberschaubaren Anordnungskatalog, der mit technischen Details gespickt ist, schreiben die Juristen aus dem Departement von Bundesrätin Sommaruga und die Strafverfolger aus dem Fedpol etwa «gut lesbare Ausweiskopien» vor, Fahnder sollen zudem jederzeit «automatisiert» auf die «eindeutige Identifizierung» von Personen zugreifen können. «Automatisiert» heisst, die Überwacher des Bundes sollen künftig von ihrem Bürocomputer aus direkt auf Personaldaten, Benutzernamen, IP-Adressen, SIM-Nummern und dergleichen der Kunden von Telekomanbietern zugreifen können.
Dienstleister wehren sich
Offiziell gehe es um die Verfolgung von Schwerstkriminellen und von Terroristen, sagt Bundesrätin Sommaruga. In Tat und Wahrheit treffen die neuen Ausführungsbestimmungen zum Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) aber sämtliche Konsumenten, also auch die überwiegende Mehrzahl jener, die keineswegs mit dem Strafgesetz auf Kriegsfuss stehen. Höhere Kosten, angeblich im Namen besserer Strafverfolgung, und der Verlust der Privatsphäre sind der Preis, den die Juristen und Strafverfolger des Bundes einfordern.
Von den Internetanbietern fordert der Bund zum Teil Angaben, möglicherweise sogar rückwirkend, über die sie heute gar nicht verfügen. Dazu gehören auch detaillierte Auskünfte über Zahlungsmittel, die Abonnenten oder auch Prepaid-Kunden nutzen. Neu sollen Swisscom, UPC, Sunrise, Salt und Co. den Strafverfolgern auch Angaben über die Zahlungsmethoden ihrer Kunden liefern – also den Namen der Bank, IBAN-Nummer, Kontoinhaber und -nummer. Nach Ansicht von Telekomanbietern stellen solche Datenlieferungen über Internetnutzer aber einen «groben Eingriff in die Privatsphäre der Kunden von Telekommunikationsdiensten dar». Sie wehren sich hinter den Kulissen derzeit kräftig gegen diese neue Verordnung (Vüpf).
Dies geht aus einem gemeinsamen Papier von Telekomanbietern hervor, das der BaZ vorliegt. Sie kritisieren darin auch, dass ein Teil der Vorschriften technisch gar nicht umsetzbar sei.
Nicht zu bewältigen sei etwa die geplante Anordnung, dass die Telekomanbieter neben Echtzeitüberwachungen auch jederzeit über fehlgeschlagene «Anruf- und Anmeldeversuche» Auskunft geben müssen. Ruft also Person A über Whatsapp oder Skype Person B an, muss der Anbieter dies den Behörden jederzeit mitteilen können, auch wenn Person B gar nicht abnimmt. Nun gibt es aber automatisierte (Schad-)Programme, die solche Anrufe (bis zu 6000 pro Minute) permanent durchführen. Anbieter sehen einerseits jetzt schon ihre Datenbanken überlastet und andererseits fürchten sie gar um die Stabilität des Internets.
Auf Anfang 2018 in Kraft setzen
Den Ermittlern möglich werden sollen mit dieser Verordnung des Schreckens für alle Daten- und Konsumentenschützer auch Antennensuchläufe für W-Lan-Punkte. Bisher gibt es dieses Verfahren erst bei Mobilfunkantennen. Mit solchen Suchläufen können rückwirkend die Verkehrsdaten der gesamten Mobiltelefon-Kommunikation erfasst werden, die innerhalb einer bestimmten Zeit über eine bestimmte Antenne geführt wurde. Neu soll genau dies auch bei allen W-Lan-Spots möglich sein, auch bei kleinen privaten.
Die Vernehmlassung zu dieser und vier weiteren Überwachungs-Verordnungen dauert bis am 29. Juni. Bis dann kann man dem Bund seine Bedenken mitteilen. Anschliessend will der Bundesrat die Verordnung auf Anfang 2018 in Kraft setzen. Das Parlament hat nach seinem Ja zum entsprechenden Bundesgesetz dazu nichts mehr zu sagen.
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