So sicher ist Zugfahren in Europa
Innert zwei Wochen haben zwei Zugunfälle in Spanien und Frankreich die Menschen in Europa aufgeschreckt. Die Frage nach der Sicherheit steht im Raum. Statistiken und Experten geben Entwarnung.
Zwei schwere Eisenbahnunglücke innerhalb von nur zwei Wochen mit 80 Toten in Spanien und sechs in Frankreich – das wirft die Frage auf: Wie sicher sind die Züge in Europa? Experten beruhigen: Die Bahn ist und bleibt eines der sichersten Transportmittel auf dem Kontinent.
Europa verfügt über eine Vielfalt an Zügen – von Relikten aus der kommunistischen Ära in Teilen Osteuropas bis hin zu den modernen Hochgeschwindigkeitszügen, die durch Frankreich düsen. Insgesamt gehören die Sicherheitsstandards zu den höchsten auf der Welt. Unfälle wie derjenige in Spanien sind unglaublich selten, wie Sim Harris von den «Rail News» in Grossbritannien sagt.
Kollisionen auf Bahnübergängen
Auch Spaniens Bilanz in Sachen Sicherheit liegt über dem Durchschnitt, wie Chris Carr, Leiter der Abteilung Sicherheit bei der Europäischen Eisenbahnagentur, erklärt. EU-Statistiken zufolge sinkt die Zahl der Zugunglücke pro Jahr in der 28-Staaten-Union um etwa sechs Prozent. Das bedeutet einen Rückgang um 70 Prozent in der Zeitspanne von 1990 bis 2012.
Dennoch besagt ein Bericht der Behörde vom Mai, dass jedes Jahr ungefähr 2400 «bedeutende» Unfälle passierten. Zum grössten Teil handele es sich dabei aber um Kollisionen mit Autos auf Bahnübergängen oder um Menschen – oftmals Selbstmörder –, die von einem Zug getroffen würden. Dabei werden jährlich 1200 Personen getötet.
Wenn man diese Statistik betrachte, verblassten dagegen alle anderen Opferzahlen bei Zugunglücken, sagt Carr. Fast alle Todesfälle gingen auf Zusammenstösse auf Bahnübergängen und Suizide zurück.
Zwei Untersuchungen eingeleitet
Im Fall der Zugentgleisung bei Santiago de Compostela haben die Behörden zwei Untersuchungen eingeleitet. Alles deutet darauf hin, dass der Zug am Unglücksstreckenabschnitt mindestens doppelt so schnell fuhr wie zulässig. Aber ob es am Lokführer lag oder an einem unzureichenden oder fehlerhaften automatischen Tempokontrollsystem – darüber kann nur spekuliert werden. Der Lokführer soll Medienberichten zufolge in der Vergangenheit mit seinem hohen Tempo geprahlt haben. Der 52-jährige Francisco José Garzón Amo habe auf seiner Facebook-Seite das Foto eines Zug-Tachometers veröffentlicht, der 200 km/h anzeigte.
Fest steht laut Carr, dass die EU-Mitgliedsstaaten angewiesen seien, jeweils national genau zu überwachen, ob Sicherheitsstandards auch eingehalten würden. Das gelte für Wartungsarbeiten an Schienen und Zügen, aber auch für die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern. «Es ist eine ziemlich robuste Struktur», sagt Carr. Aber es gebe trotzdem unausweichlich Situationen, «in denen die Dinge schieflaufen».
Schlechte Ausbildung
Mangelhafte Teile, schlechte Wartung und menschliche Fehler sind die wahrscheinlichsten Ursachen bei Unfällen. Eine Zugkollision 2012 mit 16 Toten in Südpolen wurde verbreitet auf die schlechte Ausbildung eines Zugverkehrskontrolleurs zurückgeführt. Einige machten jedoch auch Sparmassnahmen auf Kosten der Sicherheit bei der Modernisierung des Bahnnetzes für das Unglück verantwortlich. Polens Bahnsystem schliesst moderne Züge und Bahnstationen ein, aber auch Züge und Schienen aus der kommunistischen Ära.
Aber auch Deutschland mit einem der dichtesten Schienennetze Europas hat Unfälle erlebt. So entgleiste am 3. Juni 1998 ein ICE-Zug in Eschede, 101 Menschen starben. Die Ermittler glauben, dass ein einzelner Riss in einem Rad den Zug an einer Weiche aus den Schienen springen liess. 2011 kamen in Sachsen-Anhalt elf Menschen ums Leben, als ein Güterzug mit einem Passagierzug zusammenstiess.
Weichenteil auf der Strecke
In Frankreich vermuten die Behörden, dass ein auf der Strecke liegendes Weichenteil am 12. Juli zur Entgleisung eines Intercity-Zuges am Bahnhof von Brétigny-sur-Orge führte. Untersuchungen darüber, warum sich das Verbindungsteil von der Weiche gelöst hatte, ob es etwa an losen, gebrochenen oder fehlenden Schrauben lag, dauern noch an. Der Unfall war ein besonderer Schock für ein Land, das äusserst stolz auf sein ausgedehntes Netz von Hochgeschwindigkeitszügen und deren Sicherheit ist.
So wies denn auch Frank Paul Weber von der französischen Bahn (SNCF) darauf hin, dass diese Züge «im Laufe von 30 Jahren mehr als zwei Milliarden Passagiere befördert haben, mit Geschwindigkeiten von über 300 Stundenkilometern – ohne einen einzigen tödlichen Unfall».
Eine Überwachungskamera filmte die Entgleisung des Zugs.
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