So gleich und doch so verschieden
Manuel Akanji und Breel Embolo trafen sich zum ersten Mal vor vier Jahren – danach wuchs ihre Freundschaft.

Manuel Akanji sagt über Breel Embolo: «Ich habe Breel viel zu verdanken. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin.» Breel Embolo sagt über Manuel Akanji: «Der Manu ist ein guter Junge. Ich habe schon immer gewusst, dass er seinen Weg machen wird, und ich bin froh, dass ich ihn dabei begleiten kann.»
Am letzten Sonntag haben Manuel Akanji und Breel Embolo ihre erste Partie an einer Weltmeisterschaft bestritten, die Schweiz spielte 1:1 gegen Brasilien. Es gibt schlechtere Premieren.
Akanji warf sich in der Verteidigung 90 Minuten lang in jedes Duell, gegen Neymar, gegen Willian, gegen Coutinho und gegen Gabriel Jesus. Nach dem Spiel sagte er: «Ich hatte Spass.» Embolo kam in der 80. Minute, als bei Haris Seferovic die Kräfte schwanden. Viel Konstruktives konnte er nicht beitragen, aber auch er stemmte sich tapfer gegen die späten Angriffe. Nach dem Spiel fielen sich die Freunde in die Arme.
Die zufällige Einteilung
«Freunde» gibt es viele im Fussball, diesem widersprüchlichen Business. Man sitzt jeden Tag in der gleichen Kabine, steht auf dem gleichen Rasen und schläft in den gleichen Hotelzimmern. Man kämpft zusammen um Punkte und Titel und manchmal auch gegen die Ideen des eigenen Trainers. Man leidet, jubelt, schwitzt und blutet. «Elf Freunde müsst ihr sein.»
Doch die intensive Nähe verdeckt, dass viele «Freundschaften» ohne die Anführungszeichen nicht bestehen. Oft sind es nur Zweckgemeinschaften, ein Zusammenspiel auf Zeit in einem Geschäft, das heutzutage mehr denn je auf Konkurrenz und Verdrängung basiert. Wahre Freundschaften passieren zwar, aber sie passieren selten. So wie zwischen Embolo und Akanji.
Im Herbst 2014 begegnen sie sich zum ersten Mal bei der Schweizer U20. Der 17-jährige Embolo und der 19-jährigen Akanji teilen sich ein Zimmer, die Einteilung passiert aus purem Zufall. Beide merken, dass sie viel gemeinsam haben, auch wenn es am Anfang nur Details sind. Aber ist das nicht in jeder Beziehung der Fall? «Wir mochten halt das gleiche Spiel auf der Playstation», sagt Embolo heute.
Die mütterliche Integration
Der Jüngere ist der Forschere der beiden, der Unerschrockenere. Embolo kann mit seiner selbstbewussten Art eine Gruppe anführen, aber auch aufrühren. Akanji hingegen ist ruhiger, abwartender. In ihrem Zimmer sei immer etwas los gewesen, sagen die, die damals mit dabei waren. Und mit «etwas los» – das nur als Info – ist nicht leise Musik gemeint und auch kein aufgeräumtes Zimmer. Eher das Gegenteil.
Manuel Akanji sagt über Breel Embolo: «Wir haben uns vom ersten Moment an verstanden. Breel hat sich um mich gekümmert.» Breel Embolo sagt über Manuel Akanji: «Ich habe schon bei der U20 gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind. Und ich habe mich gefreut, als Manu später nach Basel gekommen ist.»
Der FCB hat in seiner jüngeren Geschichte eindrücklich bewiesen, wie entscheidend Freundschaften innerhalb einer Kabine für den Erfolg ausserhalb sein können. Mit den Anführern Marco Streller, Alex Frei und Benjamin Huggel, die zugleich auch Freunde sind, feiert der Club seine grössten Erfolge. Und in ihrem Sog reift eine Generation von Profis, die selbst zu Führungsspielern werden: Yann Sommer, Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri, es gibt noch viele weitere Beispiele.
Und trotzdem ist der ehemalige Präsident Bernhard Heusler heute noch erstaunt, wie Embolo sich damals um Akanji kümmert, als dieser im Sommer 2015 vom FC Winterthur aus der Challenge League zum Schweizer Meister kommt: «Man muss bedenken, dass Breel erst 18 Jahre jung war. Nach seinem ersten Tor im ersten Spiel in der Super League gegen Aarau und dem Treffer in der Champions League lastete bereits ein unglaublicher Druck auf ihm», sagt Heusler. «Trotzdem hat er sich in einem Mass um Manuel gekümmert, das alles andere als selbstverständlich ist. Das war sehr wichtig, weil genau das die Aufgaben sind, die kein Trainer und kein Präsident übernehmen kann.»
Die abgeschlossene KV-Lehre
Embolo nimmt Akanji bei sich auf, integriert ihn in seinen Freundeskreis. «Für mich war das ganz selbstverständlich. Bei mir war immer was los und ich habe mich gefreut, wenn er dabei war. Ich wollte es ihm einfach so heimelig wie möglich machen, denn ich bin als kleiner Junge auch mal in eine fremde Stadt gekommen», sagt Embolo. Später, als er in die Bundesliga wechselt, übernimmt Akanji sowohl die Freunde als auch die Rückennummer von Embolo; und das obwohl er als kleiner Junge nie in Basel mit der Buslinie 36 zum Training gefahren ist.
Es ist in dieser Zeit, als ihnen auffällt, dass sich die Gemeinsamkeiten längst nicht nur auf die Wahl der Videospiele beschränkt.
Da ist der Wille – oder zumindest der Wunsch der Eltern –, die KV-Lehre abzuschliessen, auch wenn beide längst wissen, dass sie als Profi mehr als genug Geld verdienen. Da ist ihr unverrückbarer Fokus auf den Sport, das ausgeprägte Selbstvertrauen. Ihr Musikgeschmack, der dazu geführt hat, dass sie ein gemeinsames Konto bei einem bekannten Streamingdienst besitzen.
Und natürlich sind da ihre afrikanischen Wurzeln; bei Embolo in Kamerun, bei Akanji in Nigeria.
Der dünne Geduldsfaden
Zwar haben die beiden nie bewusst über ihre Herkunft, ihren ausgeprägten Sinn für Familie oder den Rassismus gesprochen, den sie auf dem Platz oder im Alltag erleben. Und trotzdem erklärt der in Wiesendangen geborene Akanji wie selbstverständlich, dass er sich vermutlich schweizerischer verhalte als der in Yaoundé geborene Embolo.
Manuel Akanji sagt über Breel Embolo: «Wenn es in unserem Zimmer aufgeräumt ist, liegt das eher an mir als an Breel.» Breel Embolo sagt über Manuel Akanji: «Manu ist nicht immer so geduldig wie ich. Er regt sich schnell auf und dann kann es laut werden. Er ist härter und kann auch mal Nein sagen.»
Vereint sind die beiden durch all diese Dinge, aber in erster Linie sind sie doch durch ihr Talent vereint.
Der lobende Scoutingbericht
Den Namen Embolo hört Heusler zum ersten Mal, «da war Breel 13, 14 oder 15 Jahre alt». Immer wieder wird Heusler schon da auf den Stürmer angesprochen. Einmal sieht er ein Tor von Embolo, «einen Fallrückzieher, den ich nicht mehr vergessen habe». Jedem im Club ist klar, was der ehemalige Nachwuchschef Peter Knäbel schön auf den Punkt bringt: Es gibt Talente, die muss ein Club nicht hervorbringen, sondern nur in gute Bahnen lenken.
So ein Talent ist Embolo. So ein Talent ist aber auch Akanji.
Immer wenn der FCB einen Spieler aus der Schweiz verpflichtet, stellt sich die Transferkommission eine wichtige Frage: «Reicht das für den FCB?» Im Scoutingbericht, den Josip Colina über Akanji anfertigt, ist Folgendes vermerkt: Der Innenverteidiger aus der Challenge League sei im Grunde kein Spieler für den FCB oder die Super League; sondern zu höheren Aufgaben berufen.
Heute spielen beide in der Bundesliga. Embolo hat schon 2016 zu Schalke 04 gewechselt, wo er sich nach einer schweren Verletzung wieder seiner alten Form nähert. Akanji ist, nachdem er in Basel fast ein Jahr mit einem Kreuzbandriss ausgefallen ist, in diesem Januar von Borussia Dortmund verpflichtet worden.
Als beide zur gleichen Zeit verletzt sind, sind sie füreinander da, telefonieren, tauschen sich sehr oft aus. Und auch jetzt wohnen Akanji und Embolo in Deutschland nicht weit voneinander entfernt, gehen mit ihren Freundinnen essen, auch wenn das in Gelsenkirchen und Dortmund nicht alle nur toll finden.
Das kapitale WM-Spiel
Gegen Serbien bestreiten die beiden morgen in Kaliningrad (20 Uhr, SRF 2) ihr zweites WM-Spiel, es ist ein kapitales. Akanji gilt nach seinen Leistungen in den letzten Partien als gesetzt, Embolo wird wohl erneut eingewechselt werden. Manuel Akanji ist 22 Jahre alt, Breel Embolo 21. Und es scheint klar, dass beide das Schweizer Team noch viele Jahre prägen werden, wenn ihre Karrieren so verlaufen wie bisher.
Manuel Akanji sagt über Breel Embolo: «Ich hoffe, dass er für die Schweiz noch viele wichtige Tore schiesst.» Breel Embolo sagt über Manuel Akanji: «Manu wird seinen Weg gehen. Und ich weiss, dass wir Freunde bleiben.»
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