Basler VergewaltigungsprozessSexualdelikt Elsässerstrasse: Ein Fall voller Zweifel und offenen Fragen
Ein Portugiese soll am 1. Februar 2020 in der Elsässerstrasse zusammen mit einem Kumpel eine Frau vergewaltigt haben. Der Staatsanwalt fordert vier Jahre Gefängnis – die Verteidigung einen Freispruch mangels Beweisen.

Er sitzt ruhig da, nur seine Füsse, die in Fesseln stecken, wippen hin und her. Dem 32-jährigen Portugiesen, der sich am Dienstag vor dem Basler Strafgericht verantworten muss, wird eine Tat vorgeworfen, die im vergangenen Februar die Stadt Basel aufgewühlt hat. Zusammen mit einem damals 17-jährigen Landsmann soll er nach dem Ausgang eine 33-jährige Frau im Eingang ihres Wohnhauses an der Elsässerstrasse sexuell genötigt beziehungsweise vergewaltigt haben.
Das Opfer gibt an, die beiden seien mit ihr zusammen im Tram bis zum Voltaplatz gefahren, nachdem sie und der Angeklagte festgestellt hätten, sich zu kennen. Die Männer hätten die Frau noch bis nach Hause begleitet. Um 7.10 Uhr seien die beiden dann im Windfang ihres Hauses über sie hergefallen, hätten sie sexuell genötigt, auf den Boden gedrängt und vergewaltigt, obwohl sie die ganze Zeit geschrien und sich gewehrt habe.
Mutmasslicher Mittäter erzählt andere Version
Die Version des Angeklagten deckt sich in vielen Punkten mit der des Opfers. Er streitet jedoch jeglichen sexuellen Übergriff ab. Im Gegenteil, die Frau habe bereits auf dem Heimweg angefangen, seinen Kollegen zu küssen und mit der Hand über dessen Schritt zu streicheln. Auch die sexuellen Handlungen im Hauseingang seien einvernehmlich gewesen.
Auf einmal habe sich die Frau jedoch zu Boden fallen lassen und geschrien. Der jüngere Kollege habe daraufhin den Windfang verschreckt verlassen. Er, der Angeklagte, habe sofort von ihr abgelassen und gefragt, was los sei. Schliesslich sei auch er mit schnellen Schritten weggegangen. Nicht aus Schuldbewusstsein, sondern weil sie den Bus nach Frankreich hätten erwischen wollen. Der Beschuldigte wohnte dort während dieser Zeit bei der Familie des jüngeren Kollegen. Am Folgetag sei er zudem nicht nach Portugal geflüchtet, sondern dorthin gefahren, weil er aufgrund der Kälte im Hochbau gerade keine Arbeit gehabt habe. Ausserdem habe er seine vier Kinder in der Heimat besuchen wollen.
Kurz nach dieser Aussage dann die Überraschung am Basler Strafgericht: Der jugendliche mutmassliche Mittäter, der bis vor kurzem noch in Portugal untergetaucht war, wird als Auskunftsperson vorgeführt. Auch er spricht von einvernehmlichem Sex und bestätigt, dass sie ihn schon auf dem Heimweg angemacht und mit ihm Intimitäten ausgetauscht habe. Er erinnere sich aber nicht daran, dass die Frau irgendwann geschrien habe.
Das mutmassliche Opfer wird ebenfalls befragt. Die Frau war in der Tatnacht aber offenbar stark alkoholisiert und hat massive Erinnerungslücken, was die Rekonstruktion der Geschehnisse rund um die Tat erschwert. Offenbar hatte sie kurz davor auf dem WC eines Clubs noch Sex mit einem Kollegen gehabt, weiss aber nichts mehr davon. Auch bezüglich des Heimwegs mit dem Tram hat sie Erinnerungslücken.
Sie leide enorm unter dem Geschehenen, sagt sie. Sie habe Schlafstörungen, Zwangsgedanken und Ängste. Auch ihre beiden Kinder würden leiden. Besonders der Medienrummel nach der Tat sei eine enorme Belastung gewesen.
Zweifel an Glaubwürdigkeit
Die Verteidigerin des Angeklagten bezweifelt die Glaubwürdigkeit des Opfers. Nicht nur wegen des Alkoholkonsums, sondern auch aufgrund einer Vorstrafe der 33-Jährigen. Die Frau war 2017 wegen falscher Anschuldigung verurteilt worden, nachdem sie eine Internetbekanntschaft nachweislich unberechtigt beschuldigt hatte, sie sexuell genötigt zu haben.
Der Staatsanwalt fordert eine Gefängnisstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Der Beschuldigte habe den Alkoholeinfluss sowie das Vertrauen des Opfers schändlich ausgenutzt, um «sich zu holen, was er wollte». Die Opferanwältin verlangt ausserdem eine Genugtuung in Höhe von 22’000 Franken. Die Verteidigerin hingegen hält fest: In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten. Die Darstellungen des Opfers seien nicht glaubwürdig. Oft könne sie nur vage Angaben machen, sich Dinge nicht erklären oder weiche Fragen aus. Das «vermeintliche Opfer» habe die sexuellen Handlungen initiiert. Als ihr bewusst wurde, dass sie das nun doch nicht wolle, und das mitgeteilt habe, habe der Beschuldigte sofort aufgehört und sei gegangen.
Das Urteil wird für Mittwoch 17 Uhr erwartet.
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