Sie sagte: «Hör auf, es tut weh!»
Priester Anton Ebnöther verging sich an Frauen und zeugte mindestens sechs Kinder, die Kirche schützte ihn. Die Frauen erzählen es in einem neuen Film.

Rita Aepli ist 21 Jahre alt, als der katholische Priester Anton Ebnöther sie bittet, sich zu ihm unter die Decke zu legen. «Er hat gesagt, komm ein wenig ins Bett, dann haben wir wärmer», erzählt sie viele Jahre später als betagte Frau in der Küche ihrer Alterswohnung in Steinen SZ. «Dann habe ich mich halt zu ihm hingelegt.»
Sie habe nicht gewusst, was da passiere, er habe ihr die Hose runtergezogen und sei in sie eingedrungen. Dann sagte sie ihm: «Hör auf, es tut weh.» Er habe geantwortet: «Nicht lange. Das tut dir nachher gut.»
Dies ist die Geschichte eines katholischen Priesters und Vikars, der sich Frauen nahm, wie ihm beliebte. Der Kinder zeugte und die Mütter allein zurückliess. Eine Geschichte von Banknoten in Couverts für Abtreibungen, von Einsamkeit, Lügen und Ohnmacht.
Der Fall Anton Ebnöther, der 1945 mit 26 Jahren in Chur zum Priester geweiht wurde, steht aber auch exemplarisch für die katholische Kirche, die über Jahrzehnte Übergriffe vertuschte, statt sie aufzuklären. Die Täter versetzte, statt sie zur Rechenschaft zu ziehen. Und die Opfer alleinliess.
Sechs Kinder des Priesters, die sich erst nach Ebnöthers Tod 2011 kennen gelernt haben, erzählen jetzt erstmals ihre Geschichte, im berührenden Film «Unser Vater» von Miklós Gimes, der Anfang April in die Kinos kommt. Erst als junge Menschen haben sie erfahren, wer ihr Vater ist. Ihr Leben war oft auf Vertuschung und Unwahrheiten aufgebaut. Auch drei der Mütter kommen im Film zu Wort.
Neben den Erzählungen der Betroffenen gibt es aber auch bischöfliche Briefe und Gerichtsakten zum Priester – denn es kam zum Prozess gegen ihn. Die Dokumente offenbaren, wie er die Frauen belog und unverfroren abwies und wie die Kirche ihn deckte. Von Anfang an.
Frauenbesuche im Schlafzimmer
Anton Ebnöther tritt 1946 seine erste Stelle als Vikar und Chorleiter in St. Moritz an. Der damals 27-Jährige ist als engagierter Dirigent des Kirchenchors, in dem viele Frauen singen, sofort beliebt. Er sieht gut aus und ist charmant. Er habe Frauen den Kopf verdreht und Männer beeindruckt, erinnern sich Zeitzeugen während Miklós Gimes’ Recherche für den Film.
Doch wie mehrere Briefe des Churer Bischofs von damals zeigen, fällt Ebnöther bereits in St. Moritz auf. Offenbar nimmt er Frauen in seine Schlafkammer oder trifft sie anderweitig für intime Begegnungen. Als die Gerüchte sich häufen, greift der Bischof 1949 persönlich ein: Nach einem Besuch vor Ort ermahnt er Ebnöther schriftlich, «in Zukunft keine Frauenbesuche in Ihrem Privatzimmer» mehr zu empfangen sowie die «Abendabwesenheiten ohne Erlaubnis und Aufklärung beim Pfarrer» zu unterlassen.
Es gebe in St. Moritz «ein Gerede» wegen einer «sogenannten Cousine», steht im Brief des Bischofs. Ebnöther treibe mit seinem Vorgesetzten, dem Pfarrer von St. Moritz, ein «unaufrichtiges Spiel». Er, der Bischof, habe «begründete Angst», wie sich der Vikar in Zukunft verhalten werde.

Mehr als eine deutliche Ermahnung kommt vom Bischof allerdings nicht. Er überlässt es Ebnöther, ihm mitzuteilen, wie er nun aus dieser «bedenklichen, gefahrvollen» Situation herauszukommen gedenke.
Ebnöther sucht – ebenfalls schriftlich – Ausflüchte, beschwichtigt, schiebt die Schuld auf die Frauen, gibt sich ahnungslos. «Was die Freundschaft mit Damen anbelangt, weiss ich nun gar nicht, was der Pfarrer darunter versteht und wen er meint», antwortet er dem Bischof. Nachdem sich ebendieser Pfarrer von St. Moritz zum wiederholten Mal über seinen Vikar beschwert, entscheidet sich der Bischof im Sommer 1949, Ebnöther zu versetzen – und zwar nach Bülach ZH. Grosses Aufheben um die Versetzung des Vikars soll aber tunlichst vermieden werden. Er werde dem dortigen Pfarrer «nichts Nachteiliges mitteilen», lässt der Bischof Ebnöther wissen. «In der Hoffnung auf Ihren Gehorsam», schliesst der bischöfliche Brief.
«Er hät mich eifach gha und vertruckt. Furtgschosse.»
Der Bischof schützt ihn. Und Ebnöther sucht sich am neuen Ort neue Frauen.
In Bülach vergreift er sich an der 34-jährigen Antonia Müller. Sie arbeitet zu dem Zeitpunkt bereits drei Jahre als Köchin beim dortigen Pfarrer. «Er wollte es von sich aus, und ich wehrte mich. Und ich konnte mich nicht mehr wehren», beschreibt sie über sechzig Jahre später in Gimes’ Film das traumatische Erlebnis mit dem Vikar. Die Türen der Schlafzimmer im Bülacher Pfarrhaus habe man nicht abschliessen dürfen. Ebnöther sei in der Nacht gekommen – und danach wieder verschwunden. Als sie den Übergriff später meldet, bezichtigt er sie der Lüge. «Es ist nicht wahr, es ist nicht wahr. Sie lügt», habe er immer wieder gesagt. «Er hät mich eifach gha und vertruckt. Furtgschosse», sagt Antonia Müller in den Filmaufnahmen, die kurz vor ihrem Tod 2016 entstanden.
Als der Pfarrer von Bülach bemerkt, dass seine Köchin vom Vikar schwanger ist, schickt er nicht Ebnöther weg – sondern sie. Und zwar nach Visp VS zu seiner Schwester, die dort im Spital der Ursulinerinnen arbeitet. Das Kind soll nach der Geburt zur Adoption freigegeben werden, doch Antonia Müller macht nicht mit, will das Kind stattdessen allein aufziehen. Im August 1951 kommt Tochter Lisbeth zur Welt. Nach dem Tod ihrer Mutter 2016 findet sie, nun bereits 64, in den Sachen der Verstorbenen ein ungeöffnetes Couvert mit 100 Franken. Es stammt von Ebnöther – und war für ihre Abtreibung gedacht.
Zwei weitere Kinder in Bülach
In Bülach hat Ebnöther als Vikar Kontakt mit mindestens drei weiteren Frauen – darunter auch die verheiratete Christina Meier aus Eglisau. Ihr Mann wendet sich wegen Sexualproblemen in der Ehe vertrauensvoll an den Vikar – er bittet ihn, mit seiner Frau zu reden. Doch Ebnöther belässt es nicht bei Gesprächen und sucht körperlichen Kontakt zur Frau. Sie ist der Affäre nicht abgeneigt – und bringt 1952 und 1953 zwei Kinder zur Welt. Dass diese von Seelsorger Ebnöther stammen, erfährt Christina Meiers Ehemann nie.
Zu der Zeit hat der Vikar auch Kontakt zu einem «Fräulein in Zürich» sowie «einem anderen Fräulein aus Österreich, die für mich hätte eine Gefahr werden können», wie aus einem Brief hervorgeht, den er 1953 an den Bischof schreibt. Offenbar hat dieser erneut vom Gebaren des Vikars erfahren – Ebnöther muss sich rechtfertigen.
Da waren es schon mindestens drei Kinder, die der Priester gezeugt hat.
Ob der Bischof nur vom Kind der Pfarrköchin oder auch von den beiden Kuckuckskindern in Eglisau wusste, ist laut Filmemacher Miklós Gimes nicht klar. «Doch auch ihm blieb nicht verborgen, dass Ebnöther den Frauen von halb Bülach nachstellte», sagt Gimes, der für seinen Film mehrere Jahre recherchierte und mit zahlreichen Involvierten sprach. «Es waren verschiedene Gerüchte im Umlauf, und es muss eine polizeiliche Untersuchung wegen sexueller Belästigung gegeben haben.» Akten dazu hat Christina, die ältere der beiden Eglisauer Kinder, bei einer Entsorgungsaktion der Mutter entdeckt. So erfuhr sie zufällig, wer ihr leiblicher Vater ist.
Erneute Versetzung
Nach den immer neuen Affären greift der Bischof 1954 – fünf Jahre nach Ebnöthers Ankunft in Bülach – schliesslich durch: Er versetzt den Priester zur Strafe ins Exerzitienhaus St. Franziskus in Solothurn. Dort soll er, so die Idee des Bischofs, abseits des alltäglichen Lebens zur Besinnung kommen. Auf den rechten – sprich: zölibatären – Weg. Von dort versetzt der Bischof ihn, quasi als Weiterführung des Entzugsprogramms, ein paar Monate später nach Freiburg, wo der mittlerweile 35-jährige Ebnöther als Präfekt und Chorleiter an einem von Franziskanermönchen geführten Schülerinternat tätig ist.
Der Bischof und oberste Hirte seines Bistums bleibt Ebnöther trotz aller Vorkommnisse wohlgesinnt. «Ich habe mich gefreut, zu hören, dass Sie sich zur ganzen Sache, die für Sie ja eine schwere Prüfung bedeutet, recht eingestellt haben», schreibt ein kirchlicher Würdenträger Ebnöther kurz vor seinem Wechsel nach Freiburg im Auftrag des Bischofs. Wenn er sich weiter verhalte wie in den Monaten zuvor, «dürfen wir hoffen, dass alles noch gut gehen wird». Gott und auch der Bischof würden «nur das Beste» für ihn wollen.

In Freiburg geht es ein paar Jahre lang gut – bis im April 1958 erneut ein Brief am Churer Bischofssitz eintrifft. Ein Freiburger Kleriker berichtet von einer «unangenehmen Angelegenheit» im Falle Ebnöthers, ohne Details zu nennen. Als der Brief in Chur ankommt, ist Ebnöther bereits umgezogen – nach Klosters GR, wo er im Frühling 1958 für ein paar Wochen den Pfarrer vertritt.
Kaum hat Ebnöther dort die Arbeit aufgenommen – auch hier leitet er wieder den Chor –, nimmt er eine weitere junge Frau ins Visier: Diesmal ist es die 21-jährige Rita Aepli, die eingangs erzählte, wie Ebnöther sie zu sich ins Bett bat und gegen ihren Willen in sie eindrang. Sie arbeitet in einem Merceriegeschäft in Klosters und bringt ab und zu Kommissionen ins Pfarrhaus, Gewänder, Tücher, Umhänge. Auch als Blauringleiterin ist sie manchmal vor Ort, sie kennt den Vikar aus dem Chor, vertraut ihm, mag ihn sehr – «wie ein Vater», sagt sie im Film. Als Ebnöther sich ihr sexuell nähert, tut sie, wie ihr geheissen. Erleidet Schmerzen. Wird schwanger. Von ihm, dem Priester.
Prozess gegen den Kirchenmann
Was dann passiert, ist in Gerichtsakten aus den Jahren 1959 bis 1961 festgehalten, denn Rita Aepli verklagt ihn. Damit lässt sich Ebnöthers Geschichte rekonstruieren, der bei Rita Aepli sexuelle Befriedigung sucht, vor Gericht jedoch Lügengeschichten über den Akt erzählt, weil er mit den Folgen nichts zu tun haben will.
Als Rita Aepli nach dem Geschlechtsverkehr oder – je nach Auslegung – der Vergewaltigung durch den Priester nach Hause läuft, habe sie bemerkt, dass sie blute, heisst es in den Akten. Wochen später erbricht sie häufig, und eine Urinprobe beim Arzt in Klosters bestätigt Ende Mai 1958, was sie bereits befürchtet hat: Sie ist schwanger.
Sogleich teilt sie Ebnöther telefonisch mit, dass sie von ihm ein Kind erwartet. Vor Gericht wird er seine Reaktion später wie folgt beschreiben: «Das war der Moment, wo ich sie am Telefon darum gebeten habe, ob es ihr nicht möglich wäre, eine medizinische Intervention vorzunehmen, damit sie ihre Monatsblutung wieder bekommt.» Der Vertreter einer Kirche, für die Abtreibung ein Mord bedeutet, bitte sie, das Kind medikamentös zu entfernen. Doch die junge Blauringleiterin lehnt ab.
Sie trifft ihn ein paar Tage später in Einsiedeln, wo sie an einem nationalen Treffen des christlichen Jugendverbandes teilnimmt. Sie fahren zusammen auf seiner Vespa in einen nahen Wald, sie will reden, er will Sex, doch sie lehnt ab. Über die Schwangerschaft verliert der Priester nicht viele Worte. Er habe ihr 200 Franken gegeben und gesagt: «Mach, was du machen kannst», erinnert sich Aepli im Film. Sie werde jetzt Wolle und Sachen für das Baby kaufen, habe sie sich gedacht.
Priester will Stillschweigen erzwingen
Im Sommer 1958 – Rita Aepli ist im vierten Monat schwanger – erklärt sich Ebnöther bereit, eine Vaterschaftsanerkennung zu unterschreiben. Aus purem Eigeninteresse, denn er will ihr Schweigen erzwingen. «Der Beschuldigte ist Priester», erklärt sein Anwalt später das Vorgehen gegenüber Richtern. «Der Fall sollte still und heimlich abgewickelt werden.»
Als Rita Aepli ihren Adoptiveltern von der Schwangerschaft erzählt, schlagen sie ihr die Tür zu und weigern sich, sie wiederzusehen. Sie wendet sich an das Seraphische Liebeswerk in Solothurn, eine katholische Organisation, die sich um alleinstehende Mütter kümmert. Dort erhält sie einen Anwalt zur Seite gestellt, der von Ebnöther verlangt, Rita zusätzlich zur Vaterschaftsanerkennung 20’000 Franken an Alimenten zu zahlen. Sonst – das sei die Alternative – werde sie den Bischof über die Schwangerschaft informieren.
Ebnöther will weder zahlen noch sein Geheimnis gelüftet haben – und behauptet plötzlich, das Kind sei nicht von ihm. Die Vaterschaftsanerkennung zieht er zurück.
Am 25. Dezember 1958 kommt Tochter Monika zur Welt – etwa drei Wochen zu früh, wie die Hebamme der Mutter sagt. Drei Tage später informiert Rita Aepli Bischof Caminada von Chur über die Geburt. Das Geheimnis ist gelüftet, die Nachricht rasch verbreitet, und der Bischof kommt – spät – zur Einsicht, es sei genug. Zwar kann er dem Priester die Weihe nicht entziehen, doch er weigert sich, diesem eine neue Pfarrei zuzuteilen. Bereits seit dem Sommer arbeitet Ebnöther mangels neuen Arbeitsorts in einem weltlichen Reisebüro. Jetzt ist es endgültig vorbei mit seiner kirchlichen Karriere.
Und Rita Aepli, die junge Mutter, reicht Vaterschaftsklage gegen ihn ein.
Gemäss Verhandlungsprotokollen und Eingaben seines Anwalts an die Richter wehrt sich Ebnöther vor allem, indem er Rita persönlich angreift. Er habe die Vaterschaft ursprünglich nur unterschrieben, weil sie ihm die Geheimhaltung der Affäre versprochen habe. «Es ist evident, dass Aepli von der Situation profitieren und einen substanziellen Vorteil aus der Sache ziehen wollte, um das Schweigen zu kaufen», schreibt Ebnöthers Anwalt. «Die Summe von 20’000 Franken als Schweigegeld ist ganz offensichtlich exzessiv und zeigt die Intentionen von Aepli», fügt er hinzu, um Ebnöthers Rückzug zu rechtfertigen.

Bei der Verhandlung im April 1960 erklärt Ebnöther dem fünfköpfigen Richtergremium in Saignelégier, damals Bern, heute Jura, er könne unmöglich der Vater sein: «Ich bestreite ausdrücklich, dass ich in der Vagina des Mädchens ejakuliert habe oder nach der Ejakulation in ihr geblieben bin. Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt immer zurückgezogen», steht im Gerichtsprotokoll. Es sei im Übrigen schon möglich, dass die junge Frau ihm beim ersten Mal gesagt habe, er solle aufhören, es tue weh. Und dass er geantwortet habe, das werde vorbeigehen.
Sowieso, führt Ebnöthers Anwalt in einer weiteren Eingabe aus, passe der Zeitpunkt ihrer sexuellen Begegnung gar nicht mit dem Geburtsdatum des Kindes zusammen. Dass dieses drei Wochen zu früh geboren sei, bezweifle er. «Es scheint, dass die Klägerin versucht, die Zeit der Zeugung auf eine Zeit zu schieben, die für sie den grössten Vorteil hat.»
Intrigen gegen die junge Mutter
Dann fährt Ebnöther vor Gericht fort mit Intrigen gegen Rita Aepli. Er will ihren Ruf ruinieren: Sie sei nicht der Tugend-Engel, als den sie sich selbst darstelle. Sondern «ein Fräulein von leichtem Leben». Zur Unterstützung seiner Version präsentiert Ebnöther eine ihrer besten Freundinnen, die von sich aus sagt, sie halte zum Priester. Ebnöther unterstellt Rita Aepli Beziehungen zu Männern und gar intime Begegnungen mit ihrem Schwager – und lässt dies von ihrer Freundin bestätigen. Er nennt vor Gericht Daten, an denen sie angeblich im Schlafzimmer des Schwagers übernachtet habe – just zu dem Zeitpunkt, als dessen Frau, Aeplis Schwester, mit ihrem neugeborenen Kind im Spital lag. Es ist ein Zeitpunkt, der aus Ebnöthers Sicht besser zum Datum der Empfängnis passt – und ihn, den Priester, entlastet.
Doch Rita Aepli erzählt den fünf Richtern in Saignelégier unbeirrt ihre Version der Geschichte. Sie habe mit dem Priester viermal sexuellen Kontakt gehabt. Später habe er noch mehr solche Begegnungen gewollt, doch sie habe abgelehnt. Sie habe im Weiteren keine Schwierigkeiten, die Behauptungen von Ebnöther zu widerlegen, fährt sie fort. «Mit einem Bluttest und durch das Zeugnis von wem auch immer, denn ich bestätige noch einmal, dass ich mit niemandem ausser mit Ebnöther eine sexuelle Begegnung hatte.» Sie habe bei den zwei Besuchen beim Schwager, einem Grenzwächter in Münster GR, immer im Gästezimmer übernachtet.
Die Richter glauben ihr. Ebnöthers Vorwürfe seien in sich zusammengefallen, als die Zeugen befragt und auf die Wahrheitspflicht hingewiesen wurden, schreiben die Richter in ihrem Entscheid vom Juni 1960. Doch Ebnöthers Intrige hat die Ehe zwischen Rita Aeplis Schwester und dem Grenzwächter für immer vergiftet. Noch kurz vor ihrem Tod habe ihre Schwester sie gefragt, ob da wirklich nichts gewesen sei, erzählt Rita Jahrzehnte später dem Filmemacher.
Mitte August 1960 müssen Rita Aepli, das inzwischen 20 Monate alte Kleinkind und der entlassene Kirchenmann nach Zürich reisen. Um 14 Uhr haben sie einen Termin am gerichtsmedizinischen Institut der Universität Zürich. Der Gerichtspräsident in Saignelégier hatte einen Bluttest befohlen und das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) damit betraut.
«Sie haben mich beauftragt, mit einer Blutprobe Anton Ebnöther als Vater von Monika Aepli auszuschliessen», schreibt das SRK drei Wochen später ans Gericht zurück. Es folgt eine sechsseitige Analyse und der Hinweis, man habe Blut an ein zweites Labor geschickt. Herausgekommen sei zweimal das exakt gleiche Ergebnis: «Ebnöther kann aufgrund der Analysen nicht als Vater ausgeschlossen werden. Seine Vaterschaft ist auf der Basis der Vererbungslehre betreffend die sechs Blutgruppen möglich.»
Der Priester muss zahlen
Nach diesem Befund kommt es am 13. Januar 1961 zu einer letzten Gerichtsverhandlung: Der Priester muss einlenken und wird zu Zahlungen für Kind Monika verpflichtet: 50 Franken pro Monat, bis es 5 Jahre alt ist. Dann 70, später 100 und zwischen dem 15. und dem 18. Lebensjahr monatlich 140 Franken. Mutter Rita erhält zudem 150 Franken für die Geburt und über 1200 Franken für ihre Anwaltskosten.
Ihr Kind Monika ist heute 64 Jahre alt und hat sich vor ein paar Jahren auf die Suche nach Geschwistern gemacht. Bisher hat sie fünf gefunden, zwei davon zeugte Ebnöther nach seiner Entlassung aus dem kirchlichen Dienst. Doch ihre Schwester Lisbeth glaubt, es seien noch mehr: «Das Dutzend wird noch voll», sagt sie Regisseur Gimes.
Anton Ebnöther stirbt 2011 im Alter von 92 Jahren. Während vieler Jahre hatte er eine Pension in Saas im Prättigau geführt und mit 70 noch eine viel jüngere Frau geheiratet.
Und die katholische Kirche?
Im Film empfängt der heutige Bischof Joseph Maria Bonnemain die sechs Kinder des Priesters in Chur. Er sagt, es tue ihm leid: «Verzeihen Sie uns. Wir als Kirche können nur sagen: Wir sind schuldig.»
(SonntagsZeitung)
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