Sie nannten ihn «Utopia»
Vittorio Arrigoni hatte eine Mission: Palästina befreien. Damit machte er sich nicht nur Freunde. Wer war der 36-jährige Italiener, der in der Nacht auf heute «barbarisch» ermordet worden ist?
Vittorio Arrigoni, so scheint es, war besessen davon, die Welt zu verbessern. Seit sieben Jahren schrieb er auf seinem Blog «Guerilla Radio» gegen Guantánamo an, gegen die US-Politik, gegen die Lega Nord, gegen Rassismus. Arrigonis Spitzname, so schreibt die «Repubblica», war «Utopia» – er war einer, der von einer anderen Welt träumte. Ein Missionar.
2008 reiste Arrigoni mit der Free Gaza Movement auf einem der Protestschiffe nach Gaza – und blieb. Arrigoni erlebte die israelische Offensive «Gegossenes Blei», die vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009 andauerte. Der Angriff kostete nach palästinensischen Angaben 1417 Menschen das Leben, darunter 926 Zivilisten. Israel sprach von 1166 Toten, davon 295 Zivilisten.
22 Tage lang vom Krieg berichtet
Der schnelle, heftige Angriff prägte Arrigoni nachhaltig. Ein Journalist des «Corriere della Sera» beschreibt, wie Arrigoni ihn anrief, noch bevor al-Jazeera den Beginn der Offensive gemeldet habe. «Er kontaktierte mich am frühen Morgen des 27. Dezember», schreibt Francesco Battistini. «Seine Stimme zitterte, und er schrie: ‹Ich bin zuhause, ich habe eine Explosion gehört...ich verstehe nicht, was los ist, alle verstecken sich...alles geht in die Luft...›.»
Von diesem Tag an, 22 Tage lang, seien die Gespräche mit Arrigoni zu festen täglichen Terminen geworden für jeden, der wissen wollte, was im Gaza-Krieg passierte. Arrigoni hatte seine Mission gefunden.
Von der Hamas skeptisch betrachtet
Von nun an nannte er sich Journalist, die Einträge auf seinem Blog, auch auf Facebook und Youtube nahmen zu. Er beendete jeden von ihnen mit der Zeile «Restiamo Umani, Vik da Gaza City» – lasst uns menschlich bleiben. Im März 2009 veröffentlichte er bei Manifestolibri ein Buch mit diesem Titel über den Gaza-Krieg. Er schloss sich dem International Solidarity Movement an und verliess Gaza fortan nur noch, um in verschiedenen europäischen Städten sein Buch vorzustellen.
In seinem Eifer schuf sich Arrigoni nicht nur Freunde. Im Oktober kritisierte er in einer öffentlichen Videobotschaft den italienischen Anti-Mafia-Helden Roberto Saviano, weil dieser bei einem Treffen von Israelis in Rom die Taten der israelischen Armee nicht verurteilt hatte. Eine Aktion, die unter linken Aktivisten in Italien umstritten war. «Vittorio hat immer klar gesagt, wo er steht», schreibt der Journalist des «Corriere della Sera». Auch die Hamas, die Gaza kontrolliert, betrachtete Arrigoni skeptisch, seit er auch sie für ihre teilweise radikalen Aktionen kritisierte.
Vittorio Arrigoni ist heute Morgen tot aufgefunden worden. Die Hamas-Regierung verdächtigt nach eigenen Aussagen die Extremistengruppe Monotheismus und Heiliger Krieg, Arrigoni umgebracht zu haben.
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