«Sie lügen wunderschön»
US-Präsident Obama hofft in der Syrien-Frage auf einen Schwenk Moskaus. Doch Russlands Präsident Putin verschärft viel eher den Ton. Syriens Nachbarn lancieren angesichts der Flüchtlingsströme einen Hilfsappell.

Unmittelbar vor dem G20-Gipfel in St. Petersburg hat Russland den Ton im Streit mit den USA über die Syrien-Krise verschärft. Präsident Wladimir Putin warf US-Aussenminister John Kerry vor, den Kongress in Washington über die Rolle der al-Qaida im Bürgerkrieg belogen zu haben.
«Er lügt, und er weiss, dass er lügt», sagte Putin in Moskau. «Es ist traurig.» Putin verwies auf Kerrys Aussage zur Rolle der al-Qaida im Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad. Der Minister habe auf Anfrage eines Abgeordneten erklärt, die al-Qaida sei nicht beteiligt. «Sie lügen natürlich wunderschön», sagte Putin.
Die Kämpfer der al-Qaida seien militärisch gesehen die wichtigste Säule des Aufstandes. Das wüssten auch die Amerikaner. Kerry war von einem Senator gefragt worden, ob es «im Wesentlichen wahr» sei, dass die syrische Opposition im Laufe der Zeit von der al-Qaida unterwandert worden sei. «Nein, das ist eigentlich im Wesentlichen nicht wahr. Es ist im Wesentlichen falsch», antwortete er.
Zuvor hatte Putin in einem Interview erklärt, Russland könne einem militärischen Einsatz mit UNO-Mandat zustimmen, sollten Beweise für einen Giftgas-Angriff der syrischen Regierung vorliegen. Allerdings betonte er seine Zweifel, dass hinter dem mutmasslichen Chemiewaffen-Einsatz Ende August die Assad-Regierung stehe. Putin wies darauf hin, dass auch die Rebellen als Verantwortliche für den Angriff infrage kämen.
Russland hat im UNO-Sicherheitsrat ein Veto-Recht und schützt damit seine Verbündeten in Damaskus vor Resolutionen.
Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
US-Präsident Barack Obama warb vor dem G20-Gipfel mit einem flammenden Appell an die internationale Gemeinschaft um Unterstützung für einen Militärschlag in Syrien. «Meine Glaubwürdigkeit steht nicht auf dem Spiel, sondern die der Weltgemeinschaft», sagte Obama am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt in Stockholm.
Seinen russischen Amtskollegen Putin rief er auf, in der Syrien-Frage umzudenken. «Das internationale Handeln wäre sehr viel effizienter, wenn Russland das Thema anders angehen würde», sagte Obama bei seinem etwa 24-stündigen Schweden-Besuch. Er hoffe weiter, dass Putin seine Haltung überdenke.
«Wir sind sehr davon überzeugt, dass Chemiewaffen angewandt wurden und dass Herr Assad die Quelle dafür ist», sagte Obama. Das zwinge die Weltgemeinschaft zum Handeln. Die vielfach zitierte «rote Linie» sei nicht von ihm, sondern von der Welt gezogen worden - schon vor vielen Jahren, als die internationale Gemeinschaft den Einsatz von chemischen Waffen geächtet habe, betonte der US-Präsident.
In Washington hatten Obama jüngst einflussreiche Republikaner und Demokraten im Kongress Unterstützung für einen Militärschlag gegen Syrien zugesagt. «Ich glaube, dass der Kongress zustimmen wird», äusserte sich der US-Präsident entsprechend zuversichtlich.
Die Spitzen des Auswärtigen Ausschusses im Senat hatten sich am Dienstag auf einen Entwurf für den Einsatzrahmen geeinigt. In dem Dokument wird ein Einsatz von Bodentruppen ausgeschlossen. Zudem soll ein Militäreinsatz in Syrien maximal 60 Tage dauern und nur unter bestimmten Bedingungen einmalig um 30 Tage verlängert werden können.
Dringender Hilfsappell
Das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und Syriens Nachbarländer haben derweil angesichts von zwei Millionen Menschen auf der Flucht einen dringenden Hilfsappell lanciert. Der kritische Punkt ist laut dem UNHCR schon seit langem überschritten.
Der Einsatz von Chemiewaffen habe den syrischen Konflikt noch einmal dramatisch zugespitzt. Die internationale Staatengemeinschaft müsse die Meinungsverschiedenheiten überwinden und sich gemeinsam für ein Ende der Gewalt einsetzen, forderten das UNCHR sowie die an Syrien grenzenden Länder Irak, Türkei, Jordanien und Libanon in einer gemeinsamen Erklärung.
Alle Handlungen, die zu Flüchtlingsströmen führten, müssten eingestellt werden. Die humanitäre Krise könne nur durch eine politische Lösung beendet werden.
Sein Land wisse nicht was tun, wenn im schlimmsten Fall noch einmal tausende Menschen aus Syrien nach Jordanien fliehen würden, sagte Aussenminister Nasser Judeh in Genf. Auch in Libanon sei die Lage «sehr alarmierend». Das demografische Gleichgewicht stehe auf dem Spiel, sagte der libanesische Sozialminister Wale Abu Faur. Andere Länder ausserhalb der Krisenregion sollten auch Flüchtlinge aufnehmen.
Flüchtlingslager unter türkischem Schutz
Bei einem weiteren grossen Flüchtlingsstrom aus Syrien sollte geprüft werden, ob nicht Lager in Syrien selbst erstellt werden sollten. Die Türkei wäre bereit, den Schutz solcher Flüchtlingslager zu übernehmen, sagte Aussenminister Ahmet Davutoglu. Die syrischen Flüchtlinge brauchten noch mehr Hilfe, ergänzte Iraks Aussenminister Hoshyar Zebari.
Anlässlich einer Ministerkonferenz am 30. September in Genf wird das UNHCR die Staatengemeinschaft auffordern, ihre Unterstützung für die Flüchtlinge und Syriens Nachbarländer massiv aufzustocken, wie der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, sagte.
SDA/kle
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