Italiens Regierung übersteht DramaShowdown im Senat – und Salvinis Hoffnung schwindet
Italiens Justizminister Alfonso Bonafede liess zu, dass Mafiosi in grosser Zahl aus der Haft entlassen wurden – wegen Corona. Nun überlebt er zwei Misstrauensanträge.

Italiens Politik folgt oft sonderbaren Drehbüchern. Improvisiert ist fast nichts, auch wenn es manchmal den Anschein hat. Am Mittwoch war wieder so ein Moment, von dem zumindest die Opposition um Matteo Salvini von der rechten Lega ein bisschen hoffte, er könnte sie urplötzlich zurück ins Spiel bringen: mit einem Regierungssturz – ausgerechnet in dieser schwierigen Zeit.
Man fand sich im Senat ein, um über das Schicksal des Justizministers zu befinden. Gegen Alfonso Bonafede, 43 Jahre alt, aus dem sizilianischen Mazara del Vallo, prominentes Mitglied von Cinque Stelle, waren gleich zwei, sehr unterschiedliche, Misstrauensanträge eingebracht worden. Alle wussten: Kommt einer davon durch, ist die Regierung am Ende. Und so war das Haus voll wie an ganz grossen Tagen, obschon die Umstände ja kompliziert waren: Abstandswahrung, Maskenpflicht. Auch Premier Giuseppe Conte war da.
Eine «brava persona»
Bonafede wird unter anderem vorgeworfen, dass unter seinen Augen nicht nur Tausende Kleinkriminelle kurz vor Ende ihrer Haft aus den heillos überfüllten Gefängnissen entlassen wurden, um dem Ausbruch von Corona zu wehren. Sondern auch Hunderte von Mafiosi, die von dieser Massnahme nicht hätten profitieren sollen. Sogar drei grosse Bosse waren dabei, alle drei betagt und krank. Die Empörung in Volk und Medien war gross. Der Justizminister entscheidet zwar nicht über Hafterleichterungen, dafür gibt es Strafvollzugsrichter. Und niemand bezichtigt Bonafede, er sei ein Komplize der Mafia. Letztlich trägt der Justizminister aber doch die politische Verantwortung.
Gleich mehrere Senatoren nannten ihn eine «brava persona», einen netten Menschen. Im vermeintlichen Lob steckte der wahre Vorwurf: Viele halten Bonafede insgesamt für eine Fehlbesetzung, für ein Leichtgewicht in einem schweren Ressort. In anderen Zeiten wäre er schon längst gefallen.
«Mein Auftritt heute im Senat ist einer der schwierigsten in meiner politischen Karriere.»
Entscheidend war mal wieder Matteo Renzi, der frühere Premier, und seine kleine Partei Italia Viva. Ohne ihre 17 Senatoren bringt es Conte nicht auf eine Mehrheit in der kleinen Kammer, und das lässt Renzi ihn gerne spüren. Ein ständiges Machtspiel. Kurz vor der Sitzung postete Renzi auf Facebook: «Mein Auftritt heute im Senat ist einer der schwierigsten in meiner politischen Karriere.» Bricht er tatsächlich? Jetzt?
Die Nachrichtensender übertrugen live – auf den Rängen der Lega wuchs die Hoffnung. Und Renzi, gut gelaunt und braun gebrannt, wartete die lange Rechtfertigung des Ministers ab, baute sich dann hinter dem Mikrofon auf, erinnerte an den Mafiajäger Giovanni Falcone, erzählte von den vielen Anwürfen von Cinque Stelle gegen sich und seine Familie – und verschonte Bonafede. Man reiche ihm da eine Rachemöglichkeit auf einem Silbertablett, sagte Renzi, aber er verzichte grossmütig. Für das Wohl der Nation sozusagen. Beide Misstrauensanträge fielen durch, obschon die Lega bei beiden Ja gestimmt hatte.

In der Politik ist Grossmut selten umsonst. Man hört, Conte habe Italia Viva Kommissionsposten angeboten und Reformen versprochen. Wahrscheinlich wird man nun etwas ruhiger miteinander regieren. Für Salvini ist das eine schlechte Nachricht – eine von vielen. Seine persönliche Gunst im Volk schwindet in der Krise. Gemäss jüngsten Umfragen steht er nun bei 29 Prozent, während Conte noch immer 59 Prozent der Italiener hinter sich weiss.
Der Protest ist verschoben
Salvini leidet darunter, dass er nicht mehr öffentlich auftreten darf: Die Piazza ist sein liebstes Biotop. Am kommenden 2. Juni, dem Nationalfeiertag, wollten alle rechten Parteien im Land gegen die Regierung und deren Krisenmanagement protestieren. Die Erlaubnis dazu hatten sie, mit den üblichen Auflagen. Nun aber sagt Salvini, man verschiebe alles auf Juli, das sei sicherer.
Der Zeitpunkt ist aber vor allem politisch nicht der günstigste. Nun schickt sich ja sogar die angefeindete Europäische Union an, Italien massiv zu helfen. Mit vielen Milliarden für den Wiederaufbau, vielleicht sogar ganz ohne Rückerstattungspflicht. Das macht das Opponieren der Nationalisten schwierig – und das Protestieren auf der Piazza.
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