Seltsame Transfers machen stutzig
Salzburg und Leipzig – beide Red-Bull-Clubs wollen in die Champions League. Das Reglement verbietet dies aber wohl. Nun bricht Hektik aus.
Mit jedem Sieg steigt die Nervosität. Und die Anspannung – bei den Ligen, dem Fussballverband Uefa und den beiden Clubs. Red Bull Salzburg und Rasenballsport Leipzig sind auf dem besten Weg, sich für die Champions League zu qualifizieren, Salzburg als Meister in Österreich und Leipzig als sensationeller Bundesliga-Aufsteiger gleich hinter Bayern München.
Statt Vorfreude auf die lukrative Königsklasse herrscht aber sorgenvolle Hektik. Aus nachvollziehbarem Grund: Werden die Regeln der Uefa so konsequent ausgelegt, wie Experten und Kritiker fordern, kann nur eine der zwei Mannschaften an der Champions League teilnehmen – weil beide vom Getränkeriesen Red Bull kontrolliert sind. Neu ist die Problematik nicht, ein Bericht von «Sport Inside» im Westdeutschen Rundfunk (WDR) zeigte die Verstrickungen der beiden Clubs nun aber deutlich auf.
Fussballfans weltweit hassen das Imperium Red Bull wegen seiner aggressiven Marketingstrategie. Zunächst ausschliesslich im Fun- und Extremsportbereich tätig, hat Red Bull seine Aktivitäten im vergangenen Jahrzehnt zunehmend auch auf den Profi- und Teamsport ausgeweitet.
So ist die Red Bull GmbH Eigentümerin von Bundesligist RB Leipzig und Hauptsponsor von Red Bull Salzburg. Das Unternehmen hatte den österreichischen Serienmeister einst ebenfalls besessen, ihn später aber abgegeben, auch ist der frühere Sportdirektor Ralf Rangnick heute nicht mehr für beide Clubs zuständig, sondern nur noch für Rasenballsport Leipzig. Und trotzdem: Dass in Salzburg Entscheide getroffen würden, die nicht der Unternehmensstrategie entsprechen, scheint ausgeschlossen. Kritiker sprechen gar von einem Farmteam-System. Ein klarer Verstoss gegen die Uefa-Regularien.
Artikel 5 des Reglements über die Integrität der europäischen Wettbewerbe besagt: «Niemand darf gleichzeitig, direkt oder indirekt, in irgendeiner Funktion oder mit irgendeinem Mandat an der Führung, der Verwaltung und/oder den sportlichen Leistungen von mehr als einem teilnehmenden Verein beteiligt sein.» Und: «Niemand darf Kontrolle über oder Einfluss auf mehr als einen teilnehmenden Verein haben.» Diese Regeln sind im vergangenen Jahr verschärft worden – angeblich wegen Red Bull.
Die Uefa will sich erst nach Saisonende zur Problematik äussern. Für Rechtsanwalt Thomas Dehesselles, Experte im Gebiet Sportrecht, ist allerdings klar: «Solange Personalunion in den Führungsgremien besteht, kann die Uefa nicht beide Clubs zulassen.» Dem Verband sei die Integrität seines wichtigsten Wettbewerbes zu wichtig, gerade auch aus Rücksicht auf die Sponsoren.
Mit der Konkurrenz gespielt
Es sind vor allem Spielerwechsel zwischen den Clubs Leipzig und Salzburg, die stutzig machen. Und die Konkurrenz verärgern. So zitiert «Sport Inside» als Kronzeugen den Deutschen Andreas Müller, bis im vergangenen November Sportdirektor von Salzburgs Ligakonkurrent Rapid Wien. Müller sagt: «Was Red Bull macht, ist nicht in Ordnung. Das ist absolut nicht regelkonform.»
Konkret geht es um den Transfer von Marcel Sabitzer im Sommer 2014 von Rapid zu Leipzig. Sabitzer, damals ein Talent im österreichischen Fussball und heute Nationalspieler, hatte eine Klausel in seinem Vertrag, wonach er nur ins Ausland wechseln darf – aus Furcht vor einem Wechsel zum Rivalen in der österreichischen Bundesliga. Also bemühte sich stattdessen Leipzig um Sabitzer. Und parkierte ihn danach umgehend leihweise in Salzburg.
Heute spielt Sabitzer in Leipzig – wie neun andere frühere Salzburger. Wie der brasilianische Verteidiger Bernardo etwa. Dieser wechselte im vergangenen August nach Deutschland, an einem Sonntag – wenige Stunden vor einem Spiel der Salzburger. Trainer Oscar schäumte. Und Gernot Zirngast, Vorsitzender der Spielergewerkschaft in Österreich, sagt gegenüber «Sport Inside», was alle dachten: «Dieser Entscheid wurde in Leipzig und nicht in Salzburg getroffen.» Entblössend war, wie Leipzig-Sportdirektor Rangnick freimütig preisgab, dass über die Ablösesumme erst noch diskutiert werden müsse. Ein in der Branche vollkommen unübliches Vorgehen.
Verzweifelte Suche nach Sponsoren
Es festigte den Farmteam-Vorwurf. Wie auch der Transfer von Dayot Upamecano – der 18-jährige Franzose kam diesen Winter von Salzburg nach Leipzig und kostete 10 Millionen Euro. Oder jener von Naby Keita – der 22-jährige Guineer brachte Salzburg 15 Millionen ein. Was in der englischen Premier League marktgerechte Preise wären, grenzt bei einem Transfer aus Österreich zum Bundesliga-Aufsteiger an Wucher.
Oder es ist eine Finanzspritze, je nach Sichtweise, schliesslich kommt Red Bull Salzburg vor allem dank der Transfererlöse nicht mit dem Financial Fairplay der Uefa ins Gehege. Dieses besagt, dass ein Sponsor nicht mehr als 30 Prozent des Jahresbudgets aufbringen darf. Der Verdacht liegt nahe, dass Red Bull seinen Anteil mit künstlich aufgeblähten Transfersummen erhöht. Andere Sponsoren findet der Club kaum. Obschon er laut dem Report vorab in Salzburg derzeit verzweifelt danach sucht.
Fragen wirft auch die Personalie Oliver Mintzlaff auf. Der einstige Langstreckenläufer ist seit 2014 Head of Global Soccer von Red Bull, weltweiter Fussballdirektor des Unternehmens also – in Österreich besitzt dieses mit dem FC Liefering, in den USA mit New York Red Bulls und in Brasilien mit Red Bull Brasil weitere Teams. In enger Zusammenarbeit mit Ralf Rangnick legt Mintzlaff die Strategie fest. Seit 2016 ist er ausserdem Vorstandsvorsitzender von Rasenballsport Leipzig.
Drehgenehmigung verweigert
Ob und wie weit er beide Fussballclubs kontrolliert, will der Konzern gegenüber «Sport Inside» nicht sagen. Selbst hatte Mintzlaff einst betont, in Salzburg nicht mehr operativ tätig zu sein. Dem widerspricht allerdings Andreas Müller. Der Vorgänger von Fredy Bickel bei Rapid Wien sagt klar: «Mintzlaff ist für beide Vereine zuständig.» Und glaubt: Nun, da beide Clubs an die Pforte der Champions League schlagen, sei die Nervosität im Imperium wohl gross. Gar nicht, findet Red Bull selbst. Die Recherche sei falsch und irrelevant für die Uefa, richtet es aus. Man sehe der Entscheidung gelassen entgegen.
Wirklich? Eine andere Sprache spricht die verweigerte Drehgenehmigung, mit der sich das TV-Team des WDR auf dem Vereinsgelände in Salzburg konfrontiert sah. Und dabei werden die Verstrickungen auf einmal ganz durchsichtig: Man hätte sich dafür vorgängig an Oliver Mintzlaff in Leipzig wenden müssen, hiess es.
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