Frankfurter BuchmesseSelenski redet der Buchbranche ins Gewissen
Der ukrainische Präsident schaltete sich per Videobotschaft an der Buchmesse in Frankfurt zu, mit eindringlichen Worten.

Auf Einladung des Europäischen Verlegerverbandes der Frankfurter Buchmesse, die bei ihrer ersten postpandemischen Ausgabe tief unter dem Eindruck des Ukrainekriegs steht, schickte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski am Donnerstagmittag in den «Saal Harmonie», den grössten Veranstaltungsraum des Frankfurter Congress Centers, eine rund vierminütige kämpferische Videobotschaft. Ein Ereignis, das es in der Geschichte der Buchmesse noch nie gegeben hat.
Im dunkelgrünen Militär-T-Shirt hinter einem grossen Schreibtisch sitzend, bedauerte Selenski, dass es im Westen immer noch zu viele Menschen gebe, denen es bei diesem Konflikt vor allem auch darum gehe, Russland zu verstehen.
Das, so Selenskij, beruhe jedoch auf einem «Mangel an Wissen» darüber, was tatsächlich geschehe, wie sich Russland anmasse, nicht nur in der Ukraine darüber zu entscheiden, «wer leben darf und wer sterben soll». Die im Saal versammelten Verlagsleute, Buchbranchen-Vertreter und Journalisten bat er: «Bitte, erzählen Sie weiter davon. Tun Sie alles, was Ihnen möglich ist, damit die Europäer wissen, wie viele Menschen schon ihr Leben verloren haben, oder für die Rechte und den einfachen Respekt kämpfen, der für Sie alle von Ihrer Geburt an selbstverständlich ist.»
«Sie müssen wissen, dass die Freiheit wehrhaft ist.»
Die Branche müsse einerseits Bücher über die veröffentlichen, die den Terror unterstützten und Europa gezielt schwächen wollten. Andererseits seien auch Geschichten vom «Sieg der Freiheit» wichtiger denn je: «Die Leute müssen sie kennen! Sie müssen wissen, dass die Freiheit wehrhaft ist, auch wenn das viele nicht glauben wollen. So wehrhaft wie die Ukraine gegenüber Russland.»
Die Europäer, so Selenski, dürften nicht vergessen, dass sich Mörder und Kriegsverbrecher am Ende vor Gericht verantworten müssten, selbst wenn sie mächtig und einflussreich seien: «Erinnern Sie die Leute daran!» Dank des Wissens, das so entstehe, würden sie verstehen, dass die, die sich jetzt des Genozids und der Kriegsverbrechen schuldig machten, dereinst für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen würden: «Wissen ist die Antwort. Die Antwort für die, die Angst haben, für die, die manipulieren und für die, die hoffnungslos sind. Bücher, Dokumentationen, Artikel, Reportagen sind die Antwort.»
Schliesslich lud er alle Publizisten in die Ukraine ein, damit sie sähen und erlebten, was sein Volk durchmache: «Bezeugen Sie es und erzählen Sie davon!» Ähnliches könnte, solange Terrorstaaten existieren, anderen europäischen Nationen eines Tages auch bevorstehen: «Lassen Sie uns versuchen, zusammen mehr zu tun, als unsere Feinde gegen uns tun können. Lang leben Europa! Lang lebe die Freiheit! Glory to Ukraine!»
Zwei Themen beherrschen die Messe: die existenzbedrohend gestiegenen Papierpreise – und der Krieg in der Ukraine.
Die eindringlichen Worte des ukrainischen Präsidenten, nach denen es langen Applaus im Stehen gab, waren bislang der politische Höhepunkt der Messe. Die Gespräche und Stimmung in den Hallen und bei den Empfängen in der Stadt beherrschen bislang vor allem zwei Themen: die existenzbedrohend gestiegenen Papierpreise – und der Krieg in der Ukraine.
Ganz im Sinne Selenskis hatten schon bei der Eröffnungsveranstaltung der Messe am Dienstag die Redner, unter ihnen der hessische Ministerpräsident Boris Rhein, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der spanische König Felipe VI., an die Herausforderung an die Macht und Verantwortung des Wortes, die die aktuelle Situation bedeute, erinnert.
Bei seiner Rede nach der Botschaft Selenskis wies der anwesende Präsident des ukrainischen Verlegerverbandes, Oleksander Afonin, noch daraufhin, dass sich bislang kein russischer Verlag gegen den Krieg ausgesprochen habe. Was das Büchermachen betreffe, sei die Branche im Land fest entschlossen weiterzumachen, dabei aber auf Hilfe und Spenden angewiesen.
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