Sein wunder Punkt
Klaus Schwab droht Davos beleidigt mit dem Wegzug des World Economic Forum. Dabei geht es um Eitelkeit als Geschäft, was auch Gefahr birgt, wie ein Blick nach Amsterdam zeigt.

«Negative Erlebnisse machen schnell die Runde», sagte Klaus Schwab, der Gründer des World Economic Forum (WEF), letztes Wochenende. Gleich zweimal sei er beschimpft worden, als er in Davos in einem Halteverbot gehalten habe, erzählte er. «Wäre ich zum ersten Mal da gewesen, ich wäre sofort wieder abgereist.»
Schwabs Folgerung: Die Davoser bräuchten «die richtige Einstellung zur Gastfreundschaft». Sonst könne das Forum auch abwandern.
Die Warnung kommt von einem Könner. Die «Financial Times» hat Schwab nicht umsonst ein «Weltklassetalent in Sachen Schmeichelei» genannt. Zwar mahnt er Wirtschaft und Politik gern. Aber immer nur allgemein. Die einzelnen Chefs überhäuft er mit Komplimenten wie ein defekter Seifenspender.
Wie automatisch er das tut, zeigte ein Dokumentarfilm: Als Schwab da irgendwo in Afrika seiner Limousine entstieg, griff er sich die Hand eines Kindes, drehte sich in die Kamera und sagte: «He became a friend now.»
Schwabs Schwäche ist, dass Schmeichelei keine Einbahnstrasse ist. So berühmt Schwab für seine Bauchpinseleien ist, so berüchtigt ist seine Sucht nach Komplimenten, Ehrungen, immer neuen Superlativen. Kein Wunder, hängt neben der Küchentür des Luxushotels Belvédère sein Foto mit der Schrift: «Jeder Mitarbeiter kennt ihn und grüsst ihn mit Namen: Klaus Schwab!»
Diesem Talent verdankt er ein grosses Werk: die vielleicht bedeutendste Konferenz der Eitelkeit dieses Planeten. Aber es ist auch der wunde Punkt seiner Organisation.
Amsterdamn!
Wie das WEF zu treffen ist, hat die holländische Kulturagentur Bilwet unter dem Titel «Das Konzept Imagebeschmutzung» beschrieben: am Beispiel der Kampagne gegen Amsterdams Olympiakandidatur.
Der Bürgermeister wollte mit der Kandidatur das Image der Stadt heben und deren Sanierung vorantreiben. Eine Riesenwerbeagentur wurde angeheuert, Millionen investiert. Die Kampagne hatte einen Schwachpunkt: Sie musste durch und durch positiv sein. Das gestattete den Gegnern, alles Negative zu nutzen. Und mit fast keinem Aufwand Schlagzeilen in der Weltpresse zu machen.
Dazu genügten ein paar Akte des Wahnsinns: Ein Touristenboot wurde mit Farbe, Sportfunktionäre mit Eiern beworfen. Das Auftreten der Offiziellen wurde gnadenlos kopiert: Als Amsterdam allen Delegierten des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) Früchtekörbe schenkte, schickten die Gegner ihnen «die wahre Spezialität der Stadt»: ein Tütchen Marihuana. Und als irgendjemand eine Satellitenschüssel sprengte, entschuldigte sich die bürgerliche Chefin des Nein-Komitees nicht. Sondern thematisierte «mögliche Anschläge bei den Spielen».
Schliesslich, nach zweijährigem Kleinkrieg, wurden Busladungen von Punks zur Abstimmung nach Lausanne gekarrt: wo diese zwei Tage lang Polizei und IOK schockierten. Amsterdam schied im ersten Wahlgang mit 5 von 130 Stimmen aus. Zu Hause randalierten zur Abwechslung die Anhänger des Bürgermeisters und versuchten, die Olympiagegner zu verprügeln.
Denn das ist die Schwäche jeder Organisation, die – wie Schwab – von einer ganzen Stadt «die richtige Einstellung» verlangt: Im Prinzip würde ein Dutzend Leute genügen, die vier Tage gezielt WEF-Gäste beleidigen, um das vom Militär gesicherte Forum aus Davos zu vertreiben.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch