
Maksym Kovalenko kramt in einer Papiertüte und bringt eine Taschenlampe zum Vorschein. Es ist keine gewöhnliche Lampe, sondern eine, wie sie auch zum Prüfen von Geldscheinen oder Pässen verwendet werden kann: Sie sendet UV-Licht aus. Damit bestrahlt er kleine Reagenzgläser auf dem Tisch, in denen transparente Gele stecken. Unter dem UV-Licht der Taschenlampe leuchtet jedes Gel in einer anderen reinen, strahlenden Farbe auf.
Was da so brillant leuchtet, ist eine Entwicklung von Kovalenko, für die der Chemieprofessor der ETH Zürich kürzlich mit dem Rössler-Preis ausgezeichnet wurde. Der mit 200'000 Franken Forschungsgeld dotierte, jährlich vergebene Preis wurde 2008 vom ETH-Alumnus Max Rössler gestiftet, um junge ETH-Forschende zu unterstützen. Der aus der Ukraine stammende Kovalenko ist 36 Jahre alt. Vor vier Jahren entwickelte er die hinter den unglaublich satten Farben steckende Technologie. Sie verspricht unter anderem heller und farbenprächtiger leuchtende Bildschirme, die auch noch deutlich kostengünstiger und energieeffizienter sein sollen als heutige Modelle.
Kovalenko giesst Mineralwasser in zwei Gläser, setzt sich und erklärt Schritt für Schritt, was es mit den Farben auf sich hat. Im Grunde handle es sich um winzige Kristalle aus halbleitendem Material, ähnlich dem, das auch in Halbleiterchips für Computer zum Einsatz kommt. Die einzelnen Kristalle sind nur wenige Nanometer gross, also zigtausendmal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Das Spezielle daran: Ein solcher Nanokristall besteht zwar aus einigen Hundert bis Tausend Atomen, er verhält sich aber wie ein einzelnes künstliches Atom. In der Fachwelt werden diese Nanokristalle als «Quantenpunkte» bezeichnet.
Designte Kunst-Atome
Wie bei normalen Atomen nehmen die Elektronen auch bei diesen künstlichen Atomen gewisse Energieniveaus ein. Wird ein Quantenpunkt zum Beispiel mit UV-Licht angeregt, wird ein Elektron auf ein höheres Energieniveau gehoben. Fällt das Elektron wieder auf ein tieferes Niveau zurück, strahlt der Quantenpunkt Licht einer entsprechenden Wellenlänge ab. Aber im Gegensatz zu einem normalen Atom lässt sich das künstliche Atom nach Belieben designen: Über die Grösse und die chemische Zusammensetzung des Nanokristalls können die Forscher die Farbe des abgestrahlten Lichts steuern.

An sich sind leuchtende Quantenpunkte nicht neu. Manche finden sich sogar bereits in LCD-Displays. Aber die bisherigen Quantenpunkte mussten aufwendig mit Atomen einer anderen Sorte ummantelt werden, damit sie zum Leuchten gebracht werden können. Kovalenko hat entdeckt, dass Quantenpunkte aus gewissen Kristallen, den sogenannten Metall-Halogenid-Perovskiten, auch ohne Ummantelung leuchten und auf diese Weise viel einfacher herzustellen und leichter zu handhaben sind. Diese Nanokristalle haben sich auch als sehr effiziente Licht-Emittenten entpuppt: Jeder dieser neuartigen Quantenpunkte sendet bis zu 10 Milliarden einzelne Lichtteilchen pro Sekunde aus. Das ist viele Grössenordnungen mehr als frühere Quantenpunkte. Daher die hohe Brillanz der Farben. «Unsere Quantenpunkte leuchten in den reinsten Farben, reiner als jene, die man bisher kannte», sagt Kovalenko.
Man kann die zunächst als Pulver vorliegenden Quantenpunkte in einer Flüssigkeit lösen. Dann leuchtet diese unter UV-Licht. Oder man bringt sie in ein Polymer ein, dann erhält man einen leuchtenden Kunststoff. «Man bräuchte nur ein paar Milligramm dieser Quantenpunkte, um das Display eines Fernsehers heller und farbintensiver zu machen», sagt Kovalenko. Bereits in ein bis drei Jahren, meint der Chemiker, könnten entsprechende, viel effizientere LCD-Displays auf den Markt kommen. Interessant sei das von den Quantenpunkten abgestrahlte Licht auch für die Informationstechnologie – etwa zur abhörsicheren Verschlüsselung von Daten mit quantenphysikalischen Methoden. Aber dafür sei noch einiges an Grundlagenforschung nötig.
Kinderbuch über Chemie
Kovalenko wurde im Süden der Ukraine geboren – dort, wo der Fluss Dnepr ins Schwarze Meer mündet. «Eine landschaftlich sehr reizvolle Region.» Vater und Mutter sind Ärzte, er ein Einzelkind. Als er sechs Jahre alt war, zog die Familie in die Nähe der Stadt Czernowitz im Westen der Ukraine. «Im Alter von zwölf Jahren fand ich in der örtlichen Bibliothek ein Buch über anorganische Chemie für Kinder», sagt Kovalenko. «Das hat mir gezeigt, dass Chemie hinter vielen Phänomenen steckt, die wir tagtäglich beobachten.» Von nun an war klar, was er wollte: Chemie studieren.
Ab dem Alter von 14 Jahren nahm er an Chemieolympiaden teil. Mehr als der Wettstreit an sich hat ihm gefallen, dass er Fachliteratur lesen konnte, die weit über den Inhalt der Schulbücher hinausging. «Ich musste in die Universitätsbibliothek gehen, um Bücher zu bekommen, mit denen ich die Probleme lösen konnte», sagt Kovalenko. «Bereits als Teenager wusste ich mehr als ein gewöhnlicher Chemiestudent. Das empfand ich schon als recht cool.»
«Früher habe ich fast professionell Schach gespielt. Aber dafür habe ich leider keine Zeit mehr.»
Chemie studiert hat er dann in Czernowitz. 2004 ging er für die Doktorarbeit nach Linz. Nach einem Aufenthalt als Nachwuchsforscher an der University of Chicago wechselte er 2011 als Assistenzprofessor an die ETH Zürich. Dort leitet er als ausserordentlicher Professor die Gruppe für Anorganische Funktionsmaterialien im Departement Chemie und angewandte Biowissenschaften. Er lebt mit seiner Frau – einer Chemikerin, die an der Empa in Dübendorf arbeitet – und der 14-jährigen Tochter in Zürich. Sein Heimatland würde er gerne politisch näher bei Europa sehen, sagt Kovalenko. Er weist auf eine grosse Weltkarte an der Wand seines Büros. «Nicht nur die Ukraine, sondern mindestens bis zum Ural gehört eigentlich alles zu Europa. Aber davon sind wir weit entfernt. Es sind die falschen Personen an der Macht.»
Die Tätigkeit an der Spitze der Wissenschaft empfindet Kovalenko, was den Zeitbedarf, die mentale Energie und die körperliche Leistung anbelangt, als sehr fordernd. «Seit einigen Jahren mache ich etwas für meine Fitness, um diese Anforderungen besser bewältigen zu können. Was ich an Freizeit finden kann, teile ich auf zwischen Familie und Sport.» Er gehe joggen und schwimmen. Am Türrahmen in seinem Büro hat er eine Reckstange installiert. «Früher habe ich auch fast professionell Schach gespielt. Aber dafür habe ich leider keine Zeit mehr.»
Mit dem Geld des Rössler-Preises möchte Kovalenko Studenten und Doktoranden unterstützen, die zu den Quantenpunkten forschen und Ideen haben, «die interessant, aber mit einem grossen Risiko behaftet sind». Es sei oft schwierig, für solche riskanten, aber verheissungsvollen Vorhaben Forschungsgelder aufzutreiben. Da komme der Rössler-Preis wie gerufen.
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Sein Forschungsziel: Farbenpracht
Chemieprofessor Maksym Kovalenko von der ETH Zürich hat leuchtende Nanokristalle entwickelt. Sie versprechen farbintensivere Bildschirme. Dafür erhielt er einen Preis.