Sechs Vorschläge, wie das Rahmenabkommen gerettet werden könnte
Der Bundesrat sollte den vorliegenden Vertrag mit der EU nicht unterschreiben – aber den Mut für Neuverhandlungen aufbringen.

In der jetzigen Form hat das Institutionelle Rahmenabkommen (InstA) mit der EU keine Chance. Die Linke lehnt es ab wegen des unbefriedigenden Lohnschutzes, die SVP wegen des Souveränitätsverlusts. Aber auch viele Bürgerliche, die grundsätzlich europafreundlich sind, können dem vorliegenden Entwurf nicht zustimmen. Denn es gibt sechs gravierende Schwachstellen, die in einer Neuverhandlung verbessert werden müssten:
- Was passiert, wenn es Streit gibt? Also was passiert, wenn die Schweiz eine EU-Bestimmung nicht nachvollziehen will? So wie das ausgehandelt ist, würde ein Schiedsgericht einberufen. Wenn es um EU-Recht geht, dann würde dieses wiederum den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen und um seine Meinung fragen. Das Urteil des EuGH wäre dann für das Schiedsgericht verbindlich. Hält sich die Schweiz nicht an das Urteil, dann kann die EU angemessene Strafmassnahmen beschliessen oder die Verträge kündigen. Damit unterstellt sich die Schweiz indirekt den Urteilen des EuGH. Das liesse sich anders lösen, indem man das Schiedsgericht nur die Angemessenheit der Ausgleichsmassnahmen beurteilen lässt. Das wäre für beide Seiten von Vorteil, denn das Schiedsgericht würde nicht EU-Recht auslegen, dies bleibt die alleinige Kompetenz des EuGH. Aber in einem derart vereinfachten Verfahren hätte der EuGH keine direkte Rolle mehr, und es gäbe aus Schweizer Sicht keine «fremden Richterinnen», die wir akzeptieren müssten – womit ein berechtigter Kritikpunkt der SVP entfiele.
- Die erweitere Guillotine-Klausel muss weg. Es kann nicht sein, dass, wie vorgesehen, infolge einer jederzeit möglichen einseitigen Kündigung des InstA durch die EU die sieben bestehenden bilateralen Abkommen sowie der Schengener Vertrag und alle zukünftigen Marktzugangsabkommen einfach wegfallen würden. Es ist unverständlich, dass die Schweizer Unterhändlerinnen einer solchen Regelung zugestimmt haben, welche der EU eine ungeheure Macht gibt, denn ist das Volk künftig nicht willig, alles mitzumachen, was unsere Partnerin will, werden wir mit dem totalen Vertragsentzug bestraft. Das ist mit der direkten Demokratie nicht vereinbar.
- Die ergänzende Erklärung beider Vertragspartnerinnen, wonach drei Jahre nach Inkrafttreten eine Totalrevision des bestehenden Freihandelsabkommens (FHA) von 1972 erfolgen soll, muss gestrichen werden. Das FHA hat per se mit einem InstA nichts zu tun. Mit dieser unnötigen Absichtserklärung wird nur Rechtsunsicherheit geschaffen, da niemand weiss, ob eine solche Neuverhandlung Erfolg hat und was passiert, wenn sie scheitert.
- Es sollte im revidierten InstA klar und deutlich festgehalten werden, dass am bestehenden Lohnschutz in der Schweiz nicht gerüttelt wird. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Zustimmung der Gewerkschaften und der SP zum Rahmenabkommen. Allenfalls könnten gewisse Meldefristen etwas verkürzt werden, damit sollten die Linken leben können.
- Das Kapitel über die Kontrolle der Staatshilfen der Schweizer Kantone sollte gestrichen werden. Diese haben mit einem institutionellen Rahmenabkommen nichts zu tun. Es besteht schon im Freihandelsabkommen von 1972 eine Handhabe, um gegen unfaire Staatshilfen beider Vertragspartnerinnen vorzugehen.
- Es muss explizit festgehalten werden, dass die Schweiz die Unionsbürgerrichtlinie der EU nicht übernehmen muss. Bei uns sind die Bezüge viel höher als in der EU, dafür ist der Kündigungsschutz viel weniger ausgebaut. Wenn es für EU-Bürgerinnen quasi sofort möglich ist, in der Schweiz Arbeitslosengeld zu beziehen, führt das zum Kollaps des Systems. Als unabhängiges Drittland kann die Schweiz nicht dazu verpflichtet werden, Exzesse der EU-Sozialpolitik mitzutragen.