Schwerbewaffnete Bürger sorgen in Ägypten für Ruhe
Die Lage in den Strassen Kairos hat sich über Nacht etwas entspannt. Dafür sorgen auch Bürgermilizen, die ihre Wohnviertel mit Macheten und Schlagstöcken verteidigen.
Nach den Massenprotesten der vergangenen Tage hat sich die Lage in der ägyptischen Hauptstadt Kairo am Montagvormittag etwas entspannt. Polizei und Müllabfuhr waren in den Strassen zu sehen, U-Bahn-Stationen öffneten wieder. In der Nacht hatten Soldaten und mit Schlagstöcken und Macheten bewaffnete Freiwilligengruppen in vielen Stadtbezirken für Ruhe gesorgt.
Ein Vertreter der Muslimbruderschaft sagte der Nachrichtenagentur AP, die fundamentalistische Bewegung wolle gemeinsam mit Friedensnobelpreisträger Mohamed al-Baradei ein Komitee von Oppositionsgruppen gründen, um die verschiedenen Organisationen zu einen, die den Sturz von Präsident Hosni Mubarak fordern. Saad el Katatni sagte am Montag, die Bruderschaft habe al-Baradei nicht als ihren Repräsentanten gewählt.
al-Baradei macht den Demonstranten Mut
Al-Baradei, der nach seiner Rückkehr nach Ägypten unter Hausarrest gestellt worden war, sprach am Sonntag auf dem zentralen Tahrir-Platz über ein Megafon zu den Demonstranten. «Euch gehört diese Revolution. Ihr seid die Zukunft», sagte er. Vor Beginn des Ausgehverbots um 16 Uhr waren auf dem Tahrir-Platz - zu deutsch Platz der Befreiung - rund 10'000 Menschen, auch danach hielten sich dort noch mehrere Tausend auf. Die wichtigste Forderung des Protests sei das Ende des Regimes und «der Beginn eines neuen Ägyptens, in dem jeder Ägypter in Rechtschaffenheit, Freiheit und Würde leben kann». Der frühere Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hatte sich in den vergangenen Tagen als Führer einer Übergangsregierung angeboten.
Am Sonntagabend fiel eine starke Präsenz frommer Muslime auf dem Platz auf. Ein Führer der Muslimbruderschaft, Essam el Erian, sagte einem Fernsehsender, die Bruderschaft wolle mit den Streitkräften einen Dialog aufnehmen. Er bezeichnete das Militär als «Beschützer der Nation». Bei Sonnenuntergang beteten hunderte Demonstranten auf dem Platz. Die Muslimbruderschaft hat erklärt, sie akzeptiere eine Führungsrolle al-Baradeis bei der Protestbewegung gegen Mubarak. Inzwischen scheint sie bei den Kundgebungen eine prominentere Rolle anzustreben, nachdem sie sich in den ersten Tagen in der Öffentlichkeit sehr zurückgehalten hatte.
Nach der Schliessung seiner Büros in Kairo bat der arabische Fernsehsender al-Jazeera um Unterstützung aus der Bevölkerung. Der Sender forderte die Ägypter am Montag auf, Blog-Beiträge, Augenzeugenberichte und auch Videoaufnahmen einzureichen, um die Berichterstattung über die Proteste gegen Präsident Hosni Mubarak zu ergänzen.
Die ägyptischen Behörden hatten am Sonntag die Büros von al-Jazeera in Kairo geschlossen mit der Begründung, die Berichterstattung neige den Demonstranten zu und könne zu weiteren Unruhen führen. Der Sender sprach von einem Versuch, die freie Berichterstattung zu unterbinden. Er setzt nun auf die Bilder aus fest installierten Kameras und Augenzeugenberichte, die per Telefon durchgegeben werden.
Clinton fordert «geordneten Übergang»
Mubaraks Position nach 30 Jahren an der Macht wurde von einer offenkundigen Abkehr der USA von ihrem langjährigen Verbündeten weiter geschwächt. US-Aussenministerin Hillary Clinton forderte in Fernsehinterviews einen «geordneten Übergang zur Demokratie». Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte demokratische Reformen und ein Ende der Gewalt gegen Demonstranten. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu zeigte sich über die Lage im Nachbarland besorgt.
Angesichts der unsicheren Lage empfahlen mehrere Staaten ihren in Ägypten weilenden Bürgern, das nordafrikanische Land zu verlassen. Die US-Botschaft kündigte am Sonntagabend an, sie werde vom (heutigen) Montag an Flüge «zu sicheren Orten in Europa» organisieren. Ein US-Charterflug wurde am Vormittag auf Zypern erwartet. Auch das Auswärtige Amt in Berlin gab neue Sicherheitshinweise heraus und riet von Reisen nach Kairo, Alexandria und Suez sowie in die urbanen Zentren im Landesinneren und der Nilmündung ab. Neben den USA gingen Kanada, die Schweiz und die Türkei einen Schritt weiter und legten ihren sich in Ägypten aufhaltenden Staatsbürgern die Ausreise nahe.
Moody's senkt Prognose für Ägypten
Die Ratingagentur Moody's stufte die Kreditwürdigkeit Ägyptens unterdessen auf den Wert Ba2 herab, die Prognose wurde von stabil auf negativ gesenkt. In der vergangenen Woche hatte bereits die Ratingagentur Fitch ihre Prognose für Ägypten herabgestuft.
SDA/mrs
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