Schweizer Grossbanken zittern um sechs Milliarden Franken
Italiens Wirtschaft steht bei den Schweizer Spitzeninstituten mit Milliarden in der Kreide. Wackelt Italien, müssen auch die beiden Grossbanken um ihre Forderungen fürchten.

Die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse haben laut eigenen Angaben zusammen ein Brutto-Exposure gegenüber Italien von fast sechs Milliarden Franken - 2,8 die UBS und 2,9 die Credit Suisse. Die Gefahr eines Zahlungsausfalls Italiens ist zwar noch nicht akut, dennoch bereitet die Entwicklung auf den Kapitalmärkten den Bankern Kopfzerbrechen: «Dass sehr wohl etwas passieren kann, dafür sind die Ratings ein Indikator», heisst es aus Schweizer Bankenkreisen. Mehr als ein Drittel der gesamten Forderungen der Schweiz gegenüber Italien entfallen auf den Finanzsektor. Insgesamt steht Italien bei der Schweiz laut den Zahlen der Bank für internationalen Zahlungsverkehr (BIZ) mit 15,3 Milliarden Franken in der Kreide.
Die UBS hat es schon per Ende 2010 geahnt. Im Geschäftsbericht heisst es wörtlich: «Die Bedenken des Markts erfassen nicht nur offensichtliche Kandidaten wie Portugal und Spanien, sondern auch Italien, Belgien und sogar Frankreich.» Letzteres Land gilt derzeit noch als bombensicher. Allerdings haben die französischen Banken die weltweit höchsten Forderungen gegenüber Italien von umgerechnet rund 330 Milliarden Franken. Wackelt Italien, dann muss auch Frankreich zittern. Und das Schweizer Finanzsystem wiederum ist traditionell eng verwoben mit der französischen Bankenlandschaft, insbesondere mit der französischen Grossbank Credit Agricole, um nur ein prominentes Institut zu nennen.
Banken spielen Forderungen herunter
Allein die UBS hat gegenüber Frankreich Forderungen in der Höhe von 4.72 Milliarden Franken. Die Credit Suisse weist diese Zahl erst gar nicht aus und verweist auf den Datenpool zu den PIGS-Staaten (Portugal, Irland, Griechenland, Spanien). Beide Banken spielen das Engagement in Italien herunter. Die UBS äussert sich dazu ähnlich wie die Credit Suisse: Das Staatsengagement gegenüber diesen Staaten sei netto insignifikant. Sowohl gegenüber den einzelnen Ländern als auch insgesamt. Netto liegen die Forderungen der beiden Banken zusammen bei weniger als einer Milliarde Franken. Die Begründung greift aber nur, wenn die Absicherung der Netto-Forderungen durch insgesamt fast fünf Milliarden Franken hält. Und das ist angesichts des drohenden Domino-Effekts, vor dem die Eurozonen-Politiker unentwegt warnen, auch unter den Systembanken durchaus fraglich.
Noch schnurrt der Konjunkturmotor
Einstweilen macht sich in der Schweiz Lethargie breit: «Wir beobachten die Situation, je nachdem wie sie sich entwickelt. Wir sehen im Moment keinen Handlungsbedarf», sagt Swissbanking-Sprecherin Rebeca Garcia. Auch die Statistiker des Sekretariats für Wirtschaft (Seco) wiegen sich in Sicherheit: «In den ersten fünf Monaten dieses Jahres haben die Exporte der Schweiz nach Italien um sechs Prozent zugenommen. Das ist doppelt so viel wie nach Frankreich», sagt Tony Moré, Sprecher für Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen Europa und Zentralasien im Seco. Hauptgrund sei der Export von Pharmaprodukten, der kaum auf Konjunkturschwankungen reagiert. Medikamente werden immer gebraucht, so die Argumentation. «Die Situation könnte natürlich drehen», sagt Moré, «aber es gibt im Moment keine Anzeichen dafür».
Dennoch geht das Seco laut eigenen Angaben mittelfristig von einer deutlichen Abschwächung der Schweizer Exportwirtschaft fürs nächste Jahr aus: In den Konjunkturprognosen von Juni werde der starke Franken die Schweizer Wirtschaftleistung von 2,1 Prozent auf ein BIP von 1,5 Prozent drücken.
Bumerang für die Schweiz
Ein beträchtlicher Teil der Nachfrage aus Italien nach Schweizer Produkten ist dabei fremdfinanziert. Auch die Schweizer Grossbanken haben Unternehmen in Italien Geld verborgt: Die UBS hat Forderungen gegenüber italienischen Firmen in der Höhe von 2,3 Milliarden Franken brutto mit Stand Ende 2009. Die Credit Suisse weist diesbezüglich nur die Netto-Zahlen zum ersten Quartal 2011 mit immerhin einer Milliarde Franken aus.
Das Fazit Martin Browns, Banken und Finanz-Experte an der Universität St. Gallen: «Im Hinblick auf die Realwirtschaft könnte die Exportwirtschaft aufgrund der weiter zu erwartenden Frankenstärke und eine eventuelle Abschwächung der Wirtschaft Italiens weiter getroffen werden.» Kommt Italien noch mehr unter Druck, wird auch der Euro weiter nachgeben und Schweizer Produkte werden fürs Ausland noch teurer. Ein Hiobsbotschaft für die Schweizer Exporteure, denn Italien ist immerhin der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz. Im Jahr 2010 wurden Waren im Wert von 16 Milliarden Franken nach Italien exportiert, das sind acht Prozent der gesamten Exporte. Die Eurokrise könnte so noch zum Bumerang sowohl für die produzierende Schweizer Wirtschaft als auch den nationalen Bankensektor werden.
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