Löschoperation zu besonderem ZeitpunktSchweizer Geheimdienst taucht ab
Der Nachrichtendienst des Bundes lässt die öffentlichen Profile seiner Topleute verschwinden – in einem Moment, in dem die Chefs dort um ihre Stelle fürchten müssen.

Am Mittwoch kurz nach Mittag ist der Schweizer Geheimdienst abgetaucht. Natürlich nicht alle 178 Mitarbeiterinnen und 254 Mitarbeiter gleichzeitig.
Aber der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) liess die Angaben fast aller seiner Kaderleute aus dem elektronischen Staatskalender löschen. Von einer Sekunde auf die andere waren im öffentlichen Verzeichnis nur noch Direktor Christian Dussey und sein Stellvertreter Jürg Bühler zu finden. Zuvor konnte, wer wollte, dort nachschauen, wer gerade den Rechtsdienst beim NDB leitete und wer die Informationsbeschaffung. Rund 30 Personen waren mit Funktion, Telefonnummer und E-Mail verzeichnet.
Eine Verordnung schreibt das so vor bei den «wichtigsten Funktionen in der Bundesverwaltung». Dieser Vorschrift kommt der NDB zurzeit nur noch bei zwei Personen nach.
Nur einer hat eine Jobgarantie
Die Löschoperation kommt zu einem besonderen Zeitpunkt. Zurzeit müssen die Schweizer Chefspione und Chefagentinnen um ihre Stelle zittern. Die Direktionsposten werden neu besetzt, und ausser Direktor Dussey hat niemand eine Jobgarantie. Das machte CH Media Anfang Woche publik. Weitere Medienberichte folgten. Dann kam es zur Löschoperation.
Eine NDB-Sprecherin schreibt nun auf Anfrage, dass die Streichungen «in keinem Zusammenhang mit der Transformation» stünden. Vielmehr sei man «im Moment daran, die Einträge im Staatskalender zu überarbeiten». Weiter heisst es: «Mit den 30 Namen wurden irrtümlich zu viele Kader des NDB öffentlich gemacht, die für die Öffentlichkeit nicht erreichbar sein müssen.» Bis geklärt sei, welche Funktionen und Personen genannt sein müssten, habe man sich als Sofortmassnahme auf zwei Personen beschränkt.
In sozialen Medien auffindbar
Der Dienst macht auch geltend, dass sein Organigramm nicht öffentlich sei. Allerdings lässt sich dieses aus dem Staatskalender problemlos rekonstruieren – bislang mitsamt den Namen der Funktionsträgerinnen und -träger. Diese Namen dürften vor allem andere Geheimdienste interessiert haben. Zum Teil verfügen die 30 nun gelöschten Kaderleute weiterhin über Profile in sozialen Medien, in denen sie zum Teil auch ihre berufliche Funktion angeben.
Vor gut zehn Jahren herrschte eine andere Kultur. Beim Topkader war, wenn auch mit Einschränkungen, Transparenz angesagt. So präsentierte sich bei der NDB-Gründung 2010 die Direktion mit Gruppenfoto der Öffentlichkeit. Die Aufnahme kursiert weiterhin im Netz. Bekannt ist, dass es seither wenig Wechsel gab. Und dass vor rund zwei Jahren die erste und bislang einzige Frau ins oberste NDB-Gremium aufgenommen wurde. (Lesen Sie hier das Porträt über die erste Schweizer Topagentin.)

Nun wollen Direktor Dussey – er ist seit rund einem Jahr im Amt – und seine Vorgesetzte, Bundesrätin Viola Amherd, frischen Wind reinbringen. «Auch wenn sich der NDB seit seiner Gründung 2010 ständig weiterentwickelt hat», schreibt eine Sprecherin, «muss seine Struktur an die steigenden Anforderungen angepasst werden.» Als Anforderungen werden unter anderem genannt: ein breiteres Spektrum an Bedrohungen und Risiken, Auswirkungen des rasanten technologischen Fortschritts und Erwartungen der neuen Mitarbeitendengeneration.
Diese Erwartungen zeigten sich insbesondere in einer Personalumfrage vor zwei Jahren, die gemäss Verteidigungsministerin Amherd «katastrophale Ergebnisse» erbracht hatte. Besonders schlecht weg kam die oberste NDB-Leitung.
Nun kann sich dort kaum jemand sicher sein, dass er die Stelle behalten darf. Die Direktion wird neu aufgestellt und um einen Posten reduziert.
Sicher ist nur, dass die Bisherigen nach Möglichkeit beim Bund bleiben sollen. Gemäss NDB werden bei «nicht berücksichtigten Kandidaten (…) innerhalb der Bundesverwaltung individuelle Lösungen im Rahmen des geltenden Rechts gesucht, z.B. andere Aufgaben innerhalb des NDB».
Bundesrätin Amherd ist bekannt dafür, dass sie Frauenförderung verlangt. Bei der Auswahl des künftigen NDB-Kaders nimmt sie insofern Einfluss, als enge Vertraute der Findungskommission angehören:
Aus dem Verteidigungsdepartement sind dies mit Pälvi Pulli die Chefin Sicherheitspolitik, mit Marc Siegenthaler der Personalchef und mit Michel Liechti der nachrichtendienstliche Berater der Bundesrätin. Hinzu kommt vom Bundesamt für Polizei Vizedirektorin Eva Wildi-Cortés.
Die Spitzenposten des NDB besetzt danach Direktor Dussey selber. Seine Stellvertretung muss aber von Viola Amherd genehmigt werden.
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