Zugang zum europäischen MarktSchweizer Banken können hoffen
Die EU-Kommission wollte die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung von Schweizer Banken unterbinden. Doch Mitgliedsstaaten und Parlament dürften die Kapitalmarktreform entschärfen.

Werden Schweizer Banken von Zürich, Basel oder Genf aus bald nicht mehr grenzüberschreitend Vermögen von wohlhabenden Deutschen verwalten können? Ein Vorschlag der EU-Kommission hatte zuletzt den Schweizer Bankenplatz mit der Forderung nach einer Niederlassungspflicht aufgeschreckt. Vielleicht kommt es jetzt doch nicht so schlimm. Die Finanzminister der Mitgliedsstaaten haben vergangene Woche den entsprechenden Artikel aus dem Kapitalmarktgesetz gestrichen. Für Entwarnung ist es aber noch zu früh. Bis Ende Jahr muss noch das EU-Parlament seine Position zu der Reform festlegen, und danach wird die endgültige Fassung in einer Differenzbereinigung festgelegt.
In Schweizer Bankenkreisen gibt man sich aber vorsichtig optimistisch. Die Version der Kommission werde sich kaum durchsetzen. Konkret geht es um die Anpassung der Kapitalrichtlinien. Die Kommission hat die sogenannte Capital Requirements Directive VI (CRDVI) als Teil der Basel-III-Reformen präsentiert, ein weiterer Schritt zur Stabilisierung des europäischen Bankensystems im Zug der Finanzkrise. Der Gesetzesartikel zu den grenzüberschreitenden Aktivitäten von Banken aus Drittstaaten ist dort eigentlich nur ein Nebenaspekt. Die EU-Kommission will den Marktzugang für Banken aus Drittstaaten vereinheitlichen. Konkret dürften Finanzinstitute für das Einlagengeschäft Bankkundinnen und -kunden in einem EU-Staat nur noch anwerben oder betreuen, wenn sie dort eine Niederlassung haben.
1000 Milliarden Euro
Heute regeln die EU-Staaten den Marktzugang aus Drittländern unterschiedlich. Zwischen Deutschland und der Schweiz sind die grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen in einer Vereinbarung festgelegt, die einst Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nach dem Ende des Bankgeheimnisses unterzeichnet hatten. Betreuer dürfen von Zürich, Basel oder Genf aus beraten. Privatkunden aus ganz Europa sollen so auf Schweizer Banken 1000 Milliarden Euro liegen haben, ein Grossteil davon stammt von wohlhabenden Deutschen. Die Nachbarstaaten Frankreich und Italien sind restriktiver. Die EU-Kommission würde die Regeln gerne harmonisieren. Im Hintergrund spielen der Brexit eine Rolle und der Finanzplatz in London. Die Schweiz wäre da in erster Linie ein Kollateralschaden, sollte sich Brüssel mit der harten Linie durchsetzen.
Intensives Lobbying des Schweizer Bankenplatzes soll dazu beigetragen haben, dass die Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Kommission bei der Niederlassungspflicht für das Einlagengeschäft nicht folgen will. Kleinere Banken müssten sonst wohl das Geschäft auf der anderen Seite der Grenze aufgeben. Die Eröffnung einer Niederlassung wäre für viele Institute einfach zu teuer. Grossbanken sind zwar in der Regel vor Ort präsent. Das sei aber kein Ersatz für das Offshore-Geschäft, so Experten. Beim grenzüberschreitenden Geschäft richte man sich an eine andere Kundschaft und könne andere Produkte anbieten. Dabei gehe es anders als früher nicht darum, Schwarzgeld zu verstecken. Kundinnen und Kunden wollten aber bewusst Geld in einer anderen Währung und in einem anderen Rechtsraum betreut wissen.
Lobbying zahlt sich aus
Weshalb sind die Mitgliedsstaaten gegenüber dem Harmonisierungsversuch der EU-Kommission skeptisch? Tangiert wäre auch das Kreditgeschäft von japanischen oder auch US-amerikanischen Banken innerhalb der EU, sagen Experten. Offene Märkte und das grenzüberschreitende Geschäft seien aber im Interesse von Investoren in der EU. Zudem habe die EU den Mitgliedsstaaten offengelassen, ob sie für Wertpapierdienstleister eine Niederlassungspflicht vorschreiben wollten. Das Einlagengeschäft und die Vermögensverwaltung liessen sich aber schlecht trennen. Die Finanzminister haben die Banken- und Finanzmarktaufsicht beauftragt, die Risiken des grenzüberschreitenden Geschäfts genauer zu prüfen. Das Lobbying der Schweizer Banken dürfte sich vorerst ausgezahlt haben.

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