Ex-SVP-Politiker ist doch kein IV-Betrüger
Alt-Kantonsrat Jürg Leuthold aus Aeugst am Albis stand als «Scheininvalider» am Pranger. Jetzt fühlt er sich vom Bundesgericht rehabilitiert. Leuthold ist aber wieder schwer krank.

Jürg Leuthold geht es gar nicht gut. Derzeit liegt er in einer Reha-Klinik in den Bergen und erholt sich von drei Operationen, die er im letzten halben Jahr über sich ergehen lassen musste. Im Mai wurden ihm 14 Gallensteine entfernt. Im September plagte ihn wieder einmal der Rücken, und es wurden ihm drei Halswirbel versteift. Anfang Oktober ereilte ihn der nächste Rückschlag: ein Herzinfarkt. «Dieses Jahr ist für mich die Hölle», sagt er.
Die schlimmsten Tage durchlebte Leuthold allerdings schon im Februar. Damals wurde ein Urteil des Zürcher Sozialversicherungsgerichts publik, wonach Leuthold über Jahre zu Unrecht eine IV-Rente bezogen haben soll. Ausgerechnet einer aus der SVP, ein Scheininvalider. Ein Sturm der Entrüstung ging durch die Medien. Hämische Kommentare prasselten auf Kantonsrat Leuthold nieder, in der Partei war der ehemalige Fraktionschef von einem Tag auf den anderen geächtet. Innerhalb von wenigen Tagen strich er die Segel, gab seinen Rücktritt aus dem Kantonsrat bekannt und einen Tag später auch aus der SVP. Doch Leuthold hat den Kampf nicht aufgegeben. Zum Glück für ihn. Nun sieht er sich vom Bundesgericht rehabilitiert. Einziger Wermutstropfen des Urteils: Die rund 164'000 Franken, die ihm die Zürich-Versicherungen vom Freizügigkeitsguthaben abgezogen haben, erhält er nicht mehr zurück.
Viele Ämter und Ehrenämter
Angefangen hatte die Leidensgeschichte in den frühen 90er-Jahren. Der Rücken schmerzte, auf Bandscheibenvorfälle folgten Therapien, dann auch drei Operationen. Leuthold arbeitete damals als Kundenberater bei den Zürich-Versicherungen. Doch das Arbeiten fiel ihm immer schwerer, und er beantragte eine Invalidenrente. Gestützt auf Berichte seines Hausarztes sprach ihm die Invalidenversicherung am dem 1. Dezember 1998 eine volle Rente zu. Damit wurde nicht nur die IV zahlungspflichtig, sondern automatisch auch die Pensionskasse der Zürich-Versicherungen.
Doch diese wurde bald misstrauisch. Leutholds Hausarzt hatte der IV zwar in seinem Gutachten glaubhaft machen können, dass er arbeitsunfähig war. Doch Leuthold blühte offensichtlich auf, war politisch aktiver denn je, präsidierte im Kantonsrat nicht nur die SVP-Fraktion, sondern auch die Gesundheitskommission. Auch ausserhalb des Parlaments bekleidete er zahlreiche Ämter und Ehrenämter, und er bildete sich weiter zum selbstständigen Spitalfachmann.
Von der Versicherung observiert
2003 beantragte Leuthold schliesslich selber eine Reduktion seiner Rente auf 50 Prozent, weil es ihm inzwischen besser gehe. Doch der Zürich-Pensionskasse war das nicht genug. Sie hatte ihn observieren lassen und war der Meinung, Leuthold könne nicht arbeitsunfähig sein, angesichts seiner vielen Tätigkeiten. Leuthold stellte sich einem weiteren medizinischen Gutachter aus dem Inselspital Bern, und der kam zum Schluss, dass die Leistungsbereitschaft des Patienten umstritten sei und dass dieser seine Krankheitssymptome übertrieben darstelle. Die Zürich stellte ihre Rentenzahlungen sofort ein und verrechnete die ausbezahlte Invalidenrente mit seiner Altersvorsorge. Nach dem Abzug bleiben Leuthold in der Pensionskasse jetzt exakt 88 Franken – also nichts mehr. Es begann ein langer Rechtsstreit, der nun vor ein paar Tagen vor Bundesgericht endete.
Neuer IV-Antrag hängig
Leuthold zeigte sich gestern sehr erleichtert. Dass er mit dem Gerichtsentscheid praktisch die ganze Freizügigkeitsleistung verloren hat, ist derzeit für ihn zweitrangig: «Ich bin rehabilitiert. Das ist für mich unbezahlbar.» Nun will Leuthold erst wieder so gesund wie möglich werden, damit er das einzige Amt, das ihm geblieben ist, wieder aufnehmen kann: den Posten im Aeugster Gemeinderat.
Wie es weiter gehen soll, wenn er zu Hause ist, weiss der 50-jährige Leuthold nicht: «Ich habe keine Ahnung. Meine Existenz ist ruiniert.» Wenigstens kann er wieder ohne Hilfsmittel gehen. Auch im Haushalt wird er einiges erledigen können. Aber eine geregelte bezahlte Arbeit in einem vollen Job kann er wohl nie mehr ausüben. Im Moment ist bei der IV ein neuer Antrag auf eine Rente hängig.
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