Der Krach der Offiziere
Das neue Waffenrecht fördert Dissens innerhalb der Armeekader zutage. Mehr und mehr Angehörige positionieren sich.

«Die Schweizerische Offiziersgesellschaft politisiert an der Basis vorbei.» Für Roger Kölbener, Dienstgrad Major, ist schier unerklärlich, was die Dachorganisation der Armeekader letzte Woche zum neuen Waffenrecht entschieden hat. «Sie will es sich scheinbar auf keinen Fall mit den Schützenvereinen verderben. Weil sie meint, auf deren Hilfe angewiesen zu sein, wenn wir dereinst über das nächste Rüstungsgeschäft abstimmen.» Dies sei die einzig plausible Erklärung, weshalb der Verband die Nein-Parole zur Gesetzesrevision gefasst habe.
Ein schwerer Fehler, glaubt Kölbener, der auch als Präsident der FDP International amtiert. «Die Offiziersgesellschaft verspielt das, worauf sie am dringendsten angewiesen ist: ihre Glaubwürdigkeit in sicherheitspolitischen Fragen.» Kölbener seinerseits macht im progressiv gesinnten Offizierskomitee mit, das der Glarner Oberleutnant und GLP-Politiker Pascal Vuichard vor ein paar Tagen gegründet hat.
Die Abstimmungsvorlage vom 19. Mai entfaltet damit mehr und mehr Spaltwirkung innerhalb der militärischen Führungsriege. Bundesrat und Parlament wollen die Abstimmung unbedingt gewinnen: Sollte das Volk die von der EU initiierte Waffenrichtlinie ablehnen, droht der Schweiz der Ausschluss aus dem Schengener Sicherheitsverbund. Unter Schützen indes fürchtet man um althergebrachte Freiheiten und Traditionen. Und die Schützenvereine gelten aufgrund der ausgeprägten Stimmdisziplin ihrer Mitglieder als nicht zu unterschätzende politische Grösse.
Ein «Aufstand»?
Die Offiziere dagegen waren bis vor kurzem auf kaum jemandes Radar: Für Dienstpflichtige und ehemalige Armeeangehörige ändere sich mit dem neuen Schengen-Recht ohnehin nichts, so die offizielle Argumentation beim Bund. Seit die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) jedoch ihre Unterstützung für die Referendumsführer kundgetan hat, ist ein Schlagabtausch mit breiter Medienresonanz in Gang gekommen. Am Wochenende stellte sich Armeechef Philippe Rebord unmissverständlich auf die Seite des Bundesrats. Mit der Revision werde der Missbrauch von Waffen bekämpft, erklärte Rebord im «SonntagsBlick».
Damit wiederum scheint der Korpskommandant bei seinen Untergebenen Groll verursacht zu haben – jedenfalls gemäss der «Weltwoche», die in ihrer aktuellen Ausgabe einen «Aufstand der Offiziere» vermeldet (ohne die Aufständischen allerdings mit Namen aufzuführen). Es sei bedauerlich, dass sich Rebord nicht hinter seine «sicherheitspolitisch engagierte Miliz» stelle, so zitiert das Blatt anonyme Kritiker aus Armeereihen.
Doch wie repräsentativ ist ihrerseits die SOG mit ihrer rechtskonservativen Positionierung? Aufgrund von Gesprächen mit Kollegen ist Roger Kölbener überzeugt, dass viele Offiziere das neue Waffenrecht stützen. «Manche haben sich wohl noch nicht allzu vertieft mit der Materie befasst. Wenn sie dies tun, werden wir weiteren Zulauf erhalten, da bin ich sehr zuversichtlich.»
Der frühere GLP-Nationalrat und Hauptmann Roland Fischer hat dem Anti-SOG-Komitee bereits seine Unterstützung ausgesprochen. Über einen weiteren prominenten Zuzug berichtete am Mittwoch der «Blick»: Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli ist als Oberst im Generalstab demnach der bislang höchste Dienstgrad, der an der Seite des Komitees für Schengen kämpft.
Keller-Sutter warnt
Der Bundesrat wiederum nimmt die militärische Kakophonie bislang weitgehend unbeteiligt zur Kenntnis. «Die Offiziersgesellschaft ist ein privater Verein», erklärte Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP), als sie gestern mit einem Medienauftritt den Abstimmungskampf eröffnete. «In unserem Land darf sich jeder frei äussern.»
Inhaltlich widersprach Keller-Sutter der SOG freilich auf ganzer Linie. Die Vorlage nehme auf die Schweizer Traditionen viel Rücksicht. Die Bundesrätin warnte vor gravierenden Folgen für die Sicherheit, wenn die Schweiz aufgrund eines Neins ihre Schengen-Mitgliedschaft verliere. Sie warnte auch vor der Hoffnung, die EU werde der Schweiz weitergehende Sonderkonditionen gewähren: «Wir spielen da mit dem Feuer.»
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