Anekdote zur Intoleranz
Ein merkwürdiges Schauspiel findet statt, wenn ein Linker in einer Hochburg der Konservativen auf mehr Toleranz stösst als in einem Kanton von theoretischen Gleichgesinnten.

Vor vielen Jahren, kurz vor der Volljährigkeit und politisch von der Jugendszene in Basel geprägt, war ich im freiwilligen Landdienst im nidwaldnerischen Büren. Eine Hochburg der Konservativen, deren Horizont sich manchmal tatsächlich nicht weiter als ihre Kuhweiden erstreckt. «Unser Türke auf der Alp», wurde ich von meiner Gastfamilie mit zynischem Spott genannt. So kam es, dass ich bei 35 Grad nach sechsstündigem Alpaufzug mit einem Dutzend Bauern und einem Senn vor der Maiensäss sass und mit ihnen bei «Kafi Luz» über Immigration, Kulturförderungsprogramme und Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern diskutierte. Keine Zwischenrufe, kein Zischen, keine Beleidigungen. Aufmerksam hörte die Gesellschaft, von denen zwei für die SVP im Landrat sassen, was der Städter an ihrem Tisch so zu sagen hat.
Den grossen Gegensatz dazu in Basel-Stadt. «Mehr Toleranz bitte», forderte der ehemalige BaZ-Journalist Martin Brodbeck, bei der Diskussionsrunde, die nach dem Film «Die Übernahme» lanciert wurde. Anlass für seine Forderung waren die Buhrufe die LDP-Grossrat Michael Köchlin galten, der nach dem BaZ-Zerriss ein wenig Ausgewogenheit forderte. Das war am 18. Januar. Vor gefülltem Saal im Kultkino Atelier durften all diejenigen zu Wort kommen, die sich von der Basler Zeitung verunglimpft fühlten. Andere wurde ausgebuht, wie SVP-Grossrat Sebastian Frehner. Gleiches musste Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel erleben, als er vor zwei Wochen seine Laudatio zu Ehren der Hardrock Band Krokus hielt.
Die Intoleranz der Toleranzler
Ähnliches erlebte ich, als ich an einem Feministen-Podium in der Kaserne sagte, dass dieser «neue Feminismus» doch ein wenig radikal sei. Verständnis und Toleranz für meinen Einspruch gab es keine. «Du bisch doch sone huere SVPler», wurde mir gesagt.
Solche Aussagen würden mich fast zum Schmunzeln bringen, wenn die Situation nicht so nervtötend alltäglich wäre. Politisch distanziere ich mich selbst vom bürgerlichen Lager, und von rechts werde ich bis anhin eher als Sozi betrachtet. Doch jetzt wirft das rot-grüne Basel pauschal noch den Rechten Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit vor. Wer sich im Kanton Basel mit konstruktiven Argumenten von den linken Parteien distanziert, wird mit der SVP-Keule gleich mundtot geschlagen.
Auf der Alp in Nidwalden waren es neue Weltansichten, die ich da propagierte. Ansichten aus einer anderen Welt und einer anderen Erziehung. «Bisch scho chli e Sozi», sagte mir mein Tischnachbar grinsend und goss mir noch einen tüchtigen Schluck Schnaps in den Kaffee. Verständnis? Vielleicht nicht. Toleranz? Auf jeden Fall. Beides Faktoren, die man in unserem, sich so weltoffen nennenden Kanton, nicht findet. Gerade bei den ländlichen Konservativen, denen die Linken Rückständigkeit vorwerfen, stiess ich auf offene Ohren gegenüber meinen Ansichten.
In Basel, wo die politische Debatte zwischen links und rechts sowieso nur auf Kontradiktion anstatt auf Kompromissen basiert, wird erwartet, dass man sich einem der zwei Lager zuordnet. Vielleicht braucht die Linke einen Landdienst, um ihre politischen Werte kennenzulernen.
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