Schweiz soll für Geiseln bezahlt haben
Neue Kritik an der Rolle des Schweizers Pascal Holliger bei einer Befreiungsaktion in Nigeria.

Der Fall einer umstrittenen Geiselbefreiung in Nigeria zieht weitere Kreise. Nachdem zuerst der nigerianische Journalist Tony Ezimakor auf einer Nachrichtenseite seines Heimatlandes über die dubiose Rolle des Schweizer Botschaftsangestellten Pascal Holliger anlässlich der Befreiung der sogenannten Chibok-Girls berichtet hatte, rückt nun Ann Mcgregor, eine Sicherheits- und Geheimdienstexpertin, auf der kanadischen Nachrichtenseite newsplusviews.news die Schweiz im selben Zusammenhang ebenfalls in ein fragwürdiges Licht. Hintergrund ist die Entführung von 276 Schülerinnen im April 2014 durch islamistische Boko-Haram-Terroristen. 2016 und 2017 kamen die Schülerinnen frei, mutmasslich mit Schweizer Lösegeld bezahlt.
Der nigerianische Journalist Ezimakor landete aufgrund seines Artikels in Haft, unter Gewaltandrohung sollte er seine Quellen preisgeben. Nach sieben Tagen kam er frei. Wiederholte Versuche, mit ihm zu sprechen, blieben erfolglos. Droht ihm weitere Gewalt? Werden Telefon und E-Mail in dessen Büro in Abuja kontrolliert? Gemäss Insidern soll Holliger, der Leiter des Friedensprogramms an der Schweizer Botschaft in Abuja, damit angegeben haben, man werde Ezimakor den Mund schliessen. Hatte der Schweiz-brasilianische Doppelbürger Holliger gar seine Finger bei der Verhaftung Ezimakors im Spiel?
Dies wäre dann der zweite grosse Skandal, nachdem nicht nur in Nigeria, sondern auch in Bern hinter vorgehaltener Hand bestätigt wird, dass die Schweiz für die Befreiung der Chibok-Girls Millionen bezahlt haben soll. Dies aber wäre aus Sicherheitsgründen fragwürdig. Denn die Gefahr für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland steigt deutlich, ist in Entführerkreisen erst einmal bekannt, dass die Schweiz letztlich immer bezahlt.
Die Aussenpolitiker schweigen
Bei der Befreiung ausländischer Geiseln mit Geld aus der Schweiz, wie offenbar bei den Chibok-Girls, stellten sich sodann innenpolitische Fragen. Etwa jene, nach welchen Kriterien ausländische Staatsbürger ausgewählt werden, für deren Befreiung Schweizer Steuergelder verwendet werden.
Die Basler Zeitung weiss, dass im Anschluss an ihre Berichterstattung zu diesem brisanten Fall in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats die Sache diskutiert wurde. Offenbar ist der Fall aber derart heikel, dass sich bisher kein Kommissionsmitglied finden liess, das bereit war, Auskunft zu geben. Es gilt das Kommissionsgeheimnis. Von offizieller Seite her, also aus dem Aussendepartement, heisst es immer: «Die Schweiz bezahlt keine Lösegelder.»
Unbehagen über die Schweiz
Doch nun beschreibt Ann Mcgregor in ihrem Beitrag die tiefer liegende Problematik bezahlter Geiselbefreiungen, namentlich in der Sahel- und der Sahara-Zone sowie in der Region um den Tschadsee. Staatliche Komplizenschaft mit Terroristen und der organisierten Kriminalität seien Kern der dortigen Instabilität, schreibt Mcgregor. Dschihadistischen Gruppen sei es in den letzten Jahren gelungen, sich sichere Häfen einzurichten. Geiselnahmen, die zum Einbruch des Tourismusgeschäfts führten, seien oft noch die einzige Einnahmequelle. Profitieren würden nicht nur die Entführer, sondern auch Regierungskreise, die mitverdienten. Entführungen hätten sich längst zu einer höchst lukrativen Industrie entwickelt, die Organisationen wie Boko Haram mächtig werden liessen. Dann kommt Mcgregor auf die Rolle der Schweiz zu sprechen. Diese habe in fraglichem Zusammenhang bereits 2009 fünf Millionen Dollar genehmigt, zwei davon seien für Geiselbefreiungen dreier Landsleute eingesetzt worden. In der Folge habe die Schweiz «die Kunst der privaten Diplomatie» perfektioniert; sie biete sich seither in vielen afrikanischen Konflikten als neutrale Vermittlerin an, «was mit einem Preis verbunden ist». Worin dieser besteht, ist nicht weiter verdeutlicht.
Die Autorin beschreibt in der Folge «Unbehagen» und mutmassliche Unregelmässigkeiten rund um das Tun Holligers im aktuellen Fall. Das Unbehagen fusse auf geheimen Absprachen zwischen dem nigerianischen Verhandlungsteam, zu dem unter anderen der Innenminister Nigerias gehört, sowie auf der anderen Seite das Team der Schweizer Botschaft in Nigeria um Pascal Holliger. Ins Feld führt die Sicherheitsexpertin auch diverse Korruptionsvorwürfe.
«Jetzt reichts», sagt dazu Nationalrat und Sicherheitspolitiker Beat Arnold (SVP, UR). Er hatte zum Fall der Chibok-Girls bereits eine schriftliche Anfrage eingereicht und vom Bundesrat eine nichts sagende Antwort erhalten. «Ich sehe weitere Fragen vor», sagt er. «Ich will wissen, was da auf dem Buckel der Steuerzahler und der Sicherheit von Schweizern im Ausland läuft».
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