Schwarz, weiblich – sie ist die Antithese zu Trump
Kamala Harris könnte 2020 für die Demokraten gegen Donald Trump antreten. Doch ist sie der Basis links genug?

Alle grossen Dinge beginnen klein. Mit einer Frage beispielsweise: Wie spricht man diesen Vornamen aus? Ka-MA-la? Oder KA-ma-la? Die Antwort gibt Kamala Harris derzeit an jedem Anlass, an dem sie auftritt: Betonung auf der ersten Silbe, «Komma sagen, ein La anhängen», das ist die Eselsbrücke, die sie für ihre Zuhörer baut. Und wenn Harris über ihren Namen spricht, ist sie auch schon mittendrin in der Geschichte ihres Lebens. Ihr Vorname ist Sanskrit für Lotusblume, die Mutter stammt aus Indien, der Vater aus Jamaika, und sie selbst ist seit dieser Woche Kandidatin für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten.
Ihre Bewerbung für die Nomination der Demokratischen Partei verkündete die Senatorin aus Kalifornien am Montag, dem Martin Luther King Day. Eine bewusste Geste, wie Harris in der TV-Sendung «Good Morning America» sagte. Eine Verbeugung vor dem wichtigsten Anführer der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, in der sich ihre Eltern kennen gelernt hatten – und die auch für Harris prägend war.
Vertreterin der wichtigsten Wählergruppen
Von den Bürgerrechtlern habe sie gelernt, dass es sich lohne, für die Ideale der USA zu kämpfen. «Die Amerikaner verdienen es, jemanden zu haben, der für sie kämpft, der sie sieht und hört, der ihre Erfahrungen über das eigene Interesse stellt», sagte sie.
Um 2020 in der Hauptwahl gegen Donald Trump anzutreten, muss sich die 54-Jährige zuerst in den demokratischen Vorwahlen gegen ein Feld von Konkurrenten behaupten, das immer grösser wird. Zu Harris' Vorteilen gehört dabei, dass sie im Fall einer Wahl die erste Frau im Weissen Haus wäre und zudem afroamerikanische Wurzeln hat. Frauen und Schwarze gehören zu den wichtigsten Wählergruppen der Demokraten.
Aggressiver Befragungsstil
Aufgewachsen ist Harris in einem schwarzen Mittelschichtquartier im kalifornischen Berkeley. Als Kind verbrachte sie einige Zeit bei der Familie ihrer Mutter in Indien, sie ging regelmässig in eine schwarze Baptistenkirche wie auch in einen Hindu-Tempel. Nach ihrem Studium in Washington arbeitete sie 13 Jahre als Staatsanwältin in San Francisco und wurde dort zur Bezirksstaatsanwältin gewählt. 2010 schaffte sie die Wahl zur Generalstaatsanwältin von Kalifornien. Bereits dort war sie die erste Frau mit afroamerikanischen und mit indischen Wurzeln. Biografisch ist der Unterschied zu Trump und seiner weissen Wählerbasis wohl bei keinem anderen demokratischen Kandidaten so gross.
Ihre Karriere im Justizwesen macht Harris auch zum Thema ihrer Präsidentschaftskampagne. Ihr Slogan heisst «For the people», für das Volk. So begann sie jeweils vor Gericht ihre Plädoyers, so betreibe sie auch Politik, sagt sie. Im US-Senat, in dem sie seit 2016 als einzige Afroamerikanerin sitzt, machte sich Harris rasch einen Namen mit ihrem gründlichen bis aggressiven Befragungsstil, den sie etwa in der Anhörung des Verfassungsrichters Brett Kavanaugh zur Schau stellte. Videoausschnitte dieser Wortgefechte gingen, von ihrem Social-Media-Team geschickt verbreitet, viral und trugen ihr in linken Kreisen eine grosse Anhängerschaft ein.
Nicht auf die kleinen Leute losgegangen
Gleichzeitig ist ihre Vorgeschichte auch ein Handicap. Eine Staatsanwältin, die Hunderte Verbrecher hinter Gitter geschickt hat: Damit lassen sich vielleicht in der Hauptwahl Stimmen aus der politischen Mitte holen. Aber an der linken Basis, bei den Aktivisten der «Black lives matter»-Bewegung und anderswo, gibt es bereits Stimmen, die Harris genau deshalb für verdächtig halten. «Kamala Harris is a cop», heisst es in den sozialen Netzwerken immer wieder, eine Vertreterin des verhassten Justizwesens, das Schwarze und andere Minderheiten diskriminiert. Eine Rechtsprofessorin aus San Francisco warf Harris in einem Gastbeitrag in der «New York Times» vor, als oberste Anklägerin von Kalifornien oft «auf der falschen Seite der Geschichte» gestanden zu sein.
Harris weiss, dass diese Klage im Wahlkampf lauter werden wird. Einer ihrer Berater erklärte dem Onlinemagazin «Politico», dass Harris ihr dadurch begegnen wolle, dass sie sich als «progressive Staatsanwältin» verkaufen wolle, die nicht auf kleine Leute losgegangen sei, sondern verbrecherische Organisationen und Wirtschaftskriminelle verfolgt habe.
Nur die reine Lehre
Den Druck der linken Basis spüren auch andere Kandidaten der Demokraten. Senatorin Kirsten Gillibrand aus New York musste sich vor wenigen Tagen wortreich für ihre frühere, deutlich konservativere Haltung zur illegalen Einwanderung und zum Waffenbesitz rechtfertigen. Sie sei eben mit den Jahren mitfühlender geworden, sagte Gillibrand und erklärte dies unter anderem damit, dass sie seither Mutter geworden sei – eine Begründung, welche die kinderlose Harris nicht anführen kann. Im Senat stimmt Harris aber relativ konsequent links, und bei einem der wichtigsten Themen für die Demokraten – der Einführung einer Einheitskrankenkasse – unterscheidet sie von ihren Mitbewerbern nicht viel.
Ohnehin rechnen viele Beobachter damit, dass letztlich nicht einzelne inhaltliche Positionsbezüge darüber entscheiden, wer sich bei den Demokraten durchsetzt, sondern die Herkunft und persönliche Geschichte eines Kandidaten. Über ihren Vornamen wird Harris deshalb wohl noch einige Male reden.
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