Schneider-Ammann kapituliert im Streit um Waffenexporte
Unter starkem Druck verzichtet der Bundesrat auf die Lockerung der Waffenausfuhren in Bürgerkriegsländer – und stoppt Lieferungen nach Saudiarabien im Wert von 85 Millionen Franken.

Nach einer heftigen Debatte um Waffenexporte kapituliert Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) vor dem öffentlichen Druck. Gestern trat er in der Bundesratssitzung den doppelten Rückzug an. Erstens beantragte er den Verzicht auf eine Lockerung der Kriegsmaterialexporte in Länder mit internen Konflikten. Zweitens unterbindet er wegen des Falls Khashoggi bis auf weiteres alle Rüstungsausfuhren nach Saudiarabien.
Noch vor einer Woche wollte Schneider-Ammann von Massnahmen gegen Riad nichts wissen. Als Simonetta Sommaruga (SP) im Bundesrat eine Sistierung aller Ausfuhren nach Saudiarabien beantragte, bedachte er die Justizministerin mit einer maliziösen Belehrung: «Die Schweiz ist ein Rechtsstaat.» Handelsverträge seien einzuhalten, argumentierte der Wirtschaftsminister.
Doch im Bundesrat fand er damit keine Mehrheit. Auf Druck seiner Kollegen hat er inzwischen drei Massnahmen gegen Saudiarabien eingeleitet, worüber er ihnen gestern Bericht erstattete. Erstens darf das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) vorläufig keine Exportgesuche für Saudiarabien behandeln. Zweitens musste eine betroffene Firma dem Bund versprechen, dass sie bereits erteilte Exportbewilligungen vorderhand nicht wahrnimmt. Drittens wurde der Zoll angewiesen, allfällige Ausfuhranmeldungen für Saudiarabien abzuweisen, wie Bundesratssprecher André Simonazzi auf Anfrage erklärt.
Es geht um 85 Millionen
Auch wenn es der Bund nicht so nennt, so hat er damit faktisch ein Rüstungsembargo gegen Riad verhängt. Dieses gilt aber nur auf Zusehen. Dem Vernehmen nach will Schneider-Ammann nun beobachten, was andere Staaten und die UNO im Fall Khashoggi tun. Je nach Entwicklung könnten die sistierten Gesuche und Bewilligungen dann wieder aktiviert werden.
Laut Informationen aus dem Umfeld des Seco ist vom Embargo bloss eine Firma betroffen. Von ihr sind derzeit fünf Gesuche hängig für die Verlängerung früher erteilter Bewilligungen für Ersatzteile für Flugabwehrsysteme. Der Wert dieser Lieferung beträgt 63 Millionen Franken. Die gleiche Firma verfügt zudem über fünf früher erteilte Exportbewilligungen im Wert von 22 Millionen Franken, welche nun ebenfalls blockiert sind.
Bei der Firma handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Rheinmetall Air Defense, die frühere Oerlikon Contraves. Weder beim Bund noch am Rheinmetall-Konzernsitz in Düsseldorf wollte man aber zu entsprechenden Fragen Stellung nehmen.
In Rekordzeit «Allianz» formiert
Noch grundsätzlichere Bedeutung als der Fall Saudiarabien hat der Verzicht auf die generelle Lockerung der Exportbestimmungen, die der Bundesrat am Mittwoch beschlossen hat. Im Juni 2018 hatte der Bundesrat aufgrund von Klagen der Rüstungsindustrie beschlossen, Waffenexporte unter gewissen Bedingungen neu auch in Länder mit internen Konflikten zu ermöglich. Dieser Entscheid provozierte starke Widerstände – bei Parteien von SP bis CVP, bei Kirchen, NGOs und in weiten Teilen der Bevölkerung.
In Rekordzeit formierte sich eine breite «Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer», welche eine «Korrektur-Initiative» ausarbeitete. Zudem verlangte die BDP in einer Motion, dass künftig nicht mehr der Bundesrat, sondern das Parlament die Regeln bei den Waffenexporten festlegt. Im Nationalrat wurde diese Motion im September mit 97 gegen 82 Stimmen deutlich angenommen.
Angesichts dieses starken Gegenwinds beantragte Schneider-Ammann nun selber den Verzicht auf die Verordnungsänderung. Das war auch im Sinne seiner Kollegen Ignazio Cassis (FDP), Ueli Maurer und Guy Parmelin (beide SVP), welche im Juni noch mitgeholfen hatten, die Exportregeln aufzuweichen.
Sind die Medien schuld?
Trotz seines Rückzugs bleibt Schneider-Ammann der Meinung, dass sein Plan richtig gewesen wäre. Laut bundesratsnahen Personen begründet er den Verzicht nicht sachlich, sondern mit dem Vorwurf, sein Plan sei Opfer einer «Medienkampagne» geworden. Die Medien hätten die Bevölkerung über die geplante Verordnungsänderung irregeführt; das habe eine sachliche Debatte verunmöglicht.
Auch die Nationalratsmehrheit, welche die BDP-Motion angenommen hat, wird von Schneider-Ammann kritisiert. In einem weiteren Papier, das er vor einer Woche im Bundesrat eingereicht hatte, bezeichnete er die BDP-Motion wörtlich als «schädlich für den gesamten Wirtschaftsstandort»; dies hat das Westschweizer Radio RTS publik gemacht.
Nun stellt sich die Frage, was der Ständerat mit dieser Motion macht: Wird auch er für eine Entmachtung des Bundesrats bei den Waffenexporten votieren? Oder wird er die Motion nach dem jetzt erfolgten Rückzug für überflüssig halten?
Die «Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» hält den Druck auf Bundesrat und Parlament jedenfalls aufrecht. Sollte der Ständerat die BDP-Motion abschiessen, dann behalten man sich die Lancierung einer Volksinitiative weiterhin vor, droht die «Allianz».
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