Schneider-Ammann in Washington aufgelaufen
Ein Coup zum Schluss? Auf seiner letzten Dienstreise wollte der Wirtschaftsminister einen Durchbruch verkünden. Wollte.
Als er nach einem langen Tag endlich in der Schweizer Botschaft in Washington eintraf, war ihm eine gewisse Enttäuschung anzumerken. Johann Schneider-Ammann hatte gehofft, am Montagabend die nächste Phase in den Handelsgesprächen mit den USA anzukündigen: den Beginn von formellen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen.
Dazu kam es aber nicht. Ein für den Nachmittag angesetztes Treffen mit dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer, der in diesen Tagen mit dem Handelsstreit mit China beschäftigt ist, hatte Lighthizer kurzfristig abgesagt. Zwar konnte Schneider-Ammann dann wenigstens noch dessen Stellvertreter treffen, doch ein konkretes Ergebnis konnte der Bundesrat anschliessend nicht vorweisen.
15 Freihandelsabkommen abgeschlossen
«Die Zielsetzung ist nicht ganz erreicht», räumte Schneider-Ammann in der Botschaft ein. Man befinde sich weiterhin in der Phase der «exploratorischen Gespräche», für ein Verhandlungsmandat sei es noch deutlich zu früh. Im Januar seien weitere Kontakte geplant, wahrscheinlich im Umfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos.
Für diese Kontakte wird dann allerdings ein anderer zuständig sein: Die Reise nach Washington war Schneider-Ammanns letzte, bevor er Ende Dezember als Bundesrat zurücktritt. 15 Freihandelsabkommen hat er in den vergangenen acht Jahren als Wirtschaftsminister abgeschlossen, darunter jenes mit China. Ein Deal mit den USA wäre die Krönung gewiesen, der grosse Coup zum Schluss.
Als Hindernis erweist sich einmal mehr die Landwirtschaft. Unter anderem zeichnet sich laut Schneider-Ammann ab, dass die Amerikaner auf die Zulassung von gentechnisch veränderten Produkten drängen könnten, was aus Schweizer Sicht problematisch wäre. Bereits 2006 scheiterte ein erster Versuch für ein Freihandelsabkommen mit den USA, weil der Bundesrat den Widerstand der Agrarlobby fürchtete.
«Niemand will ein weiteres Mal Zeit und Prestige in etwas investieren, das dann auf halbem Weg stehen bleibt», sagte Schneider-Ammann. Sein Eindruck sei, dass die Amerikaner wohl auch die laufenden Freihandelsgespräche der Schweiz mit den Mercosur-Ländern abwarten wollten, um zu sehen, wie flexibel die Schweiz in Bezug auf eine Öffnung ihres Agrarsektors sei. Zudem sei offensichtlich, dass die Amerikaner in der Handelspolitik derzeit andere Prioritäten hätten als die Schweiz.
Kommen die USA und die EU zu einem Abschluss, findet sich die Schweiz in der Situation eines Drittstaats wieder.
Für die Schweizer Wirtschaft geht es bei dem Thema um viel. Die USA sind nach der EU der zweitwichtigste Absatzmarkt für Schweizer Unternehmen: Rund 15 Prozent der Exporte gehen in die Vereinigten Staaten. Laut der Welthandelsorganisation WTO belasten die USA Einfuhren aus der Schweiz derzeit im Durchschnitt mit 3,1 Prozent. Das ist nicht viel, doch auch tiefe Zölle summieren sich irgendwann und bedeuten für die betroffenen Unternehmen Bürokratie.
Hinzu kommt, dass die USA bereits mit der EU über ein Freihandelsabkommen sprechen. Kommen sie bald zu einem Abschluss, steht die Schweiz vor der Situation, dass sie sich plötzlich in der Situation eines Drittstaats wieder fände. Schweizer Exporteure in die USA wären dann gegenüber der Konkurrenz aus EU-Ländern im Nachteil.
Eine gewisse Symbolkraft
Auf Schweizer Seite hofft man darauf, dass sich die USA von einem Vertragsabschluss mit der Schweiz ein politisches Signal versprechen. Zwar hat die Regierung von US-Präsident Donald Trump ein bestehendes Handelsabkommen mit Südkorea nachverhandelt, und nach einigen Retuschen verkauft Trump auch den von ihm heftig bekämpften Nafta-Vertrag mit Mexiko und Kanada als Innovation. Doch ein genuin neues Freihandelsabkommen mit einem Staat, mit dem die USA bisher kein solches hatten, hat Trump bisher nicht abgeschlossen. Ein Deal mit der Schweiz hätte also womöglich eine gewisse Symbolkraft.
Dafür muss es allerdings erst formelle Verhandlungen geben. Die Grundlage dafür habe man gelegt, sagt Schneider-Ammann. Die Absichtserklärung über die Zusammenarbeit in der Berufsbildung, die man am Montag unterzeichnet habe, habe in Washington viel guten Willen erzeugt.
Er wies darauf hin, dass zur Unterzeichnung der Erklärung in einem Vorort von Washington nicht weniger als drei Minister aus Trumps Regierung erschienen seien – und die Präsidententochter Ivanka Trump mit dazu. «Das», sagte Schneider-Ammann, «war mir eine grosse Ehre. Wir müssen jetzt diesen Goodwill auf das Handelsthema übertragen.» Er selbst wird den weiteren Fortgang allerdings aus dem Ruhestand verfolgen – und darauf hoffen, dass sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin die Sache zu Ende führt.
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