Scharfer Appell aus Brüssel
José Manuel Barroso zeigt sich beunruhigt über die Schuldenkrise. Er hat einen Brief an die 17 Euro-Staaten verfasst. Darin bringt er eine erneute Aufstockung des 440 Milliarden schweren Krisenfonds ins Gespräch.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat zwei Wochen nach dem Euro-Gipfel eine neue Debatte über den Rettungsfonds EFSF angestossen. In einem veröffentlichten Schreiben an die Staats- und Regierungschefs der 17 Mitgliedsländer forderte er «eine rasche Neubewertung aller Elemente im Zusammenhang mit dem Euro-Rettungsfonds EFSF». Eine Kommissionssprecherin erklärte, Barrosos Forderung beziehe sich auf «alle Elemente», einschliesslich das Volumen des Rettungsfonds. Analysten hatten bereits dessen Aufstockung gefordert.
In Berlin hält man eine Neueröffnung der Debatte zu diesem Zeitpunkt für unangebracht. Aus Regierungskreisen verlautete, es sei nicht zu erkennen, inwieweit das nur zwei Wochen nach dem Gipfel zu einer Beruhigung der Märkte beitragen solle. Barroso sieht aber durchaus Diskussionsbedarf, wie aus seinem Schreiben hervorgeht. Seine Sprecherin erklärte, es müsse weitere Debatten zu dem Thema geben. Ob ab September, oder vielleicht schon eher, wieder diskutiert wird, darüber wollte sie nicht spekulieren.
Mit Zapatero telefoniert
Priorität habe die rasche Umsetzung der beim Gipfel Mitte Juli gefassten Beschlüsse, sagte sie. Erst am Mittwoch hatten europäische Politiker Krisengespräche gehalten, nachdem die spanischen und italienischen zehnjährigen Anleihen in den vergangenen Tagen neue Rekordhöhen seit Einführung des Euros erreicht hatten. Barroso hatte mit dem spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero telefoniert. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und der italienische Finanzminister Giulio Tremonti trafen sich unterdessen in Luxemburg. Dass Barroso mitten in der Sommerpause fordert, den EFSF auf den Prüfstand zu stellen, lässt darauf schliessen, dass einige Länder von ihren Zusagen bereits wieder Abstand genommen haben.
Analysten sehen nach der Griechenland-Krise besonders Italien als Wackelkandidaten. Griechenland habe zum Teil sehr schmerzhafte Reformen beschlossen, in Spanien sehe man in Teilen umfassende Reformbestrebungen, sagte Commerzbank-Analyst Eckart Tuchfeld. «Für Italien würden wir das aber nicht ganz so sehen.»
Arbeit unter Hochdruck
In dem Schreiben vom Mittwoch erinnerte Barroso an die Beschlüsse des Gipfeltreffens vom 21. Juli. Dabei ging es nicht nur um ein weiteres Hilfspaket für Griechenland unter Beteiligung des Privatsektors, sondern auch um mehr Flexibilität beim Einsatz des Schutzschirms EFSF. Die Beschlüsse hätten nicht den erwünschten Effekt auf die Finanzmärkte gehabt, schreibt Barroso. Die Entwicklung bei den Staatsanleihen von Italien, Spanien und anderen Euro-Staaten gebe Anlass zu grosser Sorge. Deshalb gelte es nun die Beschlüsse schneller umzusetzen, ohne zusätzliche Bedingungen zu stellen.
Aus Kreisen der Bundesregierung verlautete, man arbeite zur Zeit mit Hochdruck an einer zeitnahen Umsetzung der Beschlüsse. Es gelte nun nicht, wieder Fragen aufzuwerfen, die bereits am 21. Juli beantwortet worden seien.
Undisziplinierte Kommunikation
Die Märkte würfen ein Schlaglicht auf die undisziplinierte Kommunikation und die Komplexität und Unvollständigkeit des Pakets, erklärte Barroso. Es sei noch immer nicht gelungen, die Märkte zu überzeugen, «dass wir die angemessenen Schritte unternehmen, um die Krise zu beenden». Woran auch immer dieses Unvermögen gelegen habe, es sei deutlich, dass es sich längst nicht mehr nur um eine Krise in der Peripherie der Eurozone handele.
Analysten hatten bereits das Volumen des Rettungsfonds als unzureichend bemängelt und eine Aufstockung gefordert. Von den derzeit vereinbarten 440 Milliarden Euro bliebe abzüglich unter anderem der Griechenland-Hilfe nicht mehr genug Geld, um etwaige weitere Wackelkandidaten zu unterstützen.
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