Scharfe Rüge für die Staatsanwälte
Wer ein Verfahren beginnt, soll es auch zu Ende führen: In einem Fall von Anlagebetrug wendet sich das Bundesstrafgericht gegen die Bundesanwaltschaft.

Verfahrensökonomie schön und gut – aber die Verfahren müssen trotzdem beendet werden, und zwar von jener Behörde, die sie auch begonnen hat. Mit diesem Entscheid verhindert das Bundesstrafgericht in Bellinzona den Plan der Bundesanwaltschaft (BA), das eingefrorene Vermögen aus einem Ermittlungsverfahren wegen Anlagebetrugs einem Konkursamt zur Verteilung zu überlassen. Der Beschluss ist vom Dezember 2018, darf aber erst heute veröffentlicht werden.
Für die Geschädigten in dem Betrugsfall ist das eine gute und eine schlechte Nachricht: Die gute ist eine gewisse Rechtssicherheit. Sie wissen nun, mit welcher Behörde sie verhandeln und dass diese den Fall nicht einfach an eine andere Behörde abgeben kann. Die schlechte Nachricht ist, dass sich die Auszahlung und Verteilung des beschlagnahmten Vermögens weiter verzögern könnte.
«Die Schweiz ist doch ein Rechtsstaat ...»
Der deutsche Rechtsanwalt Oliver Frick, der sechs Geschädigte vertritt, findet den Entscheid des Bundesstrafgerichts zwar «sehr erfreulich», wundert sich aber, «dass es überhaupt so weit kommen konnte: Die Schweiz ist doch ein Rechtsstaat, und es gab bereits einen höchstrichterlichen Entscheid, dass die Bundesanwaltschaft ein Verfahren nicht einfach wegschieben kann.»
Frick kann aber auch nicht sagen, wann seine Mandanten Geld sehen werden. Die BA habe keinen Zeitraum bis zur Auszahlung genannt. Ob die BA gegen diesen Beschluss Rechtsmittel eingelegt hat und sich das Verfahren damit weiter verzögert, ist derzeit nicht bekannt.
Schneeballsystem mit 80-Millionen-Schaden
Dabei ist der Fall nun schon gut zehn Jahre alt. Damals flog ein riesiger Anlagebetrug auf. Die von Deutschen geführte New Yorker Firma BCI (Business Capital Investors Corporation) hatte mit einer Traumrendite von 15,5 Prozent um Anleger geworben. Viele glaubten daran, vor allem Kleinanleger, die ihre Rente absichern wollten. Sie liefen in die Falle.
Die angeblich sicheren Fonds entpuppten sich als Schneeballsystem: Geld neuer Investoren wurde den alten Investoren als Rendite ausgezahlt. Als jedoch nicht mehr genug neue Kunden einzahlten, brach das System zusammen. Der Schaden dürfte bis zu 80 Millionen Franken betragen.
Acht Verantwortliche der BCI wurden verhaftet, in Deutschland vor Gericht gestellt und 2014 zu Gefängnisstrafen zwischen einem Jahr und zehneinhalb Jahren verurteilt. Das Geld der Anleger hatten sie über mehrere Landesgrenzen hinweg verschoben, bis es auf Treuhandkonten in der Schweiz landete. Dort beschlagnahmte die BA 2008 immerhin noch 12,2 Millionen Franken.
«Jahrelang wurden keine Entscheidungen getroffen.»
Eigentlich könnte der Fall BCI also längst abgeschlossen sein. Doch während einige der Täter schon wieder in Freiheit sind, kämpfen ihre Opfer noch immer darum, aus den in der Schweiz beschlagnahmten Millionen einen kleinen Schadenersatz zu bekommen. Die BA zeigte sich dabei nicht gerade kooperativ. «Jahrelang ist nichts passiert, es wurden keine Entscheidungen getroffen», sagt Anwalt Oliver Frick, der auch darüber klagt, dass es «unheimlich schwer war, überhaupt jemanden bei der Bundesanwaltschaft zu erreichen».
Im Sommer 2018 kam schliesslich doch Bewegung in den Fall. Freilich nicht so, wie sich das die Geschädigten vorgestellt hatten. Die BA teilte mit, dass sie das gesamte beschlagnahmte Vermögen der BCI an das Betreibungsamt Bern-Mittelland überweisen werde. Dieses Betreibungsamt hatte 2012 ebenfalls Anspruch auf die 12,2 Millionen erhoben. Es hätte das Geld auch verteilt, bloss an viel mehr Personen, deren Ansprüche zum Teil unklar und nicht gerichtlich geprüft waren.
Vermögen beschlagnahmen – und dann?
Diesen Entscheid fochten mehrere Anleger beim Bundesstrafgericht in Bellinzona an – und bekamen recht. Der Beschluss der Richter in Bellinzona ist eine scharfe Rüge an die Staatsanwälte: Die Einziehung von Vermögenswerten gehöre «zur Kernaufgabe von Strafgerichten bzw. Staatsanwaltschaften. Der Grundsatz, dass Verfahren möglichst zweckmässig durchgeführt und rasch zum Abschluss gebracht werden sollen, könne nicht dafür herhalten «ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren erst gar nicht durchzuführen».
Einfacher gesagt: Wenn die Staatsanwälte Vermögen beschlagnahmen, dann müssen sie selbst entscheiden, was damit geschieht und wer es bekommt.
Die Medienstelle der Bundesanwaltschaft verweist darauf, dass das Urteil des Bundesstrafgerichts noch nicht rechtskräftig sei, deshalb könne man sich dazu nicht äussern. In einer Stellungnahme zur Beschwerde warnten die Staatsanwälte vor der «enormen Bindung von Ressourcen sowie einer massiven Verlängerung der Verfahrensdauer», sollte sie sich um eingezogenes Vermögen selbst kümmern müssen.
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