Entscheid der SRF-AufsichtSascha Ruefer soll bei heiklen Spielen zur Politik weiterhin schweigen
Ein Aktivist monierte, dass der Fussball-Kommentator die Repression in Belarus ausblendete. Die Ombudsstelle findet, er habe richtig gehandelt. SRF entschuldigt sich trotzdem.

Es war aus Schweizer Sicht ein schöner Fussballabend. 5:0 gewann die Nationalmannschaft am 25. März gegen Belarus.
Für SRF kommentierte Sascha Ruefer – nach aufgeregten Tagen. Ruefer hatte kurz zuvor mit den Worten Schlagzeilen gemacht, wonach Nati-Captain Granit Xhaka «vieles, aber kein Schweizer» sei. Die Äusserung hatte er vor der Ausstrahlung einer TV-Dokumentation zurückgezogen, und sie wurde nicht ausgestrahlt. Einen Shitstorm gab es trotzdem. (Lesen Sie hier mehr dazu.)
Gegen Belarus spielte Xhaka gut. Und Ruefer schwieg am TV-Mikrophon nicht nur zu seiner «Kein Schweizer»-Äusserung. Sondern auch zur Menschenrechtssituation in Belarus, obwohl die Repression durch das Lukaschenko-Regime direkte Auswirkungen auf das Nationalteam hatte. Im Livekommentar sprach Ruefer nur von «Machenschaften im belarussischen Fussball» und von einer «Mannschaft im Umbruch». Er vermied es, die politischen Hintergründe zu thematisieren. Und dies, obschon für Belarus nicht aufläuft, wer am besten spielt, sondern wer Machthaber Alexander Lukaschenko genehm ist und für das Regime Propaganda macht. Verschiedene Schweizer Medien hatten dies in den Tagen vor dem EM-Qualifikationsspiel dokumentiert. Diese Zeitung benannte sieben qualifizierte Spieler, welche die Landesauswahl boykottieren oder auf einer schwarzen Liste des Sportministers stehen.

Doch Ruefer und sein Moderationskollege Rainer Maria Salzgeber, der vor und nach dem Spiel und in der Pause durch das Programm führte, blendeten den politischen Kontext aus. Und SRF-«Experte» Benjamin Huggel liess es bei der Bewertung bewenden, die weissrussische Mannschaft sei «nicht wirklich gut».
Schon kurz nach Abpfiff reichte deshalb Lars Bünger eine Beanstandung bei der Ombudsstelle von SRF ein. Bünger, Präsident der schweizerisch-deutschen Menschenrechtsorganisation Libereco, kritisierte, dass das Fernsehen nicht sachgerecht über das Spiel berichtet habe und seiner journalistischen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen sei.
SRF wehrt sich
Die SRF-Sportredaktion wehrte sich gegen diese Vorwürfe. «Unser Kerngeschäft ist der Sport und nicht die Politik», rechtfertigte sie sich. «Wir berichten, wenn das Thema für unser Publikum relevant ist.» Man beziehe nicht Partei. «Bei aller Kritik um die Teilnahme von russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten an internationalen Wettkämpfen» seien die Spiele der Nationalmannschaft «Ereignisse, bei denen es um Höchstleistungen, Tore und Emotionen geht». Darüber werde man berichten.
Korrekt war es gemäss SRF, dass Sascha Ruefer darauf verzichtete, «nicht überprüfte – und auf deren Wahrheitsgehalt gesicherte – politische Details, die ihm nicht vorlagen, wiederzugeben». Allerdings hat SRF selber im Vorfeld des Spiels geschrieben, «dass einige Spieler, die Diktator Alexander Lukaschenko wegen ihrer politischen Ansichten nicht genehm sind, nicht mehr aufgeboten werden oder freiwillig auf Einsätze im Nationalteam verzichten». Dies geschah in einem im Vergleich zur Liveübertragung marginal beachteten Onlinetext.

Die Sportredaktion von SRF schreibt dazu: «Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Belange, die mit dem Ereignis zusammenhängen, werden nicht ausgeklammert, sondern in dafür geeigneteren Gefässen behandelt.» Die Aufsichtsstelle findet dies in Ordnung. Die beiden Ombudsleute, Esther Girsberger, einst «Tages-Anzeiger»-Chefredaktorin, heute selbstständige Moderatorin, und Mediendozent Kurt Schöbi haben die Beanstandung abgewiesen. Zwar wäre auch für sie «ein Hinweis auf mögliche politische Machenschaften im Expertengespräch vor dem Spiel oder im Rahmen der Analyse nach dem Spiel durchaus denkbar gewesen». Aber sie kommen zum Schluss, dass mit dem Ausblenden des Kontexts in der Übertragung das Gebot der Sachgerechtigkeit nicht verletzt wurde.
In Katar war Ruefer zu politisch
Insbesondere wenn der Ball rollt, sollen die Kommentatoren zu Politischem schweigen. Dies machte die Ombudsstelle bereits in einer Beanstandung zur Fussball-WM 2022 klar. Sascha Ruefer hatte während der Eröffnungsfeier und dem Auftaktspiel im vergangenen November live wiederholt die Gastgeber kritisiert und mehrfach gesagt, dass das Turnier nie an Katar hätte vergeben werden dürfen. Dafür gab es einen Rüffel des Aufsichtsduos. «Kritik an der Vergabe darf vor und nach dem Spiel geäussert werden», befanden Girsberger und Schöbi. «Nicht aber während des Spiels.»
Ist Ruefer deswegen im Belarus-Spiel verstummt? Die SRF-Sportredaktion stellt dies in Abrede: «Die Rüge hatte keinen Einfluss auf die Liveberichterstattung.»
Menschenrechtsaktivist Lars Bünger zeigt sich über die Abweisung seiner Beanstandung enttäuscht. «Dass die Sportkommentatoren jetzt nicht gross auf die politische Lage in Belarus hinweisen, kann man ja noch nachvollziehen», sagt er. «Aber meine Beschwerde bezog sich ja auf deren Kernaufgabe: die Berichterstattung über die sportlichen Leistungen der belarussischen Mannschaft.» Das Team habe ja alle Spiele der vergangenen Jahre verloren. «Dass dann die drei Moderatoren in ihrer Bewertung der sportlichen Leistung ahnungslos tun und dem TV-Publikum nicht einmal andeutungsweise erklären, woran diese schlechte sportliche Leistung liegen könnte, ist schon ein Armutszeugnis.»

Etwas Genugtuung hat Bünger doch noch erhalten. Der Libereco-Präsident hatte die drei SRF-Kommentatoren bereits vor dem Spiel wiederholt in E-Mails auf die Repression im weissrussischen Sport hingewiesen. Rainer Maria Salzgeber und Benjamin Huggel wiesen ihn harsch ab. Dies hat SRF nun bedauert. Es hat sich in der Stellungnahme dafür entschuldigt.
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