«Rund 80 Prozent der jungen Ägypterinnen sind beschnitten»
Shereen El Feki hat über das arabische Liebesleben geforscht und erklärt die Gewalt gegen Frauen auf dem Tahrir-Platz.

Während der letzten Protesttage gabs auf dem Tahrir-Platz laut Human Rights Watch rund hundert Vergewaltigungen und ähnlich schwere Übergriffe. Wie passt das zum Streben nach Freiheit?
Es ist schlimm. Das autoritäre System fördert die Strategie, eigene Schwächen und Frustrationen mittels Demütigung noch Schwächerer zu kompensieren. In der ersten, hoffnungstrunkenen Welle des Widerstands 2011 blieben die Frauen daher verhältnismässig unbehelligt, doch bei den Mursi-Protesten wurde es richtig gefährlich für sie. Im patriarchalen Ägypten will man Macht demonstrieren statt Enttäuschung. Die Vaterfiguren Mubarak und Mursi wurden mittlerweile zwar abgelöst, aber bis sich die Gedanken- und Gefühlswelt ändert, dauerts. Bei den Befragungen habe ich festgestellt, dass Frauen oft einen Zusammenhang zwischen dem Wandel der Verhältnisse und ihrer Situation als Frau sehen, während Männer Frauen- und Freiheitsrechte gern fein säuberlich trennen. Da muss noch viel passieren. Ich benutze gern das Bild der Startbahn: Im Westen stieg die Frauenbefreiung nicht wie ein Helikopter auf, sondern brauchte eine lange Anlaufstrecke – wie ein schweres Transportflugzeug. In Ägypten haben wir noch nicht mal die Startbahn, geschweige denn das Flugzeug.