Ronaldo muss loslassen
Juventus hatte einen Plan. Und das Werkzeug zur Umsetzung hiess Cristiano Ronaldo. Nach dem Aus gegen Ajax ist die Leere gross. Auch beim Frontmann der Schwarz-Weissen.
Irgendwann muss es der Vereinsleitung von Juventus Turin ähnlich ergangen sein wie jener des FC Basel. Nicht dass hier zwei Vereine aus zwei unterschiedlichen Fussballkulturen verglichen werden sollen. Aber beim FC Basel war den Verantwortlichen nach acht Titeln in Serie klar: Wir können unserem Publikum nicht viel mehr bieten als den anhaltenden nationalen Erfolg und das eine oder andere Ausrufezeichen im Europacup.
In Turin ist die Situation ähnlich. Seit sieben Jahren gewinnt nur noch Juventus den Scudetto. International waren die Schwarz-Weissen zwar immer vorn mit dabei und standen 2015 und 2017 gar im Final der Champions League. Aber die ganz grosse Ekstase, den ersten Gewinn der Königsklasse seit 1996, die konnte Juventus Turin seinen Anhängern nicht bieten. Der «Corriere della Sera» schreibt von einer «kulturellen Erschöpfung». Und das Mittel gegen diese kulturelle Erschöpfung hiess: Cristiano Ronaldo. Das war zumindest der Plan.
«Dafür hat man mich geholt», hatte Ronaldo nach seinen drei Toren gegen Atletico Madrid gesagt, mit denen er im Achtelfinal eine 0:2-Hypothek aus dem Hinspiel wettmachte. Der Portugiese meinte mit seiner Aussage nicht nur diese Tore, «dafür» stand stellvertretend auch für den Titel im glitzerndsten Wettbewerb des Clubfussballs.
Die Geschichtsbücher müssen warten
Als Juventus am Dienstagabend im Viertelfinal an Ajax Amsterdam scheiterte, an diesem jugendlichen Haufen Kurzpass-spielender Feintechniker, da brach dieser Plan von Juventus Turin in sich zusammen. Das schafft eine Leere. Und diese Leere kann auch der Gewinn der Serie A, der am Wochenende Tatsache werden dürfte, nur bedingt ausfüllen. Denn wie ausgelassen kann dann die Freude sein? Nach sieben Titeln in Serie? Wenn man das eigentliche, insgeheim erhoffte Ziel, den Gewinn der Champions League, verpasst hat?
Doch nicht nur Juventus muss sich all diese Fragen stellen. Sondern auch ihr Frontmann, auf den die ganze fussballerische Ausrichtung abgestimmt scheint. Ronaldo wird bald in drei der fünf grossen europäischen Ligen den Meistertitel gewonnen haben. Aber er verpasst mit dem Ausscheiden aus der Champions League auch jede Menge Rekorde, die für den 34-Jährigen bei der Bearbeitung der Geschichtsbücher wesentlich wären.
Clarence Seedorf und Samuel Eto'o haben zum Beispiel mit drei Vereinen die Champions League gewonnen. Ronaldo hätte der dritte sein können. Francisco Gento, genannt «Paco», hat in den 1950er- und 60er-Jahren sechsmal den Meistercup gewonnen, den Vorgänger der Champions League. Ronaldo steht bei fünf Titeln.
Zudem hätte Ronaldo mit seinen 162 Einsätzen in den nächsten Runden näher an Rekordspieler Iker Casillas (176 Einsätze) herankommen können. Doch auch diese Marke muss Ronaldo vorerst loslassen.
Der Ballon d'Or scheint unerreichbar
Und das Rennen um den Ballon d'Or, die Auszeichnung für den besten Fussballer der Saison, dürfte für Ronaldo 2019 gelaufen sein. Vor allem, weil sein ewiger Mitstreiter Lionel Messi mit mehr Toren als Einsätzen in der laufenden Champions League mit seinem FC Barcelona den Halbfinal erreicht hat. Auch deswegen kommt Ronaldo kaum noch infrage, wenn es um die Nachfolge Luka Modrics geht.
Es wäre freilich unangemessen, von einer verkorksten Saison zu sprechen. Dafür ist Ronaldo in der Fussballwelt zu sehr taktangebend, schliesslich verpasst er zum ersten Mal seit 2010 den Halbfinal der Königsklasse. Aber für seine Verhältnisse schwimmen Ronaldo in diesen Stunden ein klein wenig die Felle davon.
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