«Rohani, kümmere dich um das Wohl des Landes»
Die Erwartungen an Hassan Rohani sind immens – im Iran wie auch international. Dabei ist der 64-Jährige kein klassischer Reformer. Israels Benjamin Netanyahu warnte bereits vor «Wunschdenken».

Überraschend deutlich hat der Kandidat des Reformlagers, Hassan Rohani, bereits im ersten Durchgang die iranische Präsidentenwahl gewonnen. Nach seinem Sieg kündigte der moderate Kleriker eine deutliche politische Kurskorrektur an. «Ich freue mich, dass im Iran endlich wieder die Sonne der Vernunft und der Mässigung scheint», sagte Rohani.
Der 64-Jährige hatte die Wahl auf Anhieb mit 50,7 Prozent der Stimmen gewonnen. Er tritt die Nachfolge des international umstrittenen Staatschefs Mahmoud Ahmadinejad an.
Zehntausende feierten in Teheran den Sieg des Reformkandidaten. «Ahmadi (Ahmadinejad), bye-bye!», riefen sie, und: «Rohani, kümmere dich um das Wohl des Landes.»
Netanyahus Warnung
Ein klassischer Reformer ist Rohani nicht. Doch in dem Feld konservativer Kandidaten avancierte der 64-jährige Kleriker in den letzten Tagen vor der iranischen Präsidentschaftswahl zum Hoffnungsträger der Reformbewegung. Internationale Gesprächspartner erhoffen sich durch seine Wahl neues Verhandlungspotenzial.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat heute jedoch vor voreiligen Hoffnungen in den Ausgang der iranischen Präsidentschaftswahlen gewarnt. Die Weltgemeinschaft müsse den Druck auf die iranische Führung aufrechterhalten, damit diese von ihren atomaren Plänen abrücke, sagte Netanyahu zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung. Mit dem Versprechen, die gesellschaftlichen Kontrollen zu lockern und im Atomstreit durch einen Ausgleich eine Aufhebung der verheerenden Sanktionen zu suchen, gewann Rohani die Präsidentschaftswahl gestern schon in der ersten Runde mit knapp 51 Prozent.
Netanyahu: «An seinen Taten messen»
Die internationale Staatengemeinschaft dürfe, sagt Netanyahu weiter, «nicht in Wunschdenken verfallen und der Versuchung nachgeben, den Druck auf den Iran zu verringern». Das Land müsse «an seinen Taten gemessen werden. Und wenn Teheran seine nuklearen Ziele weiterverfolgt, muss die Antwort klar sein – das Atomprogramm muss dann mit allen Mitteln gestoppt werden», sagte Israels Regierungschef.
Auch US-Aussenminister John Kerry will Rohani nun beim Wort nehmen. «In den kommenden Monaten hat er die Gelegenheit, seine Versprechen einzuhalten», sagte er in einer ersten Reaktion.
Rückzug des früheren Reformpräsidenten
Ein überraschender Triumph, galt der stets mit einem Turban bekleidete 64-Jährige doch zu Beginn des Wahlkampfs noch als weitgehend chancenlos. Im Ausland konzentrierte sich das Interesse zunächst auf den Reformer Mohammed Reza Aref. Doch auf Drängen des früheren Reformpräsidenten Mohammed Khatami zog sich der Universitätsdozent kurz vor der Wahl zurück.
Mit grossem Nachdruck rief Khatami seine Anhänger zur Wahl Rohanis auf. Auch der pragmatische Ex-Präsident Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, der selbst nicht zur Wahl zugelassen wurde, stellte sich hinter Rohani. Der Iranexperte Rasool Nafisi von der Strayer University im US-Staat Virginia sagt, eigentlich sei Rafsanjani der grosse Hoffnungsträger der entmutigten Reformbewegung. «Rohani bekommt nun ihre Unterstützung, weil er als Rafsanjanis Mann gilt. Die Stimmen für Rohani waren Stimmen für Rafsanjani», lautet seine Analyse. Viele Reformer hoffen insgeheim, dass Rohani als Präsident sich hinter den Kulissen eng mit seinem Mentor Rafsanjani abstimmen wird.
Während sich Moderate und Reformer also geschlossen hinter Rohani versammelten, gelang es den Konservativen nicht, sich auf einen Kandidaten zu einigen. Rohani, der zu einem lockigen grauen Bart den Turban der Geistlichkeit trägt und den mittleren Rang eines Hojatolislam bekleidet, war der einzige Kleriker im Feld der Kandidaten.
Mässigung in allen Bereichen
Auch wenn er kein ausgesprochener Reformdenker ist, sprach er sich im Wahlkampf für eine gesellschaftliche Liberalisierung und für eine Stärkung der Rechte der Frauen aus. Im Atomkonflikt plädierte Rohani, der als Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats von 2003 bis 2005 die Verhandlungen leitete, für eine Annäherung an den Westen.
«Ich billige nicht die aktuelle Aussenpolitik des Landes. Wir wollen gute (internationale) Beziehungen, um Schritt für Schritt die Sanktionen zu reduzieren und letztlich ihre Aufhebung zu erreichen», sagte Rohani, dessen Symbol ein Schlüssel ist – wie er sagt, um die Tür zur Lösung der Probleme zu öffnen.
Als Atomunterhändler hatte er 2003 während der Präsidentschaft Khatamis bei Gesprächen mit Berlin, London und Paris in die Aussetzung der umstrittenen Urananreicherung und die Anwendung des Zusatzprotokolls des Atomwaffensperrvertrags eingewilligt, das unangekündigte Besuche von Atominspektoren zulässt. Nach der Wahl von Präsident Mahmoud Ahmadinejad im Juni 2005 wurde er jedoch von seinem Posten abberufen und die Urananreicherung wenig später wieder aufgenommen.
Kein grundlegender Kurswechsel
Ein grundlegender Kurswechsel in der Aussenpolitik ist von Rohani jedoch nicht zu erwarten: Das letzte Wort liegt beim geistlichen Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei.
Tiefgreifende Änderungen bei der Presse- und Meinungsfreiheit sowie im Umgang mit Dissidenten, von denen seit der Niederschlagung der Proteste nach der Wahl 2009 noch immer Dutzende in Haft sitzen, dürften ebenfalls schwer durchsetzbar sein.
Doch nach den permanenten Provokationen des bisherigen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad gibt es für den Westen mit einem Präsidenten Rohani auf jeden Fall Grund zum Aufatmen. Und sein klarer Sieg in der ersten Runde bei einer hohen Beteiligung von 72 Prozent stärkt seine Position.
dapd/ sda/ afp/mrs
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