Risse in der Brandmauer gegen die AfD
Die CDU schliesst vor den Wahlen jegliche Zusammenarbeit mit der AfD aus, selbst den «Kaffeeplausch» unter Kommunalpolitikern. Doch wie lange hält die Partei das durch?

Wenn der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer oder der thüringische Oppositionsführer Mike Mohring dieser Tage im Wahlkampf für die CDU werben, klingt es stets klar und unmissverständlich: Die Partei geht keinerlei Zusammenarbeit mit der rechten Alternative für Deutschland (AfD) oder der Linkspartei ein, egal wie die Wahlresultate ausfallen.
Der Sachse und der Thüringer halten sich damit im Grunde nur an den Beschluss, den die CDU am Parteitag im Dezember gefasst hat. Dennoch versteht sich ihr Bekenntnis nicht von selbst. In den vergangenen Monaten war in den östlichen Bundesländern immer wieder die Debatte aufgekommen, ob der Entscheid den politischen Realitäten überhaupt noch gerecht werde.
Lieber Notregierungen?
Bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen könnte die AfD zur stärksten Partei aufsteigen. Regierungen unter Ausschluss von AfD und Linkspartei, die zusammen gegen 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, dürften so schwierig, wenn nicht unmöglich werden. Der brandenburgische CDU-Chef Ingo Senftleben sprach deswegen schon länger davon, Bündnisse mit AfD oder Linkspartei notfalls zu erwägen. Er wurde aber von der Parteileitung sogleich zurückgepfiffen.
In Sachsen-Anhalt, wo 2021 gewählt wird, dachten die stellvertretenden Fraktionschefs im Juni über ein mögliches Bündnis mit der AfD nach – schliesslich könne man heute noch nicht wissen, ob sich in der AfD die «Liberalen oder die Radikalen» durchsetzen würden. Ähnlich äusserten sich Hans-Georg Maassen, der entlassene Chef des Bundesverfassungsschutzes, oder Alexander Mitsch, der Chef der sogenannten Werteunion, einer äusserst konservativen Strömung in der CDU.
Um die erneute Debatte im Keim zu ersticken, verschärfte die Unionsspitze ihren Ton. Nachdem ein Rechtsextremer den CDU-Politiker Walter Lübcke ermordet hatte, gab CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer der AfD eine Mitschuld an der Tat. Wer die AfD unterstütze, nehme Hass, Hetze und mittelbar auch Gewalttaten in Kauf. Mit einer zunehmend rechtsextremen Partei, die gezielt das gesellschaftliche Klima vergifte, verbiete sich jede Zusammenarbeit. Mitgliedern, die sich nicht an das Verbot hielten, drohte sie Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus der Partei an.
Nicht einmal ein «Kaffeeplausch» auf kommunaler Ebene mit der AfD sei erlaubt, präzisierte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Chef warnte zuletzt, die AfD sei daran, zur «wahren NPD» zu werden – einer Neonazi-Partei also. Eine ARD-Umfrage ermittelte Ende Juli, dass im Westen fast 70 Prozent der Deutschen den Ausschluss der AfD gutheissen – im Osten dagegen nur eine knappe Minderheit. Im Osten wird sich in den nächsten Jahren also am ehesten zeigen, ob die CDU-Brandmauer auf Dauer hält.
Unterstützung von der AfD erforderlich
Was auf Bundes- und Landesebene gilt, lässt sich in kleinen ostdeutschen Gemeinden und Städten faktisch schon heute nicht mehr durchsetzen. Wenn es nicht um «grosse Politik», sondern um neue Verkehrsampeln, Kitas oder die Feuerwehr geht, kooperieren CDU und AfD manchmal schon heute.
Die Zusammenarbeit reicht von der gegenseitigen Unterstützung von Kandidaten bis hin zur Absprache in Sachfragen. In Kleinstädten Thüringens, Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns sorgten CDU und AfD zuletzt etwa gemeinsam für eine «konservativere» Besetzung von Ausschüssen. Im sächsischen Meissen liess sich der Kandidat der CDU von der AfD unterstützen, um in der Bürgermeisterwahl den Bürgerrechtler Frank Richter zu besiegen, der die SPD vertrat. Und in Sachsen-Anhalt bot die CDU der AfD sogar im Landtag Hand, dass diese einen Untersuchungsausschuss gegen Linksextremismus einrichten konnte.
In kleinen Städten und Gemeinden im Osten kooperieren CDU und AfD manchmal schon heute.
Wurden solche Kooperationen bekannt, fielen die Reaktionen stets ähnlich aus: Der Chef oder der Generalsekretär der Landes-CDU rief den «Fehlbaren» die geltenden Verbote in Erinnerung, tadelte ein bisschen – und beliess es dann dabei. Disziplinarische Folgen hatte die Zusammenarbeit bisher nie. Vor Ort zeigten vielmehr selbst linke Politiker Verständnis: Wo jeder Dritte oder Vierte AfD wähle, könne man ja schlecht so tun, als seien deren Gemeindevertreter gar nicht da.
Nach der Wahl am 1. September könnte es für die CDU in Sachsen nun aber erstmals auch auf Landesebene kritisch werden. Statt mit den verhassten Grünen zu koalieren, solle man doch besser eine Minderheitsregierung bilden, fordern besonders konservative Mitglieder von Michael Kretschmers bereits ausgesprochen konservativer CDU. Allerdings würde dies wohl erfordern, sich von Fall zu Fall auch Unterstützung von der AfD zu holen.
Die CDU bräche mit dieser indirekten Zusammenarbeit in jedem Fall ein Tabu. Im aktuellen Bundestag etwa stimmen die Unionsabgeordneten nie für einen Vorstoss der AfD. Selbst wenn sie inhaltlich nichts daran auszusetzen haben, reichen sie lieber einen eigenen Antrag ein.
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