RENDEZVOUS: DER WÄDENSWILER MICHAEL ERDLEN (39), RUDERTRAINEREr sitzt nur in ein ambitioniertes Boot
Psychologie spielt eine Hauptrolle in seinem Job, sagt Michael Erdlen. Einen Kurs hat der 39-jährige Wädenswiler allerdings nie besucht. Er vertraut seinem Fingerspitzengefühl und seiner Erfahrung.
Michael Erdlen ist seit knapp einem Jahr Trainer des ambitioniertesten Schweizer Ruderbootes: Der Doppelzweier von André Vonarburg und Florian Stofer. Gestern ist Erdlen mit seinen beiden Schützlingen nach Poznan, Polen, geflogen - an die Ruder-WM. Der Startschuss fällt am Sonntag. Für Termine mit der Presse streift Erdlen meist das Polo-Shirt des Verbandes Swiss Rowing über. Er ist ein gewissenhafter Trainer. Er braucht am Wettkampf keine Checkliste, er hat sie im Kopf: Das Boot abladen und die Einstellungen kontrollieren. Die Gegner analysieren und immer den Kopf bei der Sache haben. Ein Rudertrainer arbeitet mehr vor dem Wettkampf als während des Wettkampfs. Erdlen vergleicht die Situation mit der Leichtathletik. Bei einigen Strecken ist es möglich, die Boote vom Ufer aus auf dem Rad zu begleiten und die Athleten anzufeuern. Doch das bringe nichts, weil sie die Trainer gar nicht hören, sagt Erdlen. «Das macht man mehr, um das Gewissen zu beruhigen.» Olympische Spiele 2012 in London heisst das grosse Ziel des Rudertrainers. Die WM in Poznan ist eine wichtige Zwischenstation auf diesem Weg. Für die Athleten ist ein gutes Resultat fast wichtiger als für Erdlen. Es würde bei der Sponsorensuche helfen. Erdlen zeigt sich zufrieden mit der Form von Florian Stofer und André Vonarburg. Sie machen Fortschritte. Die Qualifikation für den WM-A-Final sei realistisch. Erdlen sagt: «Manchmal denke ich sogar, dass es für einen vorderen Platz reicht.» Zuversicht geben Michael Erdlen auch die jüngsten Resultate. Beim Weltcup bewies sein Boot, dass es mit der Weltspitze mithalten kann. «Die sechs besten Teams klassierten sich innerhalb einer Sekunde, wir waren eines davon», sagt Erdlen. Der Trainer gehörte einst selbst zur Schweizer Ruderelite. Im Vierer mit Simon Stürm, Christian Stofer und André Vonarburg war er der Älteste und hat zwei olympische Diplome gewonnen. Vor zehn Jahren gewann er im selben Boot den Weltcup. Doch heute würde er behaupten, dass eine Medaille, die man als Trainer gewinnt, mehr Wert hat. Erdlen grinst. Seine Lippen presst er dabei zusammen. Am meisten schöpft er heute aus seiner Erfahrung, die er als Athlet machte. Nur einmal hatte er den Rudersport satt. 1991, als er im Thalwiler Vierer sass, gab es Meinungsverschiedenheiten mit dem damaligen Nationaltrainer. Noch immer hält Erdlen nicht viel von Trainern, die herumschreien. Und wenn ihn ein Athlet anschnauzt, dann gibt er selten postwendend zurück. «Ich warte lieber auf den richtigen Moment, um jemandem die Meinung zu sagen», sagt er. Psychologie eben. Als er sein erstes Traineramt als Juniorentrainer beim Ruderverband übernahm, hat er mit seiner Aktivkarriere abgeschlossen. Er sagt es so bestimmt, dass jeder Einwand unangebracht scheint. Selbst sitzt Michael Erdlen kaum mehr in einem Ruderboot, er vermisst das Rudern nicht. «Keine Zeit», sagt er nur. Seit 23 Jahren arbeitet er zu 100 Prozent als Bauspengler in Wädenswil für die gleiche Firma. Sein Amt als Trainer raubt dazu die Zeit eines 30-Prozent-Jobs. Nur mit schlechtem Gewissen öffnet er die Tür zum Bootshaus des Ruderclubs Thalwil. Er kommt selten hierher. Früher ruderte er am Sonntagmorgen in einem Achter, heute gehen seine Frau und seine beiden kleinen Kinder vor. Erdlen bezeichnet sich als Familienmensch. Darum hat er auch als Erstes seine Frau gefragt, als sein Freund André Vonarburg ihm ein Trainerangebot unterbreitete. Als sie merkte, dass es sich beim Doppelzweier um ein sehr ambitioniertes Projekt handelt, gab sie ihr Einverständnis.
Nur einmal hatte er die Schnauze voll vom Rudersport: Trainer Michael Erdlen aus Wädenswil.
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