«Religion wird hier nur als Vorwand genutzt»
In Deutschland gab es eine Razzia gegen den Verein «Die wahre Religion» und deren Koran-Aktion «Lies!». Was ist das für eine Bewegung? Dazu Islam-Experte Hansjörg Schmid.
Hansjörg Schmid, die Polizei in Deutschland hat heute rund 200 Wohnungen von Mitgliedern der Gruppe «Die wahre Religion» durchgeführt. Was ist das für ein Netzwerk?
Bei DWR handelt es sich um eine Organisation, die in ganz Deutschland, besonders abseits von Moscheen, operiert. Angeführt vom Prediger Ibrahim Abou-Nagie rekrutieren sie ihre bislang Hunderte von Anhängern besonders übers Internet oder an Ständen. Sie vertreten radikale Positionen und stehen für die Meinung, dass es sich bei allem ausserhalb des Islam um Unglaube handelt, der zu bekämpfen ist.
Was sendet die Razzia für ein Signal, insbesondere für gläubige Muslime?
Es werden ganz klar Grenzen aufgezeigt, sie hat möglicherweise für andere radikale Netzwerke eine abschreckende Wirkung. Der Innenminister hat auf der Pressekonferenz klar betont, dass muslimisches Leben einen festen Platz in Deutschland hat, hier aber eingeschritten werden musste, weil Religion nur als Vorwand genutzt wurde. Es ging darum, solchen Organisationen Einhalt zu gebieten.
Was macht diese Verbände so gefährlich?
Viele salafistische Prediger sprechen die Sprache der Jugend, erreichen dadurch besonders junge Menschen aus zerrütteten Familienverhältnissen und mit Exklusionserfahrungen etwa in der Schule. Dagegen können wir vor allem mit Integrationsmassnahmen ankämpfen.

Islam-Experte Hansjörg Schmid. Bild: www.unifr.ch
Es könnte nun aber das Gegenteil der Fall sein und das Misstrauen gegenüber Muslimen verstärken.
Diese Gefahr besteht, aber die meisten muslimischen Vereine in Deutschland oder in der Schweiz zeigen, dass sie den Islam völlig anders sehen als beispielsweise DWR. Es müssen sich jetzt auch nicht zwingend alle Organisationen demonstrativ von DWR distanzieren, wichtiger ist, dass sie Alternativen anbieten.
Zum Beispiel?
Beispielsweise mit Tagen der offenen Moschee oder Medienterminen. Am einfachsten distanzieren sich alle anderen muslimischen Netzwerke, indem sie positiv sichtbar werden. Die Herausforderung besteht darin, jungen Menschen eine Möglichkeit zu bieten, ihren Glauben konstruktiv auszuleben, ohne sich verstecken zu müssen.
Die Aktion «Lies!» war ein Beispiel, wie DWR Anhänger rekrutiert. Weshalb konnte das nicht früher verboten und gestoppt werden?
Obwohl die Behörden «Die wahre Religion» schon länger im Visier haben, muss die Religionsfreiheit stark geschützt werden. Vage Verdachtsmomente reichen da nicht aus, es braucht Beweise. Ein Verbot ist grundsätzlich das letzte Mittel, strafbare Tatbestände müssen nachgewiesen werden.
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