SP reagiert auf Maurer-Bild«Reissen Sie sich zusammen!»
Das war eine Provokation zu viel: Nach Ueli Maurers Shirt-Aktion wendet sich die SP mit einem offenen Brief an sämtliche SVP-Magistraten.

Jetzt greift die zweitgrösste Partei der Schweiz die grösste frontal an: In einem offenen Brief fordern die Sozialdemokraten sämtliche SVP-Magistratspersonen der Schweiz dazu auf, «endlich Verantwortung zu übernehmen». «Anstatt gemeinsam aus der Krise zu kommen, versucht ihr, aus parteitaktischen Überlegungen das Volk zu spalten», heisst es in dem heute Mittag versandten Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt.
Das Fass zum Überlaufen gebracht hat Ueli Maurers Provokation mit dem Shirt der sogenannten Freiheitstrychler, die sich gegen die Corona-Massnahmen des Bundesrats wehren. Gegen jene Massnahmen also, die Maurer als Mitglied der Kollegialregierung offiziell mitbeschlossen hat. (Lesen Sie unseren Kommentar zum Thema: Ueli der Zündler)
«Reissen Sie sich zusammen!», schreibt das Co-Präsidium der SP jetzt an die Adresse von Ueli Maurer und dessen Bundesratskollegen Guy Parmelin, an die Ratspräsidenten Andreas Aebi und Alex Kuprecht, an Parteichef Marco Chiesa, Fraktionschef Thomas Aeschi und alle SVP-Gesundheitsdirektoren in den Kantonen. Es sei «zynisch», dass die SVP alle Impfbemühungen des Gesamtbundesrats, des Gesundheitspersonals und des Grossteils der Bevölkerung seit Monaten systematisch hintertreibe, heisst es weiter.
«Angriff auf die öffentliche Gesundheit»
Die Co-Spitze der SP enerviert sich vor allem über das «Doppelspiel» der SVP, die in sämtlichen Institutionen zwar zentrale Funktionen innehabe, sich aber bei radikalen Impfgegnern «anbiedere». «Bundesrat Ueli Maurer stellt im Bundesrat den Antrag, dass Tests wieder kosten sollen, und unterstützt dann den offenen Boykott der Impfbemühungen. Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die jeden Tag unter der Pandemie leiden und darum kämpfen, sie so schnell wie möglich zu beenden», sagt Co-Präsidentin Mattea Meyer.
Ihr Kollege Cédric Wermuth stört sich auch am offenen Widerspruch zwischen der Haltung der SVP-Gesundheitsdirektoren in grossen Kantonen wie Zürich, Aargau oder Bern, die um den Impffortschritt bemüht seien, und jener Maurers und der SVP-Spitze im Bundeshaus.
Tatsächlich fällt auf, dass namentlich die Gesundheitsdirektoren Natalie Rickli (ZH), Jean-Pierre Gallati (AG) und Pierre Alain Schnegg (BE) die bundesrätlichen Massnahmen meist mittragen, selber harte Massnahmen erlassen und die Impfkampagnen in ihren Kantonen forciert haben. (Zum Thema: Zwischenfall bei Impftram-Premiere in Zürich)

Es gebe nur einen Weg aus der Krise, sind Wermuth und Meyer überzeugt: die Impfung. Alle müssten sich dafür engagieren, dass das Vertrauen in diese Massnahme steige. «Das Verhalten der SVP-Verantwortungsträger ist nicht mehr lustig, es ist ein Angriff auf die öffentliche Gesundheit im Land», sagt Wermuth.
Die SP antwortet auf eine Provokation mit einer Gegenprovokation – und könnte damit potenziell einen tieferen Keil zwischen die politischen Lager treiben. So will Wermuth den Brief allerdings nicht verstanden wissen: «Wir versuchen nur, das Feuer zu löschen, das andere angezündet haben.»
Markus Häfliger ist Bundeshausredaktor und Reporter bei der Seite Drei.
Mehr Infos@M_HaefligerRaphaela Birrer ist Leiterin des Ressorts Inland und Mitglied der Chefredaktion der Redaktion Tamedia.
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