Regierungsrat Weber hielt Strafanzeige zurück
Die Baselbieter Regierung hat eine Strafanzeige gegen die Wirtschaftskammer und die Unia zurückgehalten. Nun wird der Vorwurf der Begünstigung laut.

Der Baselbieter SVP-Regierungsrat Thomas Weber hat sich womöglich der Begünstigung strafbar gemacht: Unterlagen, die der BaZ vorliegen, zeigen, dass der Vorsteher der Volkswirtschaftsdirektion eine Strafanzeige des Kantons gegen die Wirtschaftskammer Baselland und die Gewerkschaft Unia zurückhält. Zudem sind zwischen Weber, der Wirtschaftskammer und der Unia Gespräche geplant, bei denen diskutiert werden soll, ob die Strafanzeige – unter anderem wegen mutmasslichen Betrugs – überhaupt eingereicht werden soll.
Die Behörden müssen mögliche Straftaten zwingend der Staatsanwaltschaft melden, Verhandlungsspielraum gibt es nicht. Der Rechtsdienst warnte Weber denn auch «vor einer strafrechtlichen Verantwortung wegen Begünstigung». Ein Chefbeamter protestierte schriftlich gegen dieses «nicht vertretbare» Vorgehen. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Im Baselbiet kümmern sich die Gewerkschaft Unia und die Wirtschaftskammer Baselland um die Einhaltung der Gesamtarbeitsverträge. Die Sozialpartner sollen also gemeinsam dafür sorgen, dass Arbeitgeber keine Dumpinglöhne bezahlen, sondern ihre Angestellten anständig entlöhnen. Im April machte nun das «Regionaljournal» vom Schweizer Radio SRF Ungereimtheiten publik, die darauf hinweisen, dass die Wirtschaftskammer und die Unia seit 2010 unrechtmässig Lohnabgaben in Millionenhöhe kassiert haben könnten (siehe Box).
Webers Volkswirtschaftsdirektion hat daraufhin einerseits die Kontrollen neu organisiert und anderseits die Ungereimtheiten untersucht. Ein Bericht, der «das 50-Seiten-Papier» getauft wurde, bildete die Grundlage für eine Strafanzeige gegen die verantwortlichen Sozialpartner, also gegen die Gewerkschafts- und Wirtschaftskammer-Chefs. In den der BaZ vorliegenden Unterlagen wird pauschal von strafrechtlicher Relevanz gesprochen. Gemäss Quellen wollte Webers Direktion der Staatsanwaltschaft mutmasslichen Betrug, Urkundenfälschung und Veruntreuung anzeigen. Doch so weit kam es nicht: Thomas Weber hielt die Strafanzeige zurück.
Absprache im Hinterzimmer
Auf Anfrage, was seit dem Radiobericht im April untersucht wurde und wie Thomas Weber mit den Ergebnissen umzugehen gedenke, teilt der Regierungsrat mit: «Bezüglich der Rechtslage in der Vergangenheit der Gesamtarbeitsverträge (Frage der Strafanzeige) sind die vertieften Abklärungen noch am Laufen. Weil das kein Standardfall ist, braucht es hier die notwendige Sorgfalt und etwas mehr Zeit», schreibt Rolf Wirz, Sprecher der Volkswirtschaftsdirektion.
Diese Mitteilung der Volkswirtschaftsdirektion ist nicht korrekt: Die Untersuchung ist abgeschlossen und die Strafanzeige liegt bereit. Statt die Justiz in Kenntnis zu setzen, informierte Webers Direktion die Wirtschaftskammer und die Unia über die noch nicht eingereichte Strafanzeige. Protokolliert ist eine Sitzung vom 13. Juni zwischen Webers Direktion und den genannten Organisationen. Vereinbart wurde, bei weiteren Treffen über die strafrechtliche Relevanz zu sprechen. Die Strafanzeige liegt in der Schublade. Zudem sollten die Wirtschaftskammer und die Unia auch den Untersuchungsbericht erhalten, so die Abmachung.
Am Tag darauf macht der Rechtsdienst Regierungsrat Weber darauf aufmerksam, dass er sich der Begünstigung strafbar machen könne, wenn er «jemanden der Strafverfolgung entzieht», wie es in der Aktennotiz heisst. Der Rechtsdienst kritisiert, dass Weber mit jenen Personen über das Einreichen oder Nichteinreichen einer Strafanzeige diskutierte, die selber von der Anzeige betroffen seien. Zudem weisen die Juristen darauf hin, dass Weber verpflichtet sei, allfällige Straftaten zu melden. Auch dürfe der Untersuchungsbericht, auf den die Strafanzeige basiert, nicht herausgegeben werden, weil dies den Beschuldigten helfe, sich auf das Verfahren einzustellen. Mit seinem Verhalten, so der Rechtsdienst, drohe Weber ein Verfahren wegen Begünstigung. Die Juristen raten dem Regierungsrat «dringend» von der eingeschlagenen Vorgehensweise ab.
Abteilungsleiter protestiert
Aufgebracht ist auch Stefan Bloch, Leiter der Abteilung Arbeitsbedingungen. In einer E-Mail an seinen Vorgesetzten und mit Kopie an weitere Kadermitarbeiter kritisiert er Webers Vorgehen: «Nicht vertretbar ist das Treffen mit einem Anwalt der Sozialpartner, um – kurz gesagt – über die Einreichung einer Strafanzeige zu diskutieren, die sich gegen die verantwortlichen Personen dieser Sozialpartner richten soll», schreibt der Kadermitarbeiter. Bloch warnt ebenfalls vor einem Strafverfahren wegen Begünstigung, das sich «primär gegen Herrn Regierungsrat Thomas Weber» richten werde.
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