Regierung fordert Mursi-Anhänger zum «sicheren Abgang» auf
Hunderte Anhänger des gestürtzten Präsidenten Mursi demonstrieren in Protestcamps in Kairo. Die Armee droht die Lager einzukesseln, sollten sie nicht aufgelöst werden. Nun versucht das Inneministerium zu vermitteln.
Droht eine neue Konfrontation zwischen Mursis Anhängern und der neuen Führung am Nil? Die Muslimbrüder und ihre Unterstützer wollen nicht nachgeben und demonstrieren weiter. Die Behörden wollen die Protestlager der Mursi-Anhänger einkesseln.
Die ägyptischen Behörden setzen ihre Bemühungen um ein Ende der Proteste von Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi fort. Ein Sprecher des ägyptischen Innenministeriums rief die Mursi-Anhänger am Samstag zum Verlassen ihrer Protestlager auf. Durch einen «sicheren Abgang» würden sie es Mursis islamistischer Muslimbruderschaft ermöglichen, «zu ihrer Rolle im politischen Prozess zurückzukehren», sagte der Ministeriumssprecher Hani Abdel-Latif im Fernsehen. Die Sicherheitskräfte drohten damit, zwei Protestlager der Mursi-Anhänger einzukesseln. Diese wollen ihre Proteste aber nicht einstellen.
Hunderte verletzt
Tausende Mursi-Anhänger gingen am Freitag erneut auf die Strasse. In Kairo errichteten Islamisten und Muslimbrüder ein drittes Protestlager in der Nähe des Flughafens. Im Süden der Hauptstadt gab es heftige Zusammenstösse mit der Polizei, die Tränengas einsetzte. 23 Menschen wurden verletzt. Die Polizei meldete zudem Dutzende Festnahmen.
Die Islamisten und Muslimbrüder fordern die Wiedereinsetzung des an einem unbekannten Ort inhaftierten Mursis ins Präsidentenamt. Seit seiner Entmachtung Anfang Juli sind bei gewalttätigen Zusammenstössen mit Sicherheitskräften mindestens 130 Mursi-Anhänger getötet worden, Hunderte weitere wurden verletzt. Die vom Militär eingesetzte Übergangsregierung hat mehrfach gedroht, die beiden grössten Camps der Islamisten mit Gewalt zu räumen.
Doch wurde am Freitag sogar ein drittes Lager errichtet. Im östlichen Stadtteil Heliopolis bauten Tausende Demonstranten Zelte auf und blockierten den Verkehr, wie der Demonstrant Hani al-Schafei der Nachrichtenagentur AP sagte. Über dem neuen Protestlager kreiste ein Militärhubschrauber. Doch später bauten die Demonstranten ihre Zelte wieder ab und verliessen den Ort.
Bedrohung der nationalen Sicherheit
Die Regierung bezeichnet die Camps als «Bedrohung der nationalen Sicherheit». Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnte vor einem drohenden «Blutbad». Sprecher Nadim Houry erklärte, die Führung des Landes müsse das Recht der Demonstranten auf friedliche Versammlung gewährleisten. Allerdings berichtete eine andere Menschenrechtsorganisation, Amnesty International, von Fällen mutmasslicher Tötungen und Folter durch Mursi-Anhänger in den Protestlagern. So sei einem Mann die Kehle durchgeschnitten und ein anderer erstochen worden.
Bisher ist die Polizei gegen die beiden Lager vor einer Moschee in Nasr City im Osten Kairos und vor der Universität in Giseh noch nicht mit Gewalt vorgegangen. Das Innenministerium versprach den Islamisten am Donnerstag «freies Geleit und Schutz», sollten sie ihre Lager freiwillig räumen. Angesichts der Ankündigung der Behörden, Sicherheitsabsperrungen um die Sitzblockaden zu errichten, befürchten Beobachter einen neuerlichen Gewaltausbruch.
Im Süden Kairos ging die Polizei mit Tränengas gegen Islamisten vor, die nach Angaben aus Sicherheitskreisen versucht hatten, einen Gebäudekomplex zu stürmen, in dem viele private Fernsehsender untergebracht sind. Die Demonstranten betonten den friedlichen Charakter ihrer Aktion, mit der sie gegen die lückenhafte Berichterstattung über ihre Aktivitäten protestieren wollten. Wie das Gesundheitsministerium mitteilte, wurden bei den Zusammenstössen 23 Menschen verletzt. Die Polizei berichtete von zwei verletzten Sicherheitskräften. Demnach wurden zudem 31 Protestler festgenommen. US-Aussenminister John Kerry rief alle Konfliktparteien in Ägypten zur Zusammenarbeit auf, um gemeinsam eine friedliche Lösung zu erreichen. «Das letzte, was wir wollen, ist mehr Gewalt», sagte Kerry am Freitag in London.
Äusserungen abgeschwächt
Damit schien er seine kontroversen Äusserungen vom Vortag etwas abschwächen zu wollen. In einem Interview des pakistanischen TV-Senders Geo hatte Kerry am Donnerstag erklärt, dass das ägyptische Militär die «Demokratie wiederhergestellt» habe. Die Einlassung war von einigen Beobachtern als Signal gewertet worden, dass sich die USA auf die Seite der ägyptischen Armee schlagen will. Allerdings hat das Aussenministerium in Washington wiederholt betont, dass die USA sich keiner Seite in dem Konflikt verpflichtet fühlten.
Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri verurteilte in einer am Freitagabend im Internet veröffentlichten Audiobotschaft die Absetzung Mursis. In seiner 15-minütigen Ansprache sagte al-Sawahiri, eine Verschwörung von Säkularisten, koptischen Christen und der ägyptischen «amerikanisierten» Armee habe es auf Mursi abgesehen, weil er ein Islamist sei. Zugleich kritisierte der Terrorchef aber auch Mursi und seine islamistische Muslimbruderschaft scharf. Diese habe «ihr Bestes versucht, um Amerika und die Säkularisten zufriedenzustellen», indem sie den Jihad aufgegeben habe.
AP/wid
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